Mitteldeutschland ist traditionell ein potenter Wissenschaftsstandort, der auch künftig weiter an Dynamik gewinnt. Neue Heimstätten für Forschende sind im Entstehen begriffen, andere werden ausgebaut. Dabei kommen bei so manchem Projekt symbolische Motive zum Tragen.
Vor dem Haupteingang des mehrgeschossigen Gebäudes stehen zwei junge Damen und unterhalten sich. In den spiegelnden Glasfronten sind die Silhouetten der Bäume zu erkennen, die das Bauwerk umsäumen: Noch ist dieses Bild Zukunftsmusik, doch auf der Visualisierung ist das neue Lehr- und Laborgebäude der HTW Dresden bereits voller Leben.
Tatsächlich bekommt die zweitgrößte Hochschule der sächsischen Landeshauptstadt seit Sommer 2019 eine markante Erweiterung. Direkt hinter dem Zentralgebäude in der Südvorstadt, auf einem ehemaligen Parkplatz, entstehen ein Baustofftechnikum mit Laboren für Betontechnologie, Geotechnik, Verkehrs- und Wasserbau, PC-Pools für die Fakultät Informatik-Mathematik, ein Kreativzentrum sowie ein Lehr- und Werkstattbereich der Fakultät Design – insgesamt rund 8.200 Quadratmeter. Das Investitionsvolumen wird mit 63 Millionen Euro beziffert. Ein Drittel steuert die Europäische Union bei, 42 Millionen Euro der Freistaat. Ab Herbst 2023 sollen die Studenten den Anbau nutzen können.
Das Projekt erweitert die schon jetzt beeindruckende mitteldeutsche Wissenschaftslandschaft um ein weiteres Forschungsgebäude mit optimalen Arbeitsbedingungen. Neben den mehr als 30 Hochschulen haben in der Region namhafte außeruniversitäre Forschungsgemeinschaften ihren Sitz. Darunter 19 Fraunhofer-, 14 Leibniz- und 14 Max-Planck-Institute sowie sechs Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft. Im Ganzen sind es über 100 wissenschaftliche Stätten, wie es von Seiten der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland heißt.
Neubau für den Artenschutz
Von wachsender Bedeutung ist das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), das die Universitäten von Halle-Wittenberg, Jena und Leipzig sowie in Kooperation das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung betreiben. Forschende aus 30 Nationen erarbeiten hier die wissenschaftliche Grundlage für den nachhaltigen Umgang mit der Biodiversität der Erde, das heißt der Vielfalt des Lebens, vor allem der Artenvielfalt. Damit das auch weiterhin bestmöglich gelingt, erhält das iDiv ein neues Domizil in der Nähe der Alten Messe in Leipzig mit rund 5.000 Quadratmetern Büro-, Labor- und Lagerfläche, einer kleinen Bibliothek, Beratungs- und Seminarräumen sowie einem von außen einsehbaren mehrgeschossigen Foyer als Forum für die Öffentlichkeit.
„Dieses Gebäude wird der Biodiversitätsforschung in Mitteldeutschland ein neues Dach geben“, so Prof. Dr. Walter Rosenthal, Vorsitzender des iDiv-Kuratoriums und Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Bei dem Vorhaben führt die Niederlassung Leipzig II des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement Regie. Die Kosten sind mit knapp 34 Millionen Euro veranschlagt, vollständig finanziert vom Freistaat Sachsen. Mit einer Fertigstellung ist im Frühjahr 2020 zu rechnen.
Dass das Bauwerk den Spitznamen „Biene“ trägt, liegt nicht nur am öffentlich wahrgenommenen Verlust an biologischer Vielfalt, für die das kleine, fliegende Insekt als Symboltier steht. Auch die kupfernen und dunkelgrauen Fensterbänder, im Wechsel angeordnet, greifen dieses Motiv auf. Darüber hinaus zeigen verschiedene Pflanzen und Bäume vor dem Gebäude sowie Foto-
bleche in den Fensterbereichen die Diversität von Flora und Fauna und stellen einen Bezug zur Forschungsarbeit des iDiv her.
Ersatzbau für Infektionsbiologen
Im Süden von Jena untersucht das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) Pilze als Krankheitserreger. Auch hier steht dem mitteldeutschen Forschungs- und Wissenschaftsstandort Zuwachs ins Haus. Um zwei ältere Laborhäuser zu ersetzen, wird bis 2021 auf dem Beutenberg Campus ein HKI-Neubau für 80 Wissenschaftler errichtet. Zur Grundsteinlegung im Sommer 2019 erklärte Institutsdirektor Axel Brakhage, dass das Projekt für die Zukunft und für zahlreiche hochqualifizierte Mitarbeiter stehe, die wesentlich zum Aufschwung der Region beitragen werden. Die Nutzfläche umfasst 2.000 Quadratmeter. Die Baukosten summieren sich auf 26 Millionen Euro, von denen Bund und Freistaat Thüringen jeweils die Hälfte stemmen.
In Mittelsachsen will das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF), eine Außenstelle des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf, seine Forschungen zur nachhaltigen Gewinnung und zum Recycling strategischer Wertstoffe weiter vorantreiben. Dafür bekommt es vom Freistaat für rund zehn Millionen Euro ein neues Metallurgie-Technikum. Das Bauvorhaben besteht aus einer zwölf Meter hohen Versuchshalle und einem 15 Meter hohen Kopfbau mit diversen Funktionsräumen. Als Bruttogrundfläche sind circa 2.500 Quadratmeter vorgesehen, eine Grundstückserweiterung ist geplant. Die gesamte Bandbreite metallurgischer Forschung findet darin Platz. Im Jahr 2021 sollen die ersten Experimente von HIF-Wissenschaftlern in enger Kooperation mit der TU Bergakademie Freiberg starten.
Forschung und Wissenschaft stehen in Mitteldeutschland auf grundsoliden Füßen – und die neuen Bauprojekte sorgen dafür, dass das auch in Zukunft der Fall ist.
Quellen Visualisierungen: Depenbrock Partnerring GmbH & Co. KG Bielefeld; Rohdecan Architekten Dresden; Leibnitz HKI