"Für überbordenden Optimismus ist es noch zu früh"

"Für überbordenden Optimismus ist es noch zu früh"

"Für überbordenden Optimismus ist es noch zu früh"
Ist das Glas halb voll oder halb leer? Die Immobilienbranche sucht Antworten. Quelle: geralt/Pixabay&Savills

Praemia REIM Germany hat die einzelnen Assetklassen analysiert. Die Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im europäischen Vergleich stellt sich auch weiterhin. Doch für die Immobilienwirtschaft bleibt die gesamtwirtschaftliche Situation trotz der leichten konjunkturellen Abschwächung dank stabiler Rahmenbedingungen gut, sagt Florian Wenner, Head of Research & ESG bei Praemia REIM Germany.

IMMOBILÉROS - Der Podcast für die Immobilienbranche

„Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal um 0,1 Prozent geschrumpft und das, obwohl sie sich schon in einer Phase des konjunkturellen Aufwinds wähnte – ein deutlicher und auch überraschender Stimmungsdämpfer.“ Umso mehr könne gerade Deutschland Signale für eine konjunkturelle Wende gut gebrauchen. Die im Juni erfolgte Leitzinssenkung sei hier ein Schritt in die richtige Richtung, so Florian Wenner. „Doch trotz schrumpfender Wirtschaft, einem Transaktionsvolumen, das im ersten Halbjahr unter 10 Milliarden Euro lag und aktuell kaum stattfindenden Transaktionen zeigt das Stimmungsbarometer in der Immobilienbranche deutlich nach oben“, erklärt der Researcher. Die Branche blicke also vergleichsweise optimistisch in die Zukunft. „Dafür spricht, dass die viel beschworene Belebung der Transaktionstätigkeit scheinbar so langsam in Gang kommt.“ Immerhin hätten sich die Spitzenrenditen in den letzten sechs Monaten stabilisiert, viele Buchwerte seien nach unten korrigiert und der Leitzins leicht gesenkt worden. 

„Bei all diesen Vorzeichen drängt sich also die Frage auf: Worauf warten die Akteure noch?“ Laut Florian Wenner sind die Gründe hierfür vielschichtig. Neben der Trägheit des Marktes liege es insbesondere an der noch immer vorherrschenden Skepsis der Anleger gegenüber Immobilieninvestments. In vielen Nutzungsarten scheinen ihnen Immobilienanlagen noch nicht attraktiv genug. „Dazu kommt, dass Unsicherheit darüber besteht, in welcher Höhe die Kosten des ökologischen Umbaus im Gebäudesektor berücksichtigt werden müssen. Außerdem haben viele Investoren in den letzten Jahren Abwertungen oder sogar Verluste hinnehmen müssen. Das schürt die Skepsis. Denn: Das gebrannte Kind scheut erstmal das Feuer. Für die Asset Manager bedeutet das: Noch mehr Überzeugungsarbeit leisten.“

Die Assetklassen im Detail: 

Büroimmobilien: "Keine Aussicht auf Ende des Krisenmodus"

„Der Bogen, den Investoren um Büroimmobilieninvestments machen, ist in den ersten sechs Monaten des Jahres eher größer als kleiner geworden,“ so Florian Wenner. Vieles spreche dafür, dass die Assetklasse ihre Spitzenposition der letzten 20 Jahre an das Wohnsegment verlieren könne. So treffe die große Unsicherheit über den zukünftigen Bedarf an Büroflächen auf die schrumpfende Wirtschaftsleistung. „Eine Mischung, die vermuten lässt, dass derzeit keine Aussicht auf ein schnelles Ende des Krisenmodus besteht.“ Viele Akteure würden zudem mit weiteren Abwertungen rechnen und wollen daher auf dem aktuellen Preisniveau noch nicht kaufen. Weitere Wertberichtigungen könnten die Folge sein. „Nichtsdestotrotz: Auch in der aktuellen Marktphase lohnt es sich, für Opportunitäten offen zu sein. Insbesondere, wenn absolute Core-Objekte zu attraktiven Konditionen auf den Markt kommen.“ Denn in den Top-Städten zeigen sich die Bürovermietungsmärkte weiterhin stabil. Wobei gerade moderne und zentral gelegene Flächen ankämen. Ältere Flächen und Randlagen hätten hingegen das Nachsehen und mit wachsenden Leerständen zu kämpfen. Etwas Hoffnung mache auch ein Blick auf die Entwicklung der Spitzenrenditen. Hier scheint ein (vorläufiges) Ende des Renditeanstiegs erreicht zu seien, erläutert Florian Wenner.

Wohnimmobilien: mit Abstand am beliebtesten

„Wohnimmobilien bleiben mit Abstand die beliebteste Assetklasse.“ Zwar seien die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr rückläufig, doch mit Blick auf die übrigen Assetklassen sei der Rückgang mit rund 20 Prozent noch der Geringste. Das zeige das relativ betrachtet hohe Investoreninteresse, meint Florian Wenner. „Besonders gefragt sind die Perlen unter den Wohnimmobilien: Modern, in Wachstumsregionen gelegen und mit geringem Bedarf an ökologischen Umbaumaßnahmen.“ Da aber das Angebot an solchen Wohnungen begrenzt sei und das von der Politik formulierte Ziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr in weite Ferne rücke, führe für Wohnungsinvestoren kaum ein Weg an Bestandsportfolios vorbei. Was aber auch Chancen mit sich bringen könnte. Bis dato lägen die Spitzenrenditen für Wohnimmobilien mit 3,4 Prozent weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. Deutlich höhere Anfangsrenditen würden für Standorte in B-Lagen sowie für ältere, unsanierte Wohngebäude erzielt, weiß der Experte. „Die entscheidende Frage wird sein: Zu welchen Verkaufspreisen werden diese in den nächsten Jahren angeboten und wie hoch werden die käuferseitigen Abschläge für notwendige energetische Modernisierungen sein?“. 

Handelsimmobilien: Vorgegaukelte Marktdynamik

„Bei den Handelsimmobilien setzt sich der Trend der vergangenen Zeit fort: Einzelne Großtransaktionen verzerren die Situation auf dem deutschen Einzelhandelsmarkt und zeichnen ein dynamischeres Bild der Marktlage, als sie von den meisten Akteuren wahrgenommen wird.“ Hauptgrund dafür seien aktuell drei große Highstreet-Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von etwa 1,5 Milliarden Euro – darunter das KaDeWe mit rund einer Milliarde Euro. „Auch in Zukunft wird der deutsche Einzelhandelsmarkt eher etwas für mutige und kapitalstarke Akteure sein, die sich den Kauf von Portfolios oder großen Einzelobjekten zutrauen.“ Die Spitzenrendite für Highstreet-Shops sei derzeit stabil bei 4,4 Prozent. Die Spitzenrenditen für Supermärkte und für Shoppingcenter seien ebenfalls nahezu unverändert und lägen derzeit bei 4,7 und 5,9 Prozent.  

Gesundheitsimmobilien: Aufwärtstrend sichtbar

„Zwar deutet ein Transaktionsvolumen von circa 0,2 Milliarden Euro im ersten Halbjahr darauf hin, dass auch diese Assetklasse von Investoren derzeit gemieden wird, doch scheint sich zugleich ein Silberstreif am Horizont abzuzeichnen.“ Schließlich, so Florian Wenner, nehme die Marktaktivität wieder leicht zu und mehr Akteure befänden sich in Transaktionsvorbereitungen. Was daraus aber letztlich entstehe, bleibe natürlich abzuwarten. „Spannend ist, dass neben dem Klassiker ‚Pflegeimmobilien‘ im Healthcare-Segment zuletzt auch andere Sub-Assetklassen ins Lampenlicht gerückt wurden – darunter etwa Kliniken und Reha-Einrichtungen.“ Für Investoren könne es sich durchaus lohnen, einen Blick auf solche Nischeninvestments zu werfen. „Allerdings erfordern sie eine profunde Kenntnis des Marktes, des Betreiberkonzeptes und eine spezialisierte Asset-Management-Expertise“, gibt der Experte zu bedenken. Die Spitzenrendite für stationäre Pflegeeinrichtungen sei weiter gestiegen und läge aktuell bei 5,4 Prozent. Für Betreutes Wohnen würden derzeit Spitzenrenditen von circa 4,5 Prozent erzielt.

Hotelimmobilien: Gute Stimmung beim Hidden Champion

„Gute Betreiber- und Tourismuszahlen sorgen für gute Stimmung in der Hotellerie und machen das Segment zum neuen ‚Hidden Champion‘“, weiß Wenner. Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie habe das Stimmungsbarometer die 100-Punkte-Marke überschritten – die Stabilisierung der Inflation und die erhöhte Konsumbereitschaft machen sich hier bemerkbar. Für Investoren bedeute das, dass gerade jetzt ein guter Einstiegspunkt für Investitionen ist – bevor sich der Aufschwung auf Betreiberseite in höheren Preisen für Hotelimmobilien niederschlage. Doch auch wenn die Stimmung gut sei und die Transaktionszahlen stiegen, so sei das Transaktionsvolumen mit 0,3 Milliarden Euro weiterhin auf niedrigem Niveau. Der Grund hierfür seien unter anderem rückläufige Fertigstellungszahlen. „Investoren stehen folglich in erster Linie Bestandsimmobilien zur Verfügung, bei denen nicht selten hohe Investitionen in die energetische Modernisierung der Gebäude anstehen.“ Besonders der Anteil ausländischer Investitionen sei mit 67 Prozent im Hotelsegment sehr hoch. Wenngleich einzelne Großtransaktionen das Marktgeschehen dominierten und somit kaum Rückschlüsse auf ein allgemein hohes Interesse ausländischer Investoren gezogen werden könnten, erläutert Florian Wenner. Die Spitzenrenditen für Hotelimmobilien lägen unverändert bei 5,3 Prozent.

Logistikimmobilien: weiterhin stabile Nachfrage

„Logistikimmobilien erfreuen sich bei Investoren nach wie vor großer Beliebtheit und verzeichnen eine stabile Nachfrage, wenngleich die Transaktionsvolumina noch weit von den Boomjahren entfernt sind“, schätzt der Researcher die Marktlage ein. Im ersten Halbjahr wären rund 1,6 Milliarden Euro in deutsche Logistikimmobilien investiert worden. Ein Großteil des investierten Kapitals komme mit einem Anteil von 68 Prozent nach wie vor von ausländischen Investoren. Interessant sei dabei, dass Neubauten 90 Prozent der Großtransaktionen ausmachten. „Die Zahlen zeigen: Sowohl der Vermietungs- als auch der Investmentmarkt sind von einer hinreichenden Neubauflächenzufuhr abhängig. Was jedoch aufgrund der schwierigen Ausweisung neuer Logistikflächen eine Herausforderung darstellen könnte“, sagt Florian Wenner.  Die Spitzenrenditen für Logistikimmobilien seien leicht auf 4,4 Prozent gestiegen, blieben aber dennoch deutlich unter den Spitzenrenditen für deutsche Core-Büroimmobilien. Aufgrund der abschwächenden Konjunktur, sei außerdem bis zum Jahresende mit eher moderaten Transaktionsvolumina im Logistiksektor zu rechnen.