Unterbelegung und die Folgen für den Wohnungsmarkt: Jetzt geraten die Senioren ins Visier

Unterbelegung und die Folgen für den Wohnungsmarkt: Jetzt geraten die Senioren ins Visier

Unterbelegung und die Folgen für den Wohnungsmarkt: Jetzt geraten die Senioren ins Visier
Der Wohnungsmangel treibt die Diskussion über die Unterbelegung von Wohnungen an. Copyright: Marcus Aurelius auf Pexels

Die jahrzehntelange Überregulierung des Mietrechtes und des Wohnungsmarktes hat zu einem Missverhältnis auf dem Wohnungsmarkt geführt. Wer sich seine billige und große Mietwohnung auch im Alter leisten kann, bleibt drin wohnen. Familien finden in Großstädten dagegen nur schwer eine ausreichend große Bleibe. Über eine Diskussion von gesellschaftlicher Tragweite und die Lösungsansätze.

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Die Berliner Wohnungsbaugesellschaft WBM veröffentlichte unlängst in ihrem Mietermagazin einen Beitrag unter der Überschrift: „Wenn die Wohnung zu groß geworden ist“. Darin wird berichtet, dass laut Statistischem Bundesamt in Städten jeder Neunte in einer überbelegten Wohnung wohnt. „Gleichzeitig leben viele ältere Menschen in Wohnungen, die zu groß für sie sind“, heißt es in dem Artikel.

Was als übergroß gilt, wird rot unterlegt erläutert: Ist die Zimmerzahl größer als die Personenzahl + 1 gilt die Wohnung als unterbelegt. Als angemessen gilt, wenn die Wohnung maximal ein Zimmer mehr hat, als Menschen in der Wohnung wohnen. Die WBM will deshalb Menschen rechnerisch unterbelegter Wohnungen zum Wohnungstausch animieren.

Neun Prozent in zu großen Wohnungen

Dieser Vorstoß ist das Resultat einer Diskussion, die seit einiger Zeit schwelt. Sie entzündet sich an der These, dass es in Städten genug Wohnraum gebe. Er sei nur falsch verteilt. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat im Januar unter dem Titel „Mismatch im Wohnungsmarkt“ eine Analyse zu dem Thema veröffentlicht. Demnach wohnen in Großstädten rein rechnerisch sechs Prozent der Haushalte in zu kleinen Haushalten.

„Die Quote der zu beengt wohnenden Haushalte ist ein guter Indikator, um die Spannung im Wohnungsmarkt zu erfassen. Denn gerade in angespannten Märkten können Familien aufgrund fehlender oder zu teurer Alternativen nicht umziehen, der Haushalt bleibt in der eigentlich zu kleinen Wohnung.“ Auf der anderen Seite sehen die Analysten vom IW, dass „neun Prozent der Haushalte mit einem Haushaltsvorstand über 70 Jahre in sehr großzügigen Wohnungen wohnen“. Die Zahl der großzügig bewohnten Wohnungen sei zwischen 1995 und 2010 kontinuierlich gestiegen, dann gesunken und steige seit 2017 wieder an.

Preiswerte Miete: kein Anreiz für Veränderung

Als Ursache benennen die Experten die starke Regulierung der Bestandsmieten, die sich weit langsamer entwickeln als die Neuvertragsmieten. Bereits 2021 haben die Wirtschaftsexperten Jürgen Kühling, Steffen Sebastian und Sebastian Siegloch, Professoren der Universitäten Regensburg und Mannheim, die Markteingriffe über Werkzeuge wie Kappungsgrenze und Mietpreisbremse kritisiert. Sie seien sozial ungerecht, weil damit nicht allein Bedürftige subventioniert würden, sondern alle Mieter.

Wenn die einmal gemietete Wohnung auf Dauer billig bleibt und im Vergleich immer billiger wird, besteht kein Anreiz, sich zu verändern, auch wenn eigentlich keine so große Mietwohnung gebraucht wird oder man sich eine Eigentumswohnung oder ein Haus kaufen könnte. Das gleiche Phänomen gab es in der DDR, wo der Preismechanismus für Wohnraum ausgeschaltet war. Wer einmal eine Wohnung zugwiesen bekam, behielt sie, auch wenn sie irgendwann in der Größe nicht mehr gebraucht wurde.

Experte fordert „Vermieter-Soli“

Die Experten vom IW sahen Anfang des Jahres immerhin die steigenden Energiepreise als Anreiz für ältere Menschen, ihre Wohnungen freizumachen. Für Schlagzeilen sorgte der Vorstoß von Steffen Sebastian und seinen Kollegen, die Bestandsmieten endlich deutlich zu erhöhen und damit der künstlich geschaffenen Wohnungsknappheit entgegenzuwirken. Denn damit könne man Menschen zwingen, in kleinere Wohnungen ziehen.

Dem Handelsblatt sagte Steffen Sebastian: „Ich halte es für ein Unding, dass Menschen, die bereits seit Jahren und Jahrzehnten eine geringe Miete zahlen, hierzulande so extrem geschützt werden, während andere keine bezahlbare Wohnung finden.“ Matthias Günther, Vorstand des Prestel-Instituts (Hannover) schlug in die gleiche Kerbe: Menschen, die besonders viel Platz belegen, also vor allem ältere Menschen, müssten belangt werden. Gleichzeitig fordert Steffen Sebastian, dass Vermieter die erhöhte Miete nicht behalten sollen. Er fordert ein „Vermieter-Soli“, aus dem Wohngeld bezahlt werden soll.

Regelung des Wohnungsmarktes über den Preis

Die Vorschläge sind in vielerlei Hinsicht fragwürdig. Jahrzehntelange Eingriffe in den Mietmarkt, durch Mietpreisregulierung und der Kündigungsschutz, der dem Mieter eine einmal gemietete Wohnung quasi übereignet, gepaart mit mangelndem Neubau, haben zum derzeitigen Status quo in Deutschland geführt. Der Zustand ist Resultat politischen Handelns.

Nicht nur alte Menschen können und wollen sich große Wohnungen leisten, auch gutverdienende Jung-Singles und Doppelverdiener verbrauchen mehr Wohnraum, als die genannte Angemessenheits-Formel hergibt. Die Mieter tragen keine Schuld. Sie nutzen lediglich das geschaffene System. Solange sich ein Mensch in einem freiheitlichen Rechtsstaat leisten kann, was er verbraucht und dabei nicht gegen Gesetze verstößt, kann ihm kein Vorwurf daraus gemacht werden. Wie viel Wohnraum sich jemand leistet, geht schlicht niemanden etwas an. Regeln kann das in einem freiheitlichen Land nur der Preis.

Steuer zweckgebunden für Klimamodernisierung einsetzen?

Dem Vermieter, der die Mieter durch die billige Miete bei steigenden Kosten über Jahrzehnte subventioniert hat, die Einnahmen nicht zuzugestehen, um die Wohnung instandzusetzen und die Miete für eine Klimamodernisierung zu nutzen, ist eine neue Regulierung anstelle einer alten Regulierung. Sie kann nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Warum soll der Vermieter einem alten, regelmäßig Miete zahlenden Mieter die Miete erhöhen, um ihn zum Auszug zu zwingen, wenn er die Differenz oder einen großen Teil davon direkt an den Staat abliefern soll?

Private Vermieter werden ohnehin mit dem persönlichen Einkommensteuersatz belegt. Steigt die Miete, steigt die Steuer. Die Steuern aus Vermietung und Verpachtung zweckgebunden für Wohnungsbau, Wohngeld und Klimamodernisierung zu verwenden, wird nicht vorgeschlagen: Das gibt das Steuersystem nicht her. Ein „Vermieter-Soli“ wäre noch eine Steuer obendrauf, nur mit anderem Namen. Auch Großvermieter dürften keinen Anreiz haben, die Miete zu erhöhen, wenn die erhöhte Miete an den Staat weitergeleiten werden muss. Denn langjährig bewohnte Wohnungen weisen einen hohen Renovierungsaufwand auf, den ältere Mieter oft nicht stemmen. Auf den Kosten bleiben die Vermieter in der Regel sitzen. Über die höhere Miete müssen diese Kosten refinanziert werden.

Wohnungstausch: „Nachfrage bisher gering“

Die WBM versucht es nun mit Freiwilligkeit und einem befristeten Angebot für alle Mieter, die sich mindestens um zwei Zimmer verkleinern wollen. Wer also von drei auf ein Zimmer oder von vier auf zwei Zimmer reduziert, erhält das Versprechen, dass die Mietbelastung für die kleinere Wohnung nicht höher ist als die Miete für die große Wohnung. Die neue Wohnung werde renoviert oder renovierungsfähig angeboten. Auf die Vorlage eines Wohnberechtigungsscheins wird verzichtet. Die doppelte Mietbelastung im Rahmen der dreimonatigen Kündigungsfrist soll auf einen Monat reduziert sein.

Das alles gilt aber nur, wenn die Wohnung ordnungsgemäß zurückgegeben wird. Das heißt: Der Mieter muss also immerhin eine doppelte Miete zahlen, seine langjährige Wohnung renovieren und den Umzug finanzieren, sich von Möbeln trennen, neue kaufen, um in eine erheblich kleinere Wohnung zu ziehen, die dann nicht teurer ist als die alte. Claudia Dinse, Mitarbeiterin der WBM-Pressestelle, erklärt auf Nachfrage: „Da wir dieses Angebot erstmalig Mitte März 2023 in unserem Mietermagazin veröffentlicht haben, ist die Resonanz bisher noch gering. Wie viele Wohnungen in unserem Bestand für dieses Angebot tatsächlich in Frage kommen, können wir nicht schätzen.“ Das Angebot ist bis Ende September 2023 befristet.

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