ISG: Die Krise des Büromarktes ist keine Bürokrise

ISG: Die Krise des Büromarktes ist keine Bürokrise

ISG: Die Krise des Büromarktes ist keine Bürokrise
Michael Schöneich, Director Pre-Construction beim Baudienstleister ISG, analysiert die Auswirkungen von Homeoffice auf den Büromarkt.

Zwei Jahre nach Beendigung der Corona-Krise steht fest: Die konstant hohe Home-Office-Quote von 25 Prozent zieht keine signifikante Büroflächenreduzierung mit sich. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sehen keinen Bedarf an einer Veränderung. Doch es sind vor allem die Mitarbeiter, die ihren Büroarbeitsplatz schätzen. Welche Folgen das für das Produkt Büro hat, erklärt Michael Schöneich, Director Pre-Construction beim Baudienstleister ISG.

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Die angespannte Lage der Büromärkte führt derzeit zu einer großen Verunsicherung. Negativschlagzeilen zu einbrechenden Transaktionsmärkten, sinkenden Flächenumsätzen und wachsenden Leerständen dominieren das Stimmungsbild. Die Vermietungen bleiben bis zu einem Drittel hinter den Boom-Jahren zurück, wie die großen Maklerhäuser im letzten Quartal berichteten. Gleichzeitig klettern die Spitzenmieten in den zentralen Lagen der A-Städte weiter aufwärts, sodass 40 Euro und höher keine Seltenheit mehr sind. Düsseldorf kratzt bei den Leerständen an der Zehn-Prozent-Marke, wie der aktuelle Marktbericht von Jones Lang LaSalle (JLL) aus dem letzten Quartal ermittelte. Auch der Büroneubau ist weiterhin rückläufig. Die Zahl der fertigstellten Bürogebäude lag noch einmal unter dem Vorjahreswert, dem bis dato niedrigsten der letzten zehn Jahre. Hinzu kam ein Rückgang der Baugenehmigungen um 16 Prozent. Diese jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes könnten also auf einen übersättigten Markt hinweisen. Davon bleibt jedoch nach derzeitigen Erkenntnissen nicht viel übrig. Die Verunsicherung hat keine objektive Begründung, die Fakten sprechen eine andere Sprache.

Remote als Ergänzung

Zum einen hat sich nicht nur in den Banken eine „Büropflicht“ zumindest an einigen Wochentagen durchgesetzt. Ob SAP, Amazon oder Deutsche Bank: Viele Unternehmen erkennen, dass Videokonferenzen eine physische Zusammenkunft nicht ersetzen können, um effiziente Prozesse und eine starke Unternehmenskultur zu erreichen. Laut einer weltweiten JLL-Umfrage von Anfang 2024 hat ein Drittel der befragten Unternehmen eine teilweise Büropflicht verhängt. Weitere 27 Prozent ziehen diese Regelung in Betracht. Eine solche Kombination von Büropräsenz und selbstgewähltem Arbeitsort bildet derzeit die Standardlösung in vielen Unternehmen.

Büropräsenz ist allen voran ein Kriterium für kleine und mittelständische Unternehmen: 40 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland schließen eine Veränderung ihrer Büroflächen laut einer Allensbach-Umfrage von 2023 kategorisch aus. Im selben Jahr ermittelte das ifo-Institut, dass gerade einmal neun Prozent Home-Office als Anlass zur Büroflächenreduzierung sehen. Eins von hundert Unternehmen möchte sich sogar flächenmäßig vergrößern. Bei einer seit Jahren konstanten Home-Office-Quote von 25 Prozent der Arbeitszeit ergibt sich folglich keine entsprechende Reduzierung der Büroflächen.

Feste Arbeitsplätze bleiben die Norm

Welche Art von Büro wird denn benötigt? Die Hauptanforderungen in allen Studien dazu lauten: Ruhe, Individualität, Zusammenarbeit und Begegnung. Diese Kriterien zeigen auf, dass eine Büroflächenreduzierung seitens der Mitarbeiter nicht gewünscht wird. Im Gegenteil: Einzelbüros statt Großraumflächen sowie zusätzliche Projekträume und Begegnungszonen verweisen vielmehr auf eine konstante, wenn nicht gar wachsende Flächennachfrage. Wohlgemerkt: Die Kriterien stammen aus der Belegschaft selbst und stehen rationalen Berechnungen von Kosteneffizienz entgegen.

Wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) in seinem Report „Büroarbeit im Wandel“ von Dezember 2023 ermittelte, ist die Arbeitszufriedenheit unter den Präsenzmitarbeitern und den hybrid Tätigen vergleichbar hoch. Zusätzlich zeigt die Umfrage: 80 Prozent der im Büro beschäftigten Mitarbeiter verfügen immer noch über einen festen Arbeitsplatz. Desk-Sharing und andere Erscheinungen, die eine Büroflächenreduktion ermöglichen sollten, setzen sich entweder nur langsam durch oder haben sich bereits als kontraproduktiv erwiesen.

Ein anderer, bislang vernachlässigter Aspekt ist der Zusammenhang zwischen Flächenqualität und Innovationsstärke der Unternehmen. Innovation wird allzu häufig auf Budgetfragen und Mitarbeiterschulung reduziert. Doch die Kriterien sind weitreichender und sollten zu einer engen Verzahnung zwischen Immobilien- und Innovationsstrategie führen. Berechnungen zufolge könnte eine solche Verquickung gesamtwirtschaftlich zu zweistelligen BIP-Wachstumsraten führen.

Fazit: Das Produkt Büro deckt Bedürfnisse ab

Zweierlei begünstigt eine positive Entwicklung des Büromarktes: Moderne Büros sind Anziehungspunkte für die Beschäftigten. Sie werden so gestaltet und eingerichtet, dass die Mitarbeiter auch eine Pendelstrecke in Kauf nehmen, um auf dem neusten Stand zu bleiben. Allen voran erfüllen sie Mitarbeiterbedürfnisse – ein Faktor, der bei früheren Büroplanungen in der Regel zu kurz gekommen war. Darüber hinaus spielt die Krise des Wohnungsbaus dem Büro in den Karten: Home-Office setzt eben entsprechende Flächen in den eigenen vier Wänden voraus. Die in den vergangenen Jahren stetig gewachsene beanspruchte Wohnfläche müsste folglich weiter ansteigen. Doch kurz- und mittelfristig stehen sowohl die Marktlage mit zahlreichen Insolvenzen unter Wohnungsbauern als auch die politische Vorgabe keiner weiteren Flächenversiegelung einem Anstieg der Wohnfläche entgegen. Das Home-Office bleibt folglich im Vergleich die unbequeme und ineffiziente Alternative zum voll ausgestatteten Büroarbeitsplatz.