Sächsische Wohnungsgenossenschaften fordern Planungssicherheit und leiden unter Preissteigerungen. Der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V. gibt Einblick.
Ihr sei der Optimismus abhandengekommen, erklärt Mirjam Philipp, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V. (VSWG). Im Augenblick trotzten die 201 Genossenschaften den wirtschaftlichen Widrigkeiten und versuchen, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. Energiepreise, Baukosten, Inflation, Zinsentwicklung. Haushaltskrise, Förderchaos: Diese hinlänglich bekannten Gründe führten zu fehlender Planungssicherheit und Unsicherheit. Leider seien die Aussichten für dieses Jahr nicht besser. „Wie sollen wir optimistisch in das Jahr blicken, wenn ständig eine neue Sau durch das Dorf getrieben wird und die Planungssicherheit verloren geht?“
Allein das Gebäudeenergiegesetz wird viele Genossenschaften vor große Umsetzungsprobleme stellen. Die Verbandschefin wirft der Bundesregierung vor, im Elfenbeinturm zu sehr Einfamilienhäuser im Blick zu haben und die Interessen größerer Wohnungsunternehmen nicht ausreichend zu berücksichtigen. Mirjam Philipp vergleicht die Wohnungswirtschaft gern mit einem Tanker, der sicher in die eingeschlagene Richtung fahre. Plötzliche Richtungsänderungen seien da schwer machbar.
Hohe Baupreise und Zinsen bremsen Instandhaltung und Neubau
Nach einer Erhöhung der Baupreise 2022 um 21,4 Prozent seien sie 2023 erneut um 10,5 Prozent gestiegen. Das betreffe den Neubau ebenso wie die Instandhaltung und Modernisierung. Im Vorjahr habe es noch etwa 230 neue Wohnungen gegeben. So hat beispielsweise die Sächsische Wohnungsgenossenschaft Dresden 47 Wohnungen an der Ammonstraße fertiggestellt. Für dieses Jahr rechnet Mirjam Philipp mit noch 150 Wohnungen. „Danach sieht es finster aus. Derzeit werden kaum neue Projekte angeschoben.“ Vor acht Jahren hatten die Genossenschaften in Sachsen noch 500 Wohnungen gebaut.
Die hohen Baukosten und die Zinsentwicklung erschweren die Instandhaltung des Wohnungsbestandes. Nach vorläufigen Zahlen (die offiziellen Geschäftszahlen will der VSWG im Mai bekanntgeben) haben die Genossenschaften im vergangenen Jahr 350 Millionen Euro für die Instandhaltung ausgegeben. Das seien zwar mehr als in den beiden vorangegangenen Jahren, aber die Erhöhung resultiere hauptsächlich aus den Preissteigerungen. Dramatischer sind die Auswirkungen bei den Kosten für Modernisierungen, diese wiederum sind aber erforderlich für das große Ziel Klimaneutralität.
Leerstand in einigen Regionen Sachsens immer noch hoch
Großstädte wie Dresden weisen einen geringen Leerstand von etwa 2,3 Prozent aus. Anders sieht es in einigen ländlichen Gebieten aus, etwa im Erzgebirge mit fast 16 Prozent. Im Schnitt liege der Leerstand bei 8,7 Prozent. Deshalb sei der Rückbau nach wie vor ein Thema. Schätzungsweise wurden im vergangenen Jahr zwischen 300 und 400 Wohnungen abgerissen. In diesem Jahr rechnet Mirjam Philipp mit dem Abriss weiterer 200 bis 300 Wohnungen.
Damit sinkt die Zahl der Genossenschaftswohnungen weiter. 2023 bewirtschafteten die sächsischen Genossenschaften 295.762 Wohnungen. Das entspricht 21 Prozent aller Mietwohnungen in Sachsen. Die Nettokaltmieten betragen durchschnittlich 5,50 Euro je Quadratmeter, die Wohnkosten insgesamt sind durchschnittlich auf 8,20 bis 8,70 Euro je Quadratmeter gestiegen. Das liegt insbesondere am Anstieg der Nebenkosten.
Derzeit wohnen etwa 3.000 Geflüchtete in sächsischen Genossenschaftswohnungen. Bei einem Leerstand von fast 26.000 Wohnungen wäre da noch viel Spielraum und der Bau von Containerunterkünften verzichtbar. Auf Nachfrage räumt die Verbandschefin ein, dass Landkreise oft nicht bereit gewesen wären, die Genossenschaftsanteile zu übernehmen.
Für industrielle Neuansiedlungen werden zusätzliche Wohnungen benötigt
Erfreuliche Entwicklungen zeichnen sich für Dresden und das Umland ab: Mit der Neuansiedlung des Halbleiterunternehmens TSMC und den Wachstumsplänen von Infineon, GlobalFoundries, Bosch und anderen werden auch wachsende Einwohnerzahlen prognostiziert: 2038 rechnet die Stadt mit 600.000. Allein in der Chipindustrie sollen in den nächsten sieben Jahren 27.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Mirjam Philipp geht davon aus, dass es sich in der Mehrzahl um Menschen handelt, für die auch Genossenschaftswohnungen geeignet sind. Im Umland, verbunden mit einem guten Verkehrsmanagement, sieht sie Chancen. Auch Neubau wäre eine Möglichkeit, allerdings setzt der eine längere Planungsphase voraus und die oben beschworene Planungssicherheit.