Wie Immobilienfirmen mit Mobilität gutes Geld verdienen können

Wie Immobilienfirmen mit Mobilität gutes Geld verdienen können

Wie Immobilienfirmen mit Mobilität gutes Geld verdienen können
Quelle: Ehret+Klein

Ehret+Klein errichtet in Landsberg am Lech das Quartier Am Papierbach bis 2027. Bei dem komplett neuen Stadtviertel werden Immobilien und Mobilität der Zukunft so konkret zusammengedacht werden, wie es jenseits von Städten der Größenordnung Berlin, Hamburg oder München noch eher selten bis gar nicht vorkommt. Bernhard Bomke, Chefredakteur des Immobilienbriefes München, hat sich das an- und genau hingeschaut und IMMOBILIEN AKTUELL den Artikel zur Verfügung gestellt.

Agentur

Das Quartier Am Papierbach entsteht auf der einstigen Industriebrache zwischen Spöttinger Straße und Von-Kühlmann-Straße vis-à-vis dem historischen Zentrum der Stadt mit den vielen typischen bunten Häusern. In dem Quartier in der knapp 30 000 Einwohner zählenden Lechstadt wird der Immobilienprojektentwickler zugleich zum Anbieter von Shared Mobility, E-Ladeinfrastruktur und digitalem Parkraummanagement. Nicht als nette Ergänzung, auch nicht als Beitrag zum Zeitgeist, sondern als zentraler Aspekt des gesamten Konzepts. Klingt nach Zukunftsmusik, ist aber Gegenwart. Und bringt eine Reihe konkreter Vorteile – für den Entwickler und für die Nutzer des Quartiers.

Für das Umsetzen des Zweiklangs aus Immobilie und Mobilität hat Ehret+Klein eigens die Tochterfirma E+K Move gegründet. Mitgründer und Geschäftsführer ist Christoph Heilmeier, der ganz nebenbei damit beschäftigt ist, an der Regensburger International Real Estate Business School (IREBS) seinen Master of Science in Immobilienwirtschaft zu machen. Zu Ehret+Klein war der Münchner vor viereinhalb Jahren als Werkstudent gekommen. Sein Antrieb ist die Überzeugung, dass es in Deutschland zu einer umfassenden Mobilitätswende kommen wird, in deren Mittelpunkt diverse Formen der E-Mobilität und der geteilten Mobilität (Shared Mobility, Car Sharing und andere) stehen werden. Und das nicht nur in großen Städten, sondern auch in ländlichen Regionen. Immobilien- und Quartiersentwicklungen, ist er sicher, dürfte dabei eine zentrale Rolle zukommen. Nicht nur als Ort für E-Ladeinfrastruktur, sondern auch für effizientes Nutzen vorhandener Parkflächen und für das Anbieten von Mobilitätslösungen, die vom E-Bike über E-Lastenfahrräder bis zu E-Autos reichen.

Flächen für Büros und Wohnungen statt für Autostellplätze

Zu den augenfälligsten Vorteilen solcher Konzepte für Projektentwickler gehört die Chance, attraktivere Immobilien zu schaffen und echten Mehrwert zu bieten, sagt Christoph Heilmeier. Die Kombination von Immobilien mit solchen Mobilitäts-Hubs, wie er das Angebot von Shared Mobility mit E-Bikes, E-Lastenfahrrädern und E-Autos nennt, spart Kosten, weil Tiefgaragen kleiner ausfallen und oberirdische Parkplätze eingespart werden können. „Auch in kleineren Städten wie Landsberg am Lech ist es möglich, den Stellplatzschlüssel von eins auf mindestens 0,8 zu senken“, ist er überzeugt. „In München reichen inzwischen oft 0,5 oder 0,6.“ Generell hält der Geschäftsführer es für möglich, dank moderner Mobilitätskonzepte 30 bis 50 Prozent der Stellplätze einzusparen. Vorteil für Projektentwickler: Die Flächen können etwa für mehr Wohn- oder Bürofläche und somit lukrativer genutzt werden, zumal: „Tiefgaragen und Stellplätze sind nicht der rentabelste Teil von Immobilien.“ Ganz im Gegenteil, sie verursachen vor allem Kosten.

Viel Überzeugungsarbeit bei Kommunen, die zunächst misstrauisch sind

Den ersten sogenannten Quartiers-Hub für E-Mobilität Am Papierbach gibt es seit April dieses Jahres. Der Entwicklung gingen ungezählte Stunden der Kommunikation voraus, darunter viel Überzeugungsarbeit, für die E+K Move auch auf örtliche Feste ging, und gegenüber der Stadt. Dabei wissen Christoph Heilmeier und seine Mitstreiter: Jenseits der großen Metropolen funktionieren weite Teile der Mobilität nur mit dem Auto. Also löst ein Entwickler, der sagt, er werde geteilte E-Mobilität anbieten und wolle daher weniger Autostellplätze vorsehen müssen, zunächst Misstrauen aus. „Da sagt eine Kommune erst einmal, Ihr müsst uns nachweisen, dass Euer Konzept langfristig funktioniert“, erklärt Christoph Heilmeier. Der dahinterstehende Verdacht der Behörde: Der Entwickler wolle Greenwashing betreiben, sich aus der Verantwortung stehlen und nur weniger Stellplätze vorsehen müssen, um Kosten zu sparen. E+K Move legte es nicht auf Entgegenkommen an, sondern ging mit seinem Konzept in die Offensive. Seit April stehen für die bereits eingezogenen Bewohner der Siedlung sowie die Mieter der dortigen Gewerbeflächen zehn E-Autos und jeweils fünf E-Bikes und E-Lastenfahrräder zur Verfügung. Sie haben feste Abstellplätze, sodass sie für die Nutzer stets voll aufgeladen sind. Das ist ein wichtiger Aspekt, sagt Christoph Heilmeier, denn die Idee des Quartiers-Hubs bestehe nicht darin, die Leute ständig mit dem Thema der Mobilitätswende zu behelligen, sondern einfache, praktikable Lösungen für die gewünschte Mobilität zu bieten. „Ein geteiltes Auto muss bequemer sein als das eigene Auto“, sagt er. Das heißt, die Nutzer müssen sich nicht um Reifenwechsel, Reparaturen oder die Autowäsche kümmern. „Für die Reinigung der Fahrzeuge sorgt ein örtliches Autohaus.“ Die E-Bikes und -Lastenfahrräder sind obendrein keine Billigheimer. Die E-Bikes kaufte E+K Move für etwa 3.000 Euro pro Stück ein, die E-Lastenfahrräder für rund 5.000 Euro. Fahrräder ohne E-Antrieb gehören nicht zum Angebot, um die Hürde für Nutzer möglichst niedrig zu legen, sagt Christoph Heilmeier. Und um auch Nutzern, die keine Radprofis sind, längere Touren in der landschaftlich attraktiven Umgebung zu ermöglichen.

Alle Fahrzeuge sind über eine eigens entwickelte App, die sich die Nutzer auf ihr Smartphone laden, nutz-, buch-, start- und bedienbar. Das heißt, es braucht weder Autoschlüssel noch Schlüssel für Fahrradschlösser, die verloren gehen könnten. „Auch über 80-Jährige nutzen unser Angebot“, sagt Christoph Heilmeier. Damit deutet er an, dass Senioren, die sich wegen bescheidener Renten kein zweites Auto leisten könnten, ausdrücklich zur Zielgruppe des Mobilitätsangebotes gehören. „Für sie wird Mobilität durch unser Angebot erst bezahlbar.“ Das Nutzen eines E-Autos der Kategorie ID 3 von Volkswagen kostet beispielsweise 3,50 Euro pro Stunde oder 35 Euro Tagessatz. Hinzu kommt ein Preis pro Kilometer, der laut Christoph Heilmeier unter dem der gängigen Car-Sharing-Anbieter liegt. Er weiß, dass viele Nutzer bei solchen Angeboten höchst preissensibel sind, und will die Hürden auch an dieser Stelle möglichst niedrig legen. Den allgemeinen Befürchtungen, die Reichweite von E-Autos könne im Alltag nicht reichen, kann Christoph Heilmeier anhand von konkreten Datenbegegnen. Nach vier Monaten zählte er nur ein halbes Dutzend Beispiele, bei denen die Nutzer ein E-Auto des Quartiers-Hubs auswärts geladen hätten. „In der Regel genügt die Reichweite von mindestens 350 Kilometern“, sagt er. Ob das Angebot dazu beiträgt, dass Bewohner des Quartiers auf ein eigenes Auto verzichten, weiß E+K Move noch nicht. „Wir wollen dazu mit der Technischen Universität München zusammenarbeiten“, erklärt Christoph Heilmeier.

„Wir leisten hier nur die Grundlagenarbeit“

Der junge Geschäftsführer nennt neben den Kostenersparnissen bei Tiefgaragen und Stellplätzen weitere Vorteile und Anwendungsbeispiele für das Mobilitätsangebot, mit dem Immobilien langfristig klare Vorteile gegenüber Quartieren haben könnten, die solcherlei nicht bieten. So stünden die Fahrzeuge auch den Mietern von Gewerbeflächen zur Verfügung. Das könne helfen, das Geld für Dienstwagen zu sparen. Kapitalanleger, die in Immobilien mit nachhaltigen Mobilitätskonzepten investieren, profitierten davon, dass die Liegenschaften bei Zertifizierungen nach DGNB oder LEED besser eingestuft werden. Bei Büroimmobilien im Bestand, die Leerstandsthemen haben, könne ein attraktives Angebot geteilter Mobilität mit zum Beispiel kostenlos verfügbaren Fahrrädern oder E-Bikes dazu beitragen, neue Nutzer für die Immobilie zu finden, die in dem Angebot die Chance zu Einsparungen für ihr Unternehmen und ihre Mitarbeiter erkennen. Christoph Heilmeiers Kollateralbotschaft dabei: Solche Mobilitätskonzepte lassen sich auch in Bestandsimmobilien implementieren. Immobilienfirmen verdienen Geld mit digitalem Parkraummanagement und E-Ladeinfrastruktur Der angehende Immobilienwirt mit Master, der sich schon seit sechs Jahren mit Themen wie Smart Cities, Stadtentwicklung und Mobilität beschäftigt, sieht Immobilienentwickler und -bestandshalter jedoch nicht allein damit schon am Ziel, ein paar E-Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. „Wir wollen in Zukunft einen ganzheitlichen Ansatz für die Mobilitätswende in der Immobilienwirtschaft bieten“, sagt er. Damit sieht er sein Unternehmen noch weitgehend ohne Konkurrenz. „Für 60 bis 70 E-Auto-Nutzer reichen 20 Wallboxen“

Parkraummanagement und Ladeinfrastruktur gehören zwingend dazu

Zu dem ganzheitlichen Ansatz gehören nach seinem Verständnis neben der geteilten Mobilität ausdrücklich auch digitales Parkraummanagement und E-Ladeinfrastruktur. Letztgenanntes ergibt sich nach seiner Einschätzung allein schon daraus, dass die öffentliche Ladeinfrastruktur dem künftigen Bedarf niemals hinterherkommen werde. Und da die meisten Autos jeden Tag 23 von 24 Stunden irgendwo stehen, davon in der Regel viele Stunden am Arbeitsplatz oder zu Hause, liegt es aus seiner Sicht nahe, Immobilien als Anbieter von E-Ladeinfrastruktur zu begreifen und damit Geld zu verdienen. Nutzer seien primär Bewohner, Büromitarbeiter und Besucher. „Für 60 bis 70 E-Auto-Nutzer reichen 20 Wallboxen“, rechnet Christoph Heilmeier vor. Das rechne sich für die Anwender eher, als wenn jeder seine eigene Wallbox installiere. Und die Immobilieneigentümer holten so mehr aus dem Umstand heraus, dass die Autos ohnehin vor der Tür oder in der Tiefgarage stehen. Auch mit digitalem Parkraummanagement könnten Bestandshalter gutes Geld verdienen, ist Christoph Heilmeier überzeugt. „Aus dem Thema Tiefgarage lässt sich viel mehr herausholen.“ So könnten bislang einzig privat genutzte Tiefgaragen etwa von Wohnquartieren öffentlich zugänglich gemacht werden. Am besten und wirtschaftlich lukrativsten funktioniere digitales Parkraummanagement in gemischt genutzten Quartieren. Dort könnten Stellplätze vereinfacht gesagt tagsüber von Bürobeschäftigten genutzt werden und den Rest des Tages und in der Nacht von Bewohnern.

Auch Besucher oder Touristen könnten dazu beitragen, vorhandene Stellplätze wirtschaftlich lohnender zu nutzen. „Wir kennen Beispiele, bei denen Stellplätze, die zuvor nur von jeweils einem Autohalter genutzt wurden, allein durch Touristen auf eine Nutzungsintensität von bis zu 1,8 kamen.“ Solche Konzepte, die in der Regel ganz unbürokratisch über Parkraum-Apps mit oder ohne Nummernschilderkennung funktionieren, können nach Überzeugung des E+K-Move-Chefs häufig auch bei Bestandsimmobilien Anwendung finden. Am besten alles aus einer Hand: Konzept, Entwicklung und Betrieb Warum aber soll sich ein Immobilienunternehmen besser selbst um solche Mobilitätslösungen mitsamt E-Ladeinfrastruktur und digitalem Parkraummanagement kümmern, statt diese Dienste externe Firmen ausführen zu lassen? „Weil Immobilienunternehmen damit bei der Initiierung und im Betrieb Geld verdienen können“, sagt Christoph Heilmeier. Zudem sei die Überzeugungsarbeit gegenüber Kommunen zielführender, wenn alles aus einer Hand komme: Konzept, Entwicklung und Betrieb. Und schließlich: „Ich sehe keinen Sinn darin, wenn Firmen ausschließlich Konzepte für die Immobilienwirtschaft schreiben.“ Glaubhafter sei es, wenn alles in einer Hand sei und der Erfinder seine Ideen selbst umsetze. Damit hat Christoph Heilmeiers E+K Move im Quartier Am Papierbach begonnen, wo 658 Wohnungen für etwa 1500 Bewohner sowie 25 Einheiten für Büro, Handel und Gewerbe entstehen. Eines der nächsten Projekte, so sagt er, könnte eine bestehende Gewerbeimmobilie sein.

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