Sophie Jenßen, Head of Sales bei Bonava in Deutschland, hat für IMMOBILIEN AKTUELL den Investmentmarkt für Wohnimmobilien unter die Lupe genommen.
Nach einem verhaltenen Jahresbeginn zeigt der Investmentmarkt für Wohnimmobilien eine erste Belebung. Selten waren das Umfeld und der Einstiegszeitpunkt für Investoren attraktiver als jetzt. Die hohe Nachfrage nach Wohnraum bei begrenztem Angebot – ja bei fundamentaler Angebotsknappheit – schafft attraktive Bedingungen für Investoren. Die Lage im Mietwohnmarkt ist nach wie vor angespannt mit weiter dynamisch steigenden Mieten und sorgt somit für stabile Cashflows. Und das könnte entscheidend das Potenzial von Wohnimmobilieninvestments steigern – wenn diese zukunftsfähig konzipiert sind. Die Bodenbildung bei den Preisen dürfte nahezu erreicht sein und die Aussichten auf weitere Zinssenkungen bringt mehr Zuversicht in den Markt. Das spiegelt sich bereits in einer sich verbessernden Verkaufssituation am Wohneigentumsmarkt sowie auch in zunehmenden Investmentaktivitäten wider.
Wohnraumnachfrage mit neuen Höchstständen
Das bereits zurückgekehrte Vertrauen in den Wohnimmobilienmarkt wird durch aktuelle Transaktionszahlen untermauert: Von den im ersten Halbjahr 2024 gehandelten 18.900 Wohneinheiten entfielen knapp 15.000 auf das zweite Quartal. Von April bis Juni wurden 80 Abschlüsse gezählt, JLL zufolge sind das fast doppelt so viele wie zum Jahresauftakt und etwa die Hälfte mehr als ein Jahr zuvor. Gemäß den Ergebnissen des WohnBarometers von ImmoScout24 erreichte die Kaufnachfrage in den Metropolen im zweiten Quartal 2024 einen neuen Höchststand seit 2017: In den Top-8-Städten nahm sie im Jahresvergleich um 47 Prozent zu. Dieser Trend zeigt sich auch im Umland der Metropolen (+36 Prozent) und auch in anderen Städten ist die Nachfrage so groß wie seit Jahren nicht mehr.
Dass Wohnraum in Deutschland immer stärker gefragt ist, belegt auch die Rekord-Nachfrage nach Mietwohnungen, was sich in steigenden Mietpreisen niederschlägt – bei Neubauten im zweiten Quartal 2024 stärker als bei Bestandsgebäuden gemäß ImmobilienScout24. Der Mietdruck wird durch die sich zuspitzende Angebotssituation weiter verschärft: Dem Statistischem Bundesamt (Destatis) zufolge waren die Baugenehmigungen auch 2024 bisher stark rückläufig, in der Spitze um 24,6 Prozent im März und zuletzt um 17 Prozent im April.
Wohnungsneubau braucht langfristigen Investmentansatz mit Marktverständnis
Es ist weiterhin wichtig, nicht schnell und auf Masse zu bauen, nur weil der Bedarf so groß ist und sich die Schere zwischen Angebot und Nachfrage immer weiter öffnet. Sondern Wohnen sollte als langfristiges, wertschaffendes Investment gedacht sein mit bedarfsgerechten Konzepten, die auch in der weiteren Zukunft Bestand haben. Und dazu gehören neben Wohneigentum auch Mietwohnungsangebote. Diese sind nicht nur für institutionelle Investoren interessant, sondern auch als Kapitalanlage für kleinere und größere private Kapitalanleger. Neben der zunehmenden Dynamik der Assetklasse kann für sie die erhöhte degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) ein weiter Anreiz für ein Wohninvestmentsein: Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Wachstumschancengesetzes seit Ende März 2024 die Abschreibungsmöglichkeiten für vermietete Neubauimmobilien auf fünf Prozent verbessert.
Trotz Nachfrageüberhang und möglicher Steuervorteile ist Wohnungsneubau allerdings kein Selbstläufer und ein tiefes Marktverständnis ist notwendig, um Chancen nutzen zu können. Denn der Markt ist weiterhin sehr komplex: Je nach Region kann sich frei finanziertes oder auch gefördertes Wohnen lohnen. Die Förderkulisse ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich und volatil. Und nicht jeder Standort funktioniert gleichermaßen. Eine sorgfältige Marktselektion und eine Bedarfsanalyse sind daher ein Muss.
Die Zukunft des Wohnens heute schon planen und Wertigkeit sichern
Die Konzeption eines Investments sollte eine langfristige Perspektive beinhalten, die fragt, wie das Wohnen der Zukunft überhaupt aussehen könnte, um sich schon heute darauf einzustellen. Denn gerade ein Neubauinvestment hat die Chance, heute den Werterhalt für viele Jahre zu sichern. Mehrdimensionale Nachhaltigkeit ist dafür der richtige und wichtige umfassende Ansatz, der sowohl den ökologischen als auch den sozialen sowie den ökonomischen Gedanken innehat. Anders geht es gar nicht, denn sie sind in Zukunft untrennbar. So bedeutet bewusstes Bauen in diesem Sinne nicht allein die flächenbewusste Entscheidung für ein Greenfield oder Brownfield-Projekt. Sondern es sollte zugleich klimabewusst sein mit kühlenden Grünflächen, alltagsbewusst etwa mit Fahrradabstell- und -reparaturflächen, energiebewusst beispielsweise mit erneuerbarer Energieversorgung, gesellschaftsbewusst mit Raum für Nachbarschaft und auch preisbewusst zum Beispiel durch Downsizing bei dennoch hoher Lebensqualität. Denn durch die Nutzungsmöglichkeit von Gemeinschaftsräumen und durch ein attraktiv gestaltetes Wohnumfeld ist das Zuhause mehr als die sprichwörtlichen vier Wände. Insbesondere der Wunsch nach Erschwinglichkeit bzw. Bezahlbarkeit dürfte auch in Zukunft fortbestehen. Diesem kann nicht nur durch kleinere Grundrisse, sondern auch durch „einfacheres“ Bauen entsprochen werden. Bei der Abwägung zwischen „wirklich nötig“ und „nice-to-have“ kann zum Beispiel ein Abstellraum statt Gästebad ein Flächengewinn sein, Raufasertapete die teure Q3-Spachtelung an den Wänden ersetzen.
Wohnen sollte nicht nur preisbewusst für verschiedene Einkommensgruppen geplant werden, sondern darüber hinaus lebenszyklusorientiert für unterschiedliche Lebenskonzepte und -phasen funktionieren. Denn bei knappem Angebot sinkt die Umzugsbereitschaft und beispielsweise barrierearmer Wohnraum ist im Vorteil. Und wird der gesellschaftliche Auftrag beim Wohnen ernst genommen, wird es immer wichtiger, Generationen durch integrative Wohnprojekte zu verbinden, Gemeinschaften durch Gärten, Spielplätze und Gemeinschaftsräume zu fördern und eine mobilitätsbewusste gute Infrastruktur anzubieten, beispielsweise mit Packstationen oder Sharing-Angeboten.
Fazit: Aufgrund intakter Fundamentaldaten mit zunehmendem Nachfrageüberhang bleiben Wohnimmobilien langfristig eine zukunftsfähige Assetklasse für Investoren. Dabei ist es wichtig, das Konzept Wohnen langfristig zu denken und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Wohnimmobilien sollten so gestaltet werden, dass sie nicht nur wirtschaftlich attraktiv, sondern auch zukunftsfähig sind, indem sie einen ökologischen und sozialen Mehrwert bieten. Ein solcher Ansatz bringt zusätzlich ESG-Punkte, ein Aspekt, der sowohl für Investoren als auch für Nutzer immer wichtiger wird. Langfristig punktet Wohnraum, der auch den Bedürfnissen von morgen gerecht wird und einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung unserer Städte und Gemeinden leistet.