Schwedt: Wenig Leerstand durch erfolgreichen Stadtumbau

Schwedt: Wenig Leerstand durch erfolgreichen Stadtumbau

Schwedt: Wenig Leerstand durch erfolgreichen Stadtumbau
Bunter, freundlicher und wohnlicher. Die Kastanienhöfe in Schwedt wurden komplett "überarbeitet". Copyright: WOBAG

Die Stadt Schwedt an der Oder hat den Wandel in eine gepflegte Kleinstadt geschafft, aber längst nicht beendet. Was derzeit auf der Agenda steht, hat IMMOBILIEN AKTUELL zusammen getragen.

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Die Kastanienhöfe sind mehr als ein ambitioniertes Projekt. Das größte Bauvorhaben der Wohnungsbaugenossenschaft Schwedt (Wobag) kann als ein Symbol für den aktuellen Stadtumbau von Schwedt gelten. Auf alten Fotos aus der Vogelperspektive ist ein U aus grauen Plattenbauten zu sehen, die zu DDR-Zeiten für die schnellwachsende Industriestadt mit ihrem Erdölverarbeitungswerk errichtet wurden.

Rund 22 Millionen Euro will die Wobag bis 2025 investieren, um durch Abriss von zwei Wohnblöcken aus dem Mittelteil des U-s und einem Verbinder, durch die Sanierung und Modernisierung der übrigen Bestandshäuser und durch Neubau ein attraktives Wohngebiet zu gewinnen. Das Areal soll verdichtet werde – mit zwei mal fünf Reihenhäusern, zwei Stadtvillen, einer Kita und einem WG-Bungalow für Palliativpflege, also einem Hospiz. So hatten es sich die Bewohner des Quartiers bei einer Umfrage gewünscht. Matthias Stammert, Vorstandsvorsitzender der Wobag, erklärt: „Das ist ein Zeichen für den Wandel der Stadt. Wir bauen dort für den gesamten Lebenskreis. Ich denke, dass wir als Genossenschaft damit den richtigen Weg gehen.“

Die Kastanienhöfe vor,
 während und nach dem Umbau. Copyright: WOBAG
Die Kastanienhöfe vor, während und nach dem Umbau. Copyright: WOBAG

Bevölkerungszahl von Schwedt: Stetiger Schrumpfungsprozess seit 1990

Die Stadt befindet sich bereits seit Jahrzehnten im Wandel. Mit dem Bau des Petrolchemischen Werks und weiterer Industriebetriebe wuchs die Bevölkerung zwischen 1960 und 1990 stark an und erreichte mit einer Einwohnerzahl von knapp 54.000 einen Höhepunkt. Schwedt galt mit einem Altersdurchschnitt von unter 30 Jahren als die „jüngste Stadt“ der DDR. Mehrere Plattenbausiedlungen wurden errichtet. Doch seit der Wende ist die Einwohnerzahl auf derzeit rund 30.750 geschrumpft. Das Durchschnittsalter liegt bei 51,4 Jahren. Und das ist auch der Grund, warum ein weiterer Rückgang der Einwohnerzahl bis 2030 prognostiziert ist. Nach der Wende sind die jungen Menschen auf der Suche nach Arbeit und Perspektive weggegangen. Jetzt nimmt die Einwohnerzahl ab, weil mehr Menschen sterben als geboren werden.

Die Stadtentwickler haben früh reagiert. Um Leerstand zu vermeiden, wurde ein Stadtentwicklungskonzept beschlossen und immer wieder fortgeschrieben. In der aktualisierten Stadtumbaustrategie 2030+ ist das Ziel für die kommenden Jahre formuliert. Langfristig entwickelt sich danach eine kompakte Stadt mit kurzen Wegen – unter Beibehaltung der städtebaulichen Grundordnung im Wesentlichen. „Das vorhandene Stadtgefüge soll angemessen weiterentwickelt werden und die bereits eingeleitete Strategie des Nebeneinanders von Aufwertung, Rückbau und Neu- und Umbau sowie Neuerschließung für Eigenheime vorangetrieben werden.“ Auf diesem Weg geht es voran.

Flächendeckender Abriss als Chance für Stadt der Zukunft

Seit 1999 sind rund 6.900 von einst rund 21.300 Wohnungen in den fünf Stadtteilen von den beiden großen Akteuren am Wohnungsmarkt – der kommunalen Wohnbauten GmbH (Wohnbauten) und der Wobag – abgerissen worden. Eine ehemalige Siedlungsfläche wurde aufgeforstet. Der Großteil des übrigen Wohnungsbestandes ist saniert worden. Das Grau-in-Grau-Bild der Betongroßsiedlungen hat sich gewandelt: in bunt und gepflegt. Auch die reizvolle Lage am Naturpark Unteres Odertal trägt zur Attraktivität der Stadt bei. Der positive Effekt: Die Wobag mit ihren rund 4.400 Wohnungen hat einen Leerstand um die fünf Prozent.

Bei den Wohnbauten mit rund 8.800 Wohnungen beträgt die Quote circa zwei Prozent. Sie liegt damit bei beiden Unternehmen, die insgesamt rund 75 Prozent des Wohnungsbestandes vermieten, unter der Mobilitätsreserve von sechs Prozent und deutlich unter dem Durchschnitt im weiteren Metropolenraum von Berlin. So stehen laut Marktmonitor 2021 des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) in Eisenhüttenstadt und Senftenberg 15,4 Prozent der Wohnungen leer. Bei der Wobag beträgt die Durchschnittsmiete aktuell 4,84 Euro. Bei der Neuvermietung von vollmodernisierten Plattenbauten werden sechs Euro verlangt.

Die Regenbogensiedlung in Schwedt. Copyright: Wohnbauten GmbH Schwedt
Die Regenbogensiedlung in Schwedt. Copyright: Wohnbauten GmbH Schwedt

Derzeit hat sich die Einwohnerzahl stabilisiert. Bis 2030 soll sie laut Bevölkerungsprognose aber weiter sinken – auf rund 27.000 Einwohner, bis 2040 sogar auf 22.500. Rund 1.400 bis 2.000 Wohnungen müssen laut Stadtumbaustrategie noch weg, damit der Leerstand nicht auf 15 Prozent steigt.

Trotz des derzeit geringen Leerstandes geht daher der Rückbau in geringem Umfang weiter: Im vergangenen Jahr wurden ein Wohnblock mit 52 Wohnungen in der Kummerower Staße abgerissen und im März 2022 der Rückbau eines Wohnblocks in der Rosa-Luxemburg-Straße mit 52 Wohnungen im Stadtteil Talsand begonnen. Im Wohngebiet Kastanienallee stehen Plattenbauten auf der Liste des Rückbaupotenzials, ein Wohnblock in der Ehm-Welk-Straße ist bereits freigezogen. Eine weitere Notwendigkeit für Abriss sieht Matthias Stammert erst einmal nicht. „Wir beobachten die Entwicklung sehr genau.“

Neubaumieten bis zehn Euro werden gezahlt

Die Kastanienhöfe sind Teil der Stadtumbaustrategie 2030+. Aber es ist nicht das einzige Projekt, mit dem auch auf veränderte Wohnbedürfnisse reagiert wird. Bei der Wobag wurden 50 Prozent des Bestandes inzwischen mit Aufzügen ausgestattet, Wohnungen im Bestand zusammengelegt. „Denn die üblichen Dreizimmerwohnungen mit 60 Quadratmetern oder Zweizimmerwohnungen mit 50 Quadratmetern sind nicht mehr so nachgefragt.“ Wohnungen ohne Balkon und ohne Aufzug auch nicht.

Die Kastanienhöfe nach dem Umbau. Copyright: WOBAG
Die Kastanienhöfe nach dem Umbau. Copyright: WOBAG

Ähnlich agiert die kommunale Wohnbauten. Sie hat derzeit kein Rückbau-Projekt, investiert aber weiter in Modernisierung und Neubau. Maren Schmidt, die technische Wohnbauten-Geschäftsführerin, betont: „Der Bedarf an neu gebauten Wohnungen in Schwedt ist vorhanden.“ Der Grund: Es kommen Menschen zurück nach Schwedt, darunter ältere Menschen, die ihr Einfamilienhaus im Umland verkaufen, um die Infrastruktur der Stadt nutzen zu können.

Denn Schwedt hat viel zu bieten: Theater, Kino, viele Vereine und schöne Landschaft. Und ein Krankenhaus. Sie haben höhere Ansprüche an das Wohnen, wünschen neben Fahrstuhl, Balkon und modernen Bädern auch große Kellerräume von zwölf bis 20 Quadratmeter, für alles, was sich im Leben so angesammelt hat. „Es gibt auch Familien mit guten Jobs, die nicht in einem sanierten Plattenbau mit seriellem Grundriss wohnen wollen.“ Neubaumieten von 9,50 Euro bis zehn Euro werden bezahlt.

Die im Bau befindlichen Blumenvillen. Copyright: Wohnbauten GmbH Schwedt
Die im Bau befindlichen Blumenvillen. Copyright: Wohnbauten GmbH Schwedt

So war das neue Sonnenhaus mit 24 Wohnungen und Aufzug bereits vor Fertigstellung im Februar voll vermietet. Die Schwedter Wohnbauten hat 6,3 Millionen Euro investiert und mit dem Gebäude das neue Bahnhofsquartier komplettiert, das von dem Unternehmen seit 2013 entwickelt wurde. Ein weiteres Neubauprojekt realisiert das kommunale Unternehmen mit den Blumenvillen im Zentrum nahe der Oder. Sie errichtet für 6,7 Millionen Euro drei Stadtvillen im Bäderstil mit insgesamt 24 Wohnungen, davon sechs barrierefrei und 18 barrierearm. Sie sollen bis Ende September fertig sein.

„Kaum war das Projekt bekanntgegeben, hatten wir bereits 120 Bewerbungen“, sagt Maren Schmidt. Ein weiterer Neubau mit 25 Wohnungen ist in der Dr.-Theodor-Neubauer-Straße unter dem Titel Grüne Terrassen geplant. Der Bauantrag wurde gerade eingereicht, der Start für den Herbst avisiert. Für das besonders energieeffiziente Objekt mit Gründach ist eine Investitionssumme von 6,7 Millionen Euro kalkuliert. Auch hier gibt es bereits reichlich Interessenten.

Rund 3,9 Millionen Euro fließen darüber hinaus in diesem Jahr in die Sanierung der Bestandsgebäude, 16 Millionen Euro sind für den Bau einer neuen Feuerwache kalkuliert. Wichtig ist Maren Schmidt auch das Engagement der Wohnbauten für die Stadtökologie. Das kommunale Unternehmen hat 6.000 Quadratmeter Grünfläche zwischen den Wohnblöcken als Wildblumenwiese angelegt und einen Schwalbenturm gebaut.

Baugrundstücke für Eigenheime in Schwedt sehr gefragt

Neben energieeffizienten und barrierearmen Mietwohnungen sind in Schwedt Baugrundstücke für Eigenheime gefragt. Dafür werden durch die Stadt Baulücken erschlossen. Im Stadtteil Am Waldrand wandelte sich eine ehemalige BMX-Strecke am Zichower Weg in zwölf Parzellen, die schnell verkauft waren. Eine weitere brachliegende Fläche nahe des Heinersdorfer Damms wird für den Eigenheimbau hergerichtet: Neun Parzellen sind für das Wohngebiet "Am biologischen Schulgarten" geplant.

In der Begründung zum Bebauungsplan heißt es: „Jüngste Entwicklungen, vor allem im Wohngebiet "Am Aquarium" aber auch am Zichower Weg, zeigen, dass es in Schwedt/Oder nach wie vor einen großen Bedarf an Flächen für privaten Wohnungsbau gibt.“ Die Stadt revitalisiert damit eine Fläche, die durch Abriss frei geworden ist, für den Bau von Einfamilienhäusern. Matthias Stammert bestätigt, dass freigewordene Flächen in den Quartieren zukünftig für kleinere Stadt- und Einfamilienhäuser zur Verfügung stehen könnten.

Das Sonnenhaus in Schwedt. Copyright: Wohnbauten GmbH Schwedt
Das Sonnenhaus in Schwedt. Copyright: Wohnbauten GmbH Schwedt

Die aktuelle Explosion der Baukosten, das sich ankündigende Ende der Niedrigzinsphase, der Klimaumbau und der Ukrainekrieg stellen auch die Schwedter Stadtumbauer vor neue Herausforderungen. So ist bei den Kastanienhöfen unklar, ob die geplanten Investitionskosten bei steigenden Baupreisen reichen werden. „Es kann also sein, dass wir den Neubau zwar nicht absagen, aber für eine offene Denkpause eine Zeit lang zurückstellen“, sagt Matthias Stammert.

Die Überlegungen umfassen auch die PCK-Raffinerie Schwedt, die zu einem Großteil dem russischen Energiekonzern Rosneft gehört. Der Schwedter Wohnungsbestand wird zum überwiegenden Teil aus dem Werk mit Fernwärme versorgt. Der Ukrainekrieg hat die Frage aufgeworfen: Was ist, wenn kein Öl mehr über die Druschba-Pipeline kommt? Ohnehin kündigt sich ein Paradigmenwechsel zur Dekarbonisierung an. Matthias Stammert sagt: „Wir müssen also überlegen, wo die Reise hingeht, was wir tun können und müssen abwarten, welche Fördermittel es dafür geben wird. Ideen haben wir bereits in der Schublade.“

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