Olaf Bremer, Geschäftsführer von projekt//partner, erklärt das totgesagte Zellenbüro für immer noch lebendig. Zudem erläutert der New Work-Experte mit Standorten in Dortmund und München, wie eine moderne Büro-Transformation heute stattfindet.
JLL hat eine weltweite Studie initiiert, in der 33 Prozent der befragten Unternehmen angeben, dass sie eine Anwesenheitspflicht im Büro eingeführt haben. Der viel größere Anteil von 87 Prozent erwartet die Mitarbeiter zumindest ein paar Tage im Büro. US-amerikanische Tech-Konzerne wie Tesla oder das Finanzunternehmen Goldman Sachs handhaben Homeoffice mittlerweile sehr strikt. Wie ordnen Sie solche Studien und Zahlen ein?
Olaf Bremer: Das ist eine internationale Studie, was die pauschalisierte Betrachtung nicht so einfach macht, da es einen Unterschied darstellt, ob ich im CBD von Singapur, im Silicon Valley oder im Ruhrgebiet sitze. Da kann man nicht nur einen Koeffizienten rausnehmen. Fest steht: Seit der Pandemie ist die Büchse der Pandora geöffnet, es gibt Begehrlichkeiten für das Homeoffice, es ist eine vielschichtige Frage von Organisation, Unternehmenskultur bis zu den beteiligten Generationen. Jedes Unternehmen sollte sich auf sein Team ganz individuell einstellen.
Neue Arbeitswelten sind bei Ihnen seit über 20 Jahren ein Thema, Sie gehören zu den New Work-Pionieren. Damals gab es noch keine Pandemie und Remote. Welche großen Veränderungen – außer den gerade genannten – haben das Büro geprägt?
Olaf Bremer: Ich erinnere mich an die Achtzigerjahre, wo ich meine Ausbildung gemacht habe: im Großraumbüro. Da galt das Eckbüro noch als Statussymbol. Die Schreibtische wurden tiefer, weil die Röhrenmonitore Platz brauchten. Dann kamen die Cubicals als Denkerzellen, dass man bloß nicht abgelenkt wurde. Am Ende waren Krisen immer die Auslöser für Veränderung. Eine große Veränderung liegt meiner Ansicht nach in der Ablösung einer hierarchischen durch eine holokratische Organisation. Für uns als Raumgestalter war die Digitalisierung der Gamechanger – damit wurde Arbeiten von überall möglich. Heute sind wir bereits bei der Erarbeitung der Raumkonzepte früh mit dabei, erstellen eine sehr zielgerichtete, detaillierte Planung. Uns ist dabei sehr wichtig, dass es eine realistische Planung ist, die dann auch wirklich umgesetzt werden kann.
Individualität und Bürowelten
Früher wusste man, wenn man ein Büro betrat, was einen erwartet. Große Unterschiede gab es nicht. Individualität schien keine Rolle zu spielen. Welche Rolle spielt sie heute?
Olaf Bremer: Sie ist entscheidend. Wir gehen mit den Unternehmen in den Dialog, schauen an, wo sie stehen. Oft helfen wir ihnen, zu erkennen, was sie wollen. Wir sehen uns als Inspirationsgeber, machen Abläufe im Raum sichtbar und stellen verschiedene Settings vor. Vielen wird dann erst bewusst, wie unterschiedlich Dinge beurteilt werden können.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Olaf Bremer: Es ist ein Unterschied, ob ich an einem Schreibtisch, auf einem Barhocker an einem Tresen, auf einer Agora in der Mitte des Raumes sitze oder an einem Hochtisch stehe. Das muss man zeigen und durchspielen. Für unsere Kunden ist das enorm wichtig, weil sie oft erst dann die Unterschiede erkennen. Unsere Arbeit beschränkt sich nicht nur auf den Raum, wir stellen immer wieder eine Schnittstelle zu Change-Beratungen dar. Mit der Umgestaltung oder einem neuen Büro sind meist auch Umstrukturierungen verbunden, die Einfluss haben und die wir kennen müssen.
Neues Bürokonzept für den ADAC Westfalen
Ich würde gern an einem Beispiel den Weg hin zum richtigen Officekonzept mit Ihnen durchlaufen. Wie haben Sie sich beim ADAC Westfalen den Wünschen und Ansprüchen genähert?
Olaf Bremer: Die Geschäftsführung wollte Impulse setzen, es sollte mehr Miteinander im Team geben. Im Standard gibt es Zellenbüros, über die Etagen ist die Organisation abgebildet. Hier war eine der entscheidenden Fragen, wie wir Begegnungen und ein attraktives Umfeld schaffen. Wir haben einen bisher ungenutzten, abgelegenen Raum in drei Bereiche durch Raumtrenner zoniert. In der Mitte wurde ein kommunikativer Bereich als agiles Setting für Meetings entwickelt. Flankiert von einer Townhall für Team-Meetings und einer Working-Bench, die zum kollaborativem Miteinander einlädt. Durch Farben und Materialmix konnten wir einen Wiedererkennungswert der ADAC-Merkmale erreichen.
Welche Rolle spielt die Kommunikation mit den Menschen, die später in dem Büro arbeiten sollen?
Olaf Bremer: Am Anfang legen wir mit der Geschäfts- oder Teamleitung die Leitplanken fest, also auch ein Budget. Wir empfehlen immer, die späteren Nutzer sehr zeitig mit einzubeziehen. Beteiligung führt zu Akzeptanz, das ist ein wesentlicher Punkt. Wir stehen an der Seitenlinie, das Team erarbeitet sich die Fläche mit moderiertem Input selbst. Die Machbarkeit behalten wir im Blick und bremsen auch mal, wenn es über die vorher festgelegten Leitplanken hinaus geht. Wir verstehen uns zudem als Mediator, gerade wenn es um Vorbehalte geht, beispielsweise gegen Großraumbüros. Hier helfen Argumente, dass an beispielsweise Licht, Lüftung oder Lautstärke bereits gedacht wurde.
Moderne Bürokonzepte und Zellenbüros
Sie sind Co-Founder des Weltenraums in Iserlohn, einem Coworking-Space, im ländlichen Raum verortet. Sind moderne Bürokonzepte – außer das in Iserlohn – eher etwas für die Metropolen und Ballungsgebiete?
Olaf Bremer: Ich bin in Südwestfalen aufgewachsen, bin auch Mitgesellschafter und kenne alle Projektbeteiligten. Die Innenraum-Gestaltung haben wir übernommen und wandelten die ehemalige Bank-Etage im New-Work-Kontext um. Hier hatten wir einen kleinen finanziellen Rahmen zur Verfügung, was aber trotzdem funktioniert hat. Natürlich ist in den Metropolen und den Regionen drumherum Coworking eher eine Selbstverständlichkeit. Ich denke aber, dass auch im ländlichen Raum großes Potenzial da ist. Beispielsweise dort, wo es Leerstand gibt und wo Wirtschaftsförderungen sich bemühen, Umnutzungen möglich zu machen. Das sind dann Pendlerhäfen oder Arbeitsplätze für Individualisten. Die Betreiber sind oft lokale Unternehmen, die die regionalen Besonderheiten kennen.
Agil, modern, offen, innovativ sind die Schlagworte. Ist das klassische Büro mit Zellenstruktur unerwünscht oder hat es noch eine Daseinsberechtigung?
Olaf Bremer: Es wird immer eine Daseinsberechtigung haben. Denken Sie an einen Arzt-, oder Anwalts- oder Notarbesuch. Da verlangt schon allein die Art der Nutzung ein Zellenbüro, da es dort eine Intimsphäre braucht. Die Mischung von Zellenbüros und offenen Bereichen funktioniert da aber auch sehr gut. Auf den Mix kommt es an.