Die LIST Gruppe hat in der Kölner Strassenkicker Base ihr Format „LIST auf den Punkt“ veranstaltet. Unter dem Titel „CO? als neue Währung – Wie reagiert die Branche auf das Preissignal?“ gab es drei Vorträge und eine Diskussionsrunde.
Moderator Jürgen Utz, Leiter Nachhaltigkeitsentwicklung bei LIST, leitete „LIST auf den Punkt“ ein: „Wir wissen alle, dass zu viel CO? vorhanden ist. Wir müssen uns also fragen: Was können wir machen?“
Nadine Trautmann gewährte Einblicke, wie sie Klimawandel und CO2-Bepreisung als Senior Risikocontrollerin in den Immobilienfonds der Deka Immobilien Investment auf jedes einzelne Gebäude übertragen kann. Alles eine Frage des Risikos und der Szenarien. Nadine Trautmann machte deutlich: Welchen Weg das Klima und der CO2-Preis nehmen wird, können wir nicht sicher sagen. Aber es besteht die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. „Die Rentabilität von Immobilien hat mit dem CO2-Preis eine neue Variable bekommen“, sagte die Expertin. Sicher ist nur die Unsicherheit. Klar ist für Nadine Trautmann aber: „Wenn wir die Transformation nicht schaffen, wird es richtig heiß.“ Im wörtlichen Sinne aufgrund der Erderwärmung, aber auch im übertragenen – und damit in der Immobilienwirtschaft.
Nadine Trautmann: „Wir bepreisen alle Nachhaltigkeitsrisiken“
„Dazu müssen wir in Szenarien denken“, erklärte Nadine Trautmann. Es gehe darum, die möglichen Verläufe statt der Zukunft selbst zu kennen. Unmittelbar damit verknüpft sei dann das Niveau des CO2-Preises. Vor dem Szenario stehe erst einmal das Risiko – und dessen Bewertung. „Das machen wir für jede einzelne unserer Immobilien. Wir müssen jederzeit wissen, wie groß das Risiko für sie ist.“ Die steigende Zahl an Richtlinien und der Einfluss der Regulatorik fordere eine tiefere Auseinandersetzung. Mit dem CO2-Preis sei das alles greifbarer und besser kalkulierbar. „Wir bepreisen alle Nachhaltigkeitsrisiken. Nur mit einem Preis haben wir auch eine gute Argumentation, wie hoch welches Risiko ist.“
Risiko sei aber nicht gleich Risiko und die Unterscheidung wichtig. Zum Beispiel in physische und transitorische Risiken. Zu den physischen Risiken zählen die geographisch-meteorologische Einschätzung von Klimaereignissen, die am Standort auf die zu bewertende Immobilie einwirken. Kombiniert mit anfallenden Kosten für eine mögliche Instandsetzung lasse sich so ein physisches Risiko für jede Immobilie berechnen. Blieben noch die transitorischen Risiken. Diese seien vor allem durch Gesetze und Regelungen indiziert und ließen sich unmittelbar mit dem CO2-Preis messbar machen. Richtwert in der Risikobewertung sei der errechnete CRREM-Pfad – der „Diätplan“ – einer Immobilie. Im Zentrum stehe die Frage: „Was kann getan werden, um die Emissionen des Gebäudes zu reduzieren?“ Die Umsetzung von baulichen Maßnahmen und die Nutzung von Ökostrom im Betrieb sind die entscheidenden Bausteine zur Emissionsreduktion. Dann bleibt aber zuweilen eine Lücke zum CRREM-Pfad übrig, das „Carbon Delta“. Diese könne unmittelbar mit dem CO2-Preis bepreist werden.
Das Fazit von Nadine Trautmann: „Wenn wir es nicht schaffen, den CO2-Fußbadruck zu reduzieren, dann haben wir ein Renditethema. Wir müssen investieren, um zu verhindern, dass wir ein sehr heißes Umfeld bekommen.“ Das Verständnis und Bewusstsein dafür sei bereits in der Immobilienwirtschaft angekommen. „Mieter fragen gezielt nachESG-konformen Immobilien und es gibt Schwierigkeiten, Käufer für Assets zu finden, die nicht konform sind.“
Jannick Höper: „Nachhaltigkeit ist längst eine wirtschaftliche Rationalität“
Dieses „Einfluss-Nehmen“ kann schon im Kleinen beginnen. Jannick Höper, geschäftsführender Gesellschafter bei LIST Eco, findet Zahlen und Berechnungen leichter, unangenehmen Themen auf den Grund zu gehen. „Nachhaltigkeit ist längst eine wirtschaftliche Rationalität.“ Das Wissen um die Relevanz der Erderwärmung und den Einfluss des CO2-Preises ist auf dem Bau angekommen. Es muss sich nur noch festsetzen. Dieser lange Weg kann auch im Kleinen beginnen – zum Beispiel in einer Logistikhalle. Dazu gehöre es aber auch, höhere Kosten beim Bau in Kauf zu nehmen, die sich aber mit dem zu erwartenden CO2-Preis über die Lebensdauer der Immobilie schnell amortisieren. Durch fehlenden Klimaschutz herbeigeführte Schäden könnten laut Höper schon in kürzester Zeit bis zu sechsmal höhere Kosten verursachen als die Umsetzung von Maßnahmen zur Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 2°C. Wie groß diese Schäden ausfallen, hänge stark davon ab, wie viel Treibhausgase wir weiter ausstoßen. Bevor der Klimaschutz in besagter Logistikhalle umgesetzt werde, müsse er sich aber erst einmal im Kopf festsetzen. „Es wird niemand kommen, der uns den Klimawandel nimmt und das Problem für uns regelt.“
Ein wichtiger Schritt: den Anteil des Menschen an der Erderwärmung richtig bewerten. Das zeige schon ein kurzer Ausflug in die Chemie und Physik – und ein Blick 800.000 Jahre zurück. So habe sich die Verteilung der natürlich auftretenden Isotope in der Atmosphäre besonders mit Beginn der industriellen Revolution ab Mitte des 18. Jahrhunderts drastisch verändert. Die Konzentration in fossilen Brennstoffen nicht enthaltener C14- und kaum enthaltener C13-Isotope habe sich nachweislich reduziert. Kohlenstoff kommt in unserer Atmosphäre in Form verschiedener Isotope vor. Während das sogenannte C12 aus der Verbrennung fossiler Energieträger entsteht, werden C13- und C14-Isotope den übrigen Quellen zugeschrieben. Messungen ergeben ab dem Zeitpunkt der Industrialisierung einen drastischen Anstieg von C12-Isotopen, während die Konzentration der Kohlenstoff-Isotope C13 und C14 im Verhältnis stark abnehmen. Mit anderen Worten: Die Verhältnisse haben sich so drastisch verändert, dass völlig klar ist: „Die Veränderung des Klimas ist von niemand anderem abhängig als vom Verhalten der Menschen. Wir können es nicht einfach laufen lassen.“
Nachhaltigkeit kostet, keine Nachhaltigkeit kostet mehr
Aber wo anfangen? Vielleicht unter dem Logistikhallendach. In einer detaillierten Gegenüberstellung rechnete Jannick Höper Schritt für Schritt vor, welchen Einfluss einzelne Bauteile bereits nehmen können – im Beispiel die Installation einer Geothermie-Anlage mit angeschlossener Photovoltaik-Technik im Vergleich zur Verwendung von Gas-Dunkelstrahlern. Jannick Höper hatte viel gerechnet, um die einzelnen Kostenpunkte von der Herstellung über den Energiebedarf bis zu grauen Emissionen mit möglichen Entwicklungen des CO2-Preises zu kreuzen und gegenüberstellen zu können.
Unabhängig von welchem hochgerechneten CO2-Preis er zwischen 2024 und 2050 in Anlehnung an die zuvor von Nadine Trautmann erläuterten RCP-Szenarien auch ausging: Das Ergebnis blieb gleich. Nachhaltigkeit kostet, keine Nachhaltigkeit kostet mehr. Trotz der höheren initialen Kosten im Bau im Extremfall beinahe das Doppelte.
Manuel Höchemer: „Das CO2 ist nicht morgen weg“
Den C02-Preis thematisierte Manuel Höchemer, bei der Commerzbank Experte für Capital Markets Financial Markets Sales Commodities. „Es ist Konsens, dass wir das Thema ‚removal‘ brauchen. Das CO2 ist nicht morgen weg, sondern verbleibt hunderte Jahre in der Atmosphäre“, so Manuel Höchemer. Besonders in Deutschland und Europa sei ein klarer „Removal-Fokus“ erkennbar. Die Staaten konzentrierten sich darauf, Maßnahmen und Technologien zu entwickeln, die darauf abzielen, CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen und langfristig zu speichern.
Der Emissionshandel unterliegt einem stetigen Wandel. Eine Bepreisung von CO2 ist ein wirksames Instrument, um die richtigen Antworten auf den Klimawandel zu finden. „Wir unterscheiden dafür zwischen zwei Bestandteilen: dem verpflichtenden und dem freiwilligen Emissionshandel“, erklärte Manuel Höchemer. Dazu sei der Markt sehr dynamisch – und bei Weitem kein exklusives Thema für die Immobilienwirtschaft. „Es geht dabei auch um viel mehr als die Kompensation der letzten Flugreise.“
Das Zusammenspiel aus dem verpflichtenden Emissionshandel (ETS = Emission Trading System) und dem freiwilligen (Voluntary Carbon Market) habe einen langen Anlauf genommen. Begonnen mit der Verabschiedung des als Kyoto-Protokoll bekannten Abkommens im Jahr 1997 – dem Beginn des verpflichtenden Emissionshandels. Das Prinzip dahinter sei simpel: Nach dem Cap-and-Trade Prinzip werden Obergrenzen für den Ausstoß von CO2 erst gesetzt und später sukzessive abgesenkt. Das Recht, Emissionen auszustoßen, muss von demjenigen über Zertifikate erworben werden, der das CO2 ausstößt. Man nennt dieses Prinzip auch “Downstream”-Ansatz. Der Anreiz, die Menge des emittierten CO2 zu reduzieren wird immer größer, weil in der Folge der gezielten Verknappung von Zertifikaten deren Preis sukzessive zu steigen droht. Wer investiert, reduziert also sein Kostenrisiko in der Zukunft.