Dr. Heino Betz, Managing Director bei der BF.real estate finance, spricht mit uns vor dem Frankfurter Immobilienkongress am 14. September über den Officemarkt der Main-Metropole, die Chancen durch den Brexit, die aktuelle Situation, über Investoren und die momentan angesagten Assetklassen.
Sie sind promovierter Wirtschaftswissenschaftler, haben über zehn Jahre als Immobilien- und Kreditexperte für eine Bank gearbeitet, waren dort verantwortlich für ein Bestandsportfolio von fünf Milliarden Euro, haben Investoren beraten. Wie schätzen Sie mit Ihrer langjährigen Expertise die aktuelle Situation der Immobilienbranche ein?
Dr. Heino Betz: Die derzeitige Lage ist sicherlich eine der komplexesten Gemengelagen, welche wir in der Immobilienbranche erlebt haben. Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt bereits eine Situation gegeben hat, die von derart vielfältigen Komplexitäten und schwarzen Schwänen geprägt war. Daher ist es derzeit sowohl Finanzierern als auch Investoren sehr wichtig, dass die handelnden Personen und Teams auf der Seite der Projektentwickler und Bestandshalter einen sehr großen Erfahrungsschatz für Asset- und Finanzierungsthemen haben. Dieser Erfahrungsschatz sollte nicht nur die Phase des Aufschwunges, sondern einen kompletten Zyklus der Immobilienwirtschaft umfassen. Dies trifft insbesondere auf zurückliegende Erfahrungen aus der Finanzkrise ab 2008 zu. Damit sind derzeit erfahrene Manager und Experten mit einem Erfahrungshorizont von über 15 Jahren sehr gefragt.
In den nächsten fünf Jahren knackt Frankfurt am Main die Marke von 800.000 Einwohnern. Kann der Wohnungsbau da noch mithalten? Knapp 10.000 Wohnungen sind derzeit in Bau, zehn Prozent davon gefördert. Die Analysten der Empira Gruppe sagen: Frankfurt hat mit 8,3 Prozent aktuell die höchste Neubauquote unter den Top-8.
Doch die wirtschaftlichen Unsicherheiten hinterlassen auch in der Finanzmetropole ihre Spuren: so wächst beispielsweise der Bauüberhang deutlich. Wann gibt es bessere Förderkonditionen für den sozialen Wohnungsbau? Und was ist mit dem Büromarkt? Insights zu diesen und weiteren Themen liefern namhafte Referenten am 14.09.2023 beim Frankfurter Immobilienkongress. Darunter auch Fabio Carrozza, ein Kollege von Dr. Heino Betz und Managing Director der BF.real estate finance GmbH.
Was sehen Sie als besondere Herausforderungen?
Dr. Heino Betz: Eine große Herausforderung stellt neben der Identifikation von zukünftigen rentablen Investments sowie deren Planung und Umsetzung, insbesondere das Management von Projekten dar, welche noch vor der Zeit des Zinsanstieges zu großen Teilen mit aus heutiger Sicht zu optimistischen Parametern geplant wurden. Diese Projekte sind in Teilen weder finanzierungs- noch marktfähig. Hier ist eine Korrektur der Planung unumgänglich. Ob auf dieser Basis ein wieder marktfähiges und rentables Produkt entstehen kann, ist zu prüfen. Es wird aber nicht in jedem Fall gelingen.
Auf der Finanzierungseite verschieben sich die Schwerpunkte derzeit ebenfalls stark. Banken, aber auch alternative Finanzierer reduzieren häufig ihren Leverage und fordern im Gegenzug eine stärkere Eigenkapitalbasis. Neben der Voraussetzung, dass Projekte rentabel sein müssen, steht am Anfang der Planung derzeit häufig die Suche nach Eigenkapitalpartnern, um bei Investments die unternehmerische Wertschöpfung in Form eines Joint Ventures zu realisieren.
Frankfurt am Main und die Krise
Wir wollen über Frankfurt am Main sprechen, wo IMMOCOM am 14. September wieder einen Kongress veranstaltet. Die Stadt ist der Finanz-Hotspot. Büßt Frankfurt in der jetzigen Krise diesen Status ein?
Dr. Heino Betz: Ich sehe keinen Grund, warum Frankfurt seinen Status als Finanz-Hotspot verlieren sollte. Dieser Aspekt kann nicht allein aus Sicht des Immobilienmarktes und seiner Finanzierungsaktivitäten beurteilt werden, sondern muss als Betrachtungswinkel die gesamte Finanzbranche umfassen. Hier verweise ich gerne weiterhin auf die Chancen, welche sich ergeben haben und noch ergeben, weil sich London nach dem Brexit aus dem EU-Binnenmarkt verabschiedet hat oder welche sich beispielsweise aus der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ergeben. Hier bringt sich Frankfurt im Wettbewerb um Kunden und Mitarbeiter in Position.
Laut BNP notiert der Frankfurter Investmentmarkt rund 81 Prozent unter dem Zehn-Jahresdurchschnitt und damit auf dem Niveau des Jahres 2010. Ist die Talsohle erreicht?
Dr. Heino Betz: Der Einbruch am Investmentmarkt war deutschlandweit sehr signifikant. Hier ist Frankfurt zumindest nicht negativ aufgefallen. Wir haben eine sehr große Investitionsschwäche in allen Top7-Städten. Ich gehe davon aus, dass der Markt langsam wieder Fahrt aufnimmt und dass wir ab 2024 wieder eine deutliche Belebung sehen.
Als ein Grund wird immer wieder der Preisfindungsprozess benannt. Wie ist aus Ihrer Sicht der aktuelle Stand?
Dr. Heino Betz: Aus meiner Sicht ist der Preisfindungsprozess noch nicht abgeschlossen. Positiv ist die rückläufige Inflation und ein daraus resultierendes erkennbares neues Zinsniveau. Damit haben Investoren Klarheit über Anlageopportunitäten, insbesondere in festverzinslichen Wertpapieren. Zu diesen Renditeerwartungen in den Anlageopportunitäten muss sich für die Investoren noch das gefühlt richtige Preisniveau für Immobilieninvestitionen herauskristallisieren.
Das neue Preisniveau wird somit erst erreicht sein, wenn die Investitionen in Immobilien einen aus Sicht der Investoren ausreichenden Renditeaufschlag zu sicheren festverzinslichen Wertpapieren erreicht haben. Die Adjustierung der notwendigen Renditen in den Immobilieninvestitionen wird noch eine Zeit lang über den Preis erfolgen.
Sehen Sie neue, andere Investoren?
Dr. Heino Betz: Ich sehe in dieser Marktphase der sehr geringen Investitionstätigkeit eine sehr große Zurückhaltung bei institutionellen Investoren. Keiner möchte es riskieren, zu früh wieder am Markt zu sein und zu einem zu hohen Preis zu kontrahieren. Mutiger sind hier derzeit noch privatorientiere Investoren, wie Family Offices, welche oft vollständig oder zumindest einen sehr hohen Anteil der Investitionen aus Eigenkapital stemmen und Chancen strategisch und nicht mit Blick nur auf kurzfristige Renditen nutzen. Ich gehe aber davon aus, dass nach der Stabilisierung des Preisniveaus die institutionellen Investoren in den Markt zurückkehren werden und das Volumen am Investmentmarkt wieder signifikant zunimmt. Wie bereits erwähnt, sehe ich dies ab 2024. Die Marktaussichten für Immobilien bleiben mittel- und langfristig jedenfalls deutlich positiv.
Die momentan angesagten Assetklassen
Welche Assetklassen sind für Sie im Fokus?
Dr. Heino Betz: Bei den Assetklassen gehe ich davon aus, dass nach Preisstabilisierung Wohnen weiter gefragt sein wird, da die Nachfrage nach Wohnraum ungebrochen hoch ist. Es muss aber ein Weg gefunden werden, diese Investitionen auch rentabel darzustellen. Wesentliche Preistreiber sind neben Zinsen und Weltmarktpreisen für Rohstoffe, auch staatliche und behördliche Vorgaben und Auflagen. Diese gehören umfassend auf Sinnhaftigkeit und Kostenauswirkung überprüft und mutig optimiert. Eine reine Optimierung über steuerliche Effekte, wie Abschreibungen, wird nicht ausreichen. Es müssen auch anreizkompatible und in der Höhe ausreichende Fördermöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden.
Als weiterhin sehr attraktive Assetklasse sehe ich Gesundheitsimmobilien. Hier schließe ich aufgrund der Betreiberproblematik die klassischen Pflegeheime ein Stück weit aus. Aber Einrichtungen der ambulanten präventiven und kurativen Vorsorge werden zukünftig einen hohen Stellenwert haben. Hier spielt der Kostendruck aus der stationären Gesundheitsversorgung eine große Rolle. Wenn immer möglich, erfolgt sinnvollerweise die Kombination mit seniorengerechtem Wohnen in einer gemeinsamen Quartiersentwicklung.
Ebenfalls attraktiv bleiben neue und moderne Logistikimmobilien in gängigen Losgrößen, sofern sich diese in einem typischen Logistikcluster mit ausreichend hohem Investment- und Vermietungsumsatz befinden. Diesen Trend für Flächenmodernisierung sehe ich auch weiterhin, obwohl die Sonderkonjunktur für Logistik aus der Coronazeit ausgelaufen ist.
Der Büromarkt
Der Officemarkt zeigt sich – im Gegensatz zu anderen Top7-Destinationen – robust. Hochwertige Flächen stehen im Fokus und damit die A-Lagen. Wird sich diese Entwicklung weiter fortsetzen?
Dr. Heino Betz: Ich sehe derzeit offengesprochen in der Breite keinen robusten Office-Markt. Der gesellschaftliche Trend zu Homeoffice ist im Markt noch nicht vollständig konsolidiert. Dazu kommen die eingetrübten Aussichten auf die wirtschaftliche Entwicklung. Hier reagiert die Assetklasse Office sehr sensibel. Vor allem ältere Objekte in suboptimalen Lagen kommen unter Druck. Der Markt ist in der Breite zwar nicht tot, aber derzeit extrem selektiv. Einen robusten Markt erwarte ich hingegen für die Assetklasse Office in sehr guten Lagen mit sehr hoher ESG-Qualität und sehr hohem Wellbeing-Faktor für die potenziellen Mieter. Diese Flächen werden zukünftig stark gesucht werden und der Leerstand wird sehr gering sein.
Problematisch ist derzeit, dass wir für neue Projekte drei bis vier Jahre benötigen, bis sie am Markt ‚erscheinen‘. Der Mietmarkt kennt normalerweise aber keine derart langen Vorlaufzeiten. Damit gelingt es den Investoren derzeit nicht, die von den Finanzierern in der Regel geforderte ausreichend hohe Vorvermietungsquote nachzuweisen. Daran scheitert häufig die Finanzierungsfähigkeit, sofern nicht ausreichend andere Recourse-Elemente eingebracht werden können.
Hier muss dringend ein Weg gefunden werden, diesen gordischen Knoten zu zerschlagen. Andernfalls werden wir in einigen Jahren zu wenige neue Flächen haben, welche den Anforderungen der Mieter entsprechen werden. Bei sehr guten Qualitäten der Assets wünsche ich mir etwas mehr Mut für spekulative Vorhaben.
Sehen Sie eine Metropole, die Frankfurt nachhaltig in den Schatten stellen könnte?
Dr. Heino Betz: Diese Frage ist nicht objektiv zu beantworten. Dazu müsste man den absoluten Marktüberblick haben. Ich sehe aber Frankfurt weiterhin gut aufgestellt. Die Chancen als Finanzierungsstandort habe ich umrissen. Bei den Immobilien muss Frankfurt die Chancen im Bereich Wohnen, besonders auch bezahlbares Wohnen, und im Bereich Office erkennen und nutzen. Es wird aber nicht reichen, in Zukunft allein über singuläre Assetklassen zu sprechen.
Zur Attraktivität gehört, dass man Quartiere mit möglichst kurzen, staufreien Wegen entwickelt und bestehende Quartiere in den Nutzungsarten diversifiziert. Diese Quartiere werden dann attraktiv sein, wenn sie Wohnen, Arbeiten, aber auch Gesundheitsversorgung und selbstverständlich die notwendige Nahversorgung intelligent miteinander verknüpfen. Frankfurt sollte sich daher auf die eigenen Themen in diesem Bereich konzentrieren. Wenn hier das maximale erreicht wird, wird man sehen, wie man im Vergleich zu anderen Metropolen abschneidet.