Steffen Bieder ist seit 1998 fester Bestandteil des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, Landesverband Mitteldeutschland e.V. Was den Geschäftsführer an seiner Arbeit motiviert, welche großen beruflichen Herausforderungen er nach einem Vierteljahrhundert noch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erwartet und was er sich für die BFW-Mitgliedsunternehmen wünscht, erzählt er uns im Interview.
Ein Vierteljahrhundert beim BFW Mitteldeutschland – da könnte man scherzhaft sagen, Sie gehören zum Inventar. Welche Bedeutung hat das Jubiläum für Sie ganz persönlich?
Steffen Bieder: Mehr als Stolz auf das bisher Erreichte empfinde ich eine große Dankbarkeit, dass wir die inzwischen 180 Mitgliedsunternehmen und verbundenen Unternehmen bei ihren Entwicklungsschritten, Vorhaben und Zukunftsvisionen unterstützen und auch zum Teil zum Erfolg führen durften. Selbst wenn man zum Inventar ernannt werden sollte, hat das einen überaus großen Vorteil insbesondere in den heutigen schwierigen Zeiten des Marktes, was unser geschaffenes Netzwerk von Unternehmerschaft, Politik und Verwaltung für die Klärung der immer wieder anstehenden Probleme im Tagesgeschäft im Wohnungsbau anbetrifft.
Diese Erfolge sind uns nicht in den Schoß gefallen. Sie sind das Ergebnis engagierter Arbeit und des unbedingten Willens zum Erfolg, auch wenn sich manchmal nicht sofort eine Lösung einstellen wollte. Neben harter Arbeit und Engagement – auch unseres ehrenamtlichen Landesvorstandes – insbesondere in den regionalen Zentren unserer drei Länder haben auch Verlässlichkeit und Verbundenheit unserer Mitarbeiter und Mitglieder dazu beigetragen, dass wir heute da stehen, wo wir jetzt sind. Auch dafür gilt mein großer Dank, denn nur gemeinsam sind wir stark.
Ein Vierteljahrhundert im Dienste des BFW Landesverbandes Mitteldeutschland
Rund viereinhalb Jahre nach der Gründung des BFW Landesverbandes Mitteldeutschland e.V. im Februar 1994 trat Steffen Bieder die ausgeschriebene Stelle als Verbandsgeschäftsführer zum 1. September 1998 an. Der damals 32-jährige Jurist wechselte von der Rechtsanwaltskanzlei Thiery & Kollegen aus Bautzen zum zentralen Anlaufpunkt der mittelständischen Immobilienwirtschaft in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Bei dem regionalen Landesverband, dessen Geschäfte er seit September 1998 leitet, hat der gebürtige Sachse einen fundamentalen Wandel in der Immobilienbranche der drei Bundesländer erlebt.
Erfolge, wie die Lösung des zweiten Rettungsweges der Baugenehmigungspraxis in Dresden, die Umstellung der Bescheinigungspraxis im Denkmalschutz in Leipzig, die vielen klärenden Gespräche zwischen Stadtrat, Verwaltung und Unternehmerschaft zum Vorhaben Domplatzbebauung in Erfurt oder auch die weitergehende Sicherung der Eigentumsförderung im Freistaat Sachsen und vieles mehr sind beispielgebende Ereignisse, die die Arbeit des Regionalverbandes Mitteldeutschland auszeichnen.
Was motiviert Sie nach 25 Jahren nach wie vor an Ihrer Arbeit?
Steffen Bieder: Der mitteldeutsche Immobilienmarkt hat sich in den vergangenen Jahren sehr aufregend entwickelt. In vielen Bereichen gab es einen deutlichen Sprung nach vorn, gerade wirtschaftlich ist die mitteldeutsche Region mit ihren Zugpferden Leipzig, Dresden, Erfurt aber auch Magdeburg, Halle (Saale) und Jena längst in gewohnter Regelmäßigkeit in der bundesweiten Öffentlichkeit vertreten. Auch nach zweieinhalb Jahrzehnten ist dabei die Freude über jeden noch so kleinen Projekterfolg immens. Zudem lernt man im Immobiliengeschäft nie aus. Erfolgreiche Unternehmer sind einfach großartig. Sie in ihren Entwicklungsprozessen zu begleiten und die Dienstleistungen unseres Branchenverbandes unterstützend dazu einzubringen – das macht einen großen Teil des Reizes der täglichen Arbeit aus.
Gibt es ein Ereignis, das Ihnen in Ihrer bisherigen Dienstzeit besonders in Erinnerung geblieben ist?
Steffen Bieder: Ja. Einer der außergewöhnlichsten positiven Momente ereignete sich im Jahr 2017. Das war das zu lösende Problem der von heute auf morgen geänderten Baugenehmigungspraxis zum zweiten Rettungsweg in Dresden. Die damaligen Entscheidungsträger der Verwaltung der Landeshauptstadt waren aus vermeintlich pragmatischen Gründen der Meinung, dass dieser Rettungsweg durch die Anleiterbarkeit der Feuerwehr nicht mehr genehmigungsfähig sei. Da war eine harte Nuss zu knacken.
Unsere Vorhabensträger im Wohnungsneubau erhielten plötzlich keine Baugenehmigungen mehr, obwohl dazu alles in den Startlöchern zum Baubeginn stand. Berechtigte Aufregungen und Emotionen seitens unserer Unternehmerschaft heizten die Geschehnisse an. Der Wohnungsbau stand wenige Wochen still. Durch die besonnene und unermüdliche Arbeit unseres Landesvorstandes, flankiert durch rechtsgutachterliche Stellungsnahmen, ist es uns gelungen, mit Hilfe des Freistaates Sachsen die ‚alte‘ Baugenehmigungspraxis wie bisher wieder herstellen zu können. Ich empfand damals eine große Erleichterung, denn der Weg zum Bauen war wieder frei!
Kommende Herausforderungen für Steffen Bieder
Was halten Sie für die größte Herausforderung, die Ihnen beruflich noch bevorsteht? Und wie könnte eine Lösung dafür aussehen?
Steffen Bieder: Die größte berufliche Herausforderung besteht momentan in der Überwindung der allgemeinen Marktlage und den wirklich sehr schwierigen, auch zum Teil existenziellen Befindlichkeiten unserer Unternehmen. Sowohl in Sachsen als auch in Sachsen-Anhalt und Thüringen gleichermaßen besteht weiterhin ein großer Nachholbedarf im Wohnungsneubau infolge demographischer Veränderungen der Bevölkerung in den städtischen Zentren der Länder. Hinzu kommt die energetische Erneuerung des Wohnungsbestandes durch das ambitionierte Klimaschutzprogramm unserer Bundesregierung. Wer soll das bezahlen?
Unterbrochene Lieferketten, steigende Bau- und Energiekosten, fehlende Fachkräfte, gleichbleibende, wenn nicht gar sinkende Nettolöhne der Mehrzahl unserer Bevölkerung sind augenscheinlich ein schier nicht zu überwindendes Spannungsverhältnis. Das wird zukünftig für wachsenden Unmut und vor allem soziale Spannungen bei denjenigen sorgen, die in niedrigen Lohngruppen täglich ihre Arbeit verrichten, doch am Ende immer weniger Geld für das Wohnen haben werden. Es muss uns unbedingt gelingen, diesen aus den Fugen geratenen Entwicklungsprozess zu bremsen.
Dazu gehören alle Beteiligten an einen Tisch. Dabei sollte die Politik mehr Anreize für Arbeit schaffen, um das Bruttoinlandsprodukt zu stärken, aus dem die soziale Sicherung unserer Gesellschaft geschöpft werden kann. Dieses Defizit in absehbarer Zeit auch nur ansatzweise abzubauen und den Wohnungsbau wieder in Gang zu bringen, stellt sicher die größte Herausforderung an die Immobilienwirtschaft in unserer Region dar. Wir wollen helfen, dafür die Weichen richtig zu stellen. Dafür ist jeder Impuls willkommen, der die Bautätigkeit wieder ankurbelt. Ich denke da vor allem an eine konstruktive Steuer- und Förderpolitik, ebenso wie an die spürbare Beschleunigung von Planungs- und Baugenehmigungsverfahren durch die Verwaltung.
Wenn Sie einen Wunsch für Ihre Mitgliedsunternehmen frei hätten, welcher wäre das?
Steffen Bieder: Die zunehmende Inflation von Wohlstandsansprüchen und damit gesellschaftlich stark gestiegenen Standards an den Bau auf ein notwendiges Maß zu reduzieren und das Vertrauen unserer Unternehmer in die Politik wie in den 1990er Jahren wieder zurückzugewinnen. Eine erneute Aufbruchstimmung wie damals braucht unser Land und das wäre großartig!