Michael Reiß, Senior Manager Project Development bei der bema Gruppe, spricht über den Campus M in Köln, der gemeinsam mit der AGB Real Estate Group umgesetzt wird. Allerdings geht es nicht um das Projekt an sich, sondern um Zwischennutzung, Nutzungsformate und Selbstverpflichtung.
Vom Autosalon zur Ukraine-Ausstellung – das ist ein ungewöhnlicher Weg für den Projektentwickler bema. Warum haben Sie das gemacht?
Michael Reiß: Wir entwickeln derzeit das Projekt Campus M – ein nachhaltiges Bauvorhaben, das die heute auf dem Grundstück vorhandenen Gewerbeflächen stadtverträglich nachverdichtet und durch Freiflächen campusartig mit den angrenzenden Kölner Stadtbezirken Ehrenfeld und Lindenthal vernetzt. Derzeit befinden sich auf dem Grundstück die Bestandshallen eines ehemaligen Autohauses.
Wir konnten eine Genehmigung für die kulturelle Zwischennutzung der Hallen in enger Abstimmung mit der Stadt Köln erwirken. Somit können hier zukünftig Ausstellungen sowie Kunst- und Kulturveranstaltungen stattfinden. Wir stellen uns damit der Verantwortung, die vorhandenen Ressourcen der Bestandsbauten zu nutzen und im Sinne eines social and cultural return öffentlich zugänglich zu machen. Damit verlängert sich der Lebenszyklus der Gebäude, bis der Standort in ein neues Quartier transformiert wird.
Raum und Stimme für Künstler aus der Ukraine
Welche aktuelle Ausstellung gibt es gerade?
Die Ausstellung WORTH FIGHTING FOR mit bildnerischen Arbeiten, Objekten und Installationen ukrainischer Gegenwartskünstler findet noch bis 14. Dezember 2022 im Campus M, Oskar-Jäger-Straße 97-99, in 50825 Köln statt. Der Eintritt ist frei.
Michael Reiß: Wir haben uns sehr gefreut, dass der Initiator der Ausstellung WORTH FIGHTING FOR, Dr. Stephan Zilkens, von diesem Ort so begeistert war. Uns überzeugte sein Konzept der Ausstellung sofort und wir haben alles in Bewegung gesetzt, um den Rahmen zu schaffen und die Flächen zur Verfügung zu stellen. Es war auch mir persönlich eine gesellschafts- und kulturpolitische Verpflichtung, ukrainischen Künstlern damit Raum und eine Stimme zu geben.
Wie sind Ihre grundsätzlichen Erfahrungen mit Zwischennutzungen?
Michael Reiß: Im Rahmen unserer Quartiers- und Projektentwicklungen, die teilweise einen langen Vorlauf bis zur Baurechtschaffung haben, sind wir immer wieder gefordert, mit Interimszuständen umzugehen. Bisher wurden die Flächen eher mit klassischen Nutzungen belegt. Das Objekt in Köln-Ehrenfeld ist in dieser Dimension für uns zunächst einmalig und bietet sehr viel Potenzial. Wir sehen eine große Chance, daraus neue Nutzungsformate für andere Projekte abzuleiten, die die Öffentlichkeit beziehungsweise zukünftige Nutzer einbinden und damit Mehrwert und Identifikation generieren.
Areal bleibt im städtischen Kontext verankert
Wie bespielen Sie Zwischennutzungen noch zusätzlich?
Michael Reiß: Die Ukraine-Ausstellung, die am Vorabend der Art Cologne eröffnet wurde, hat eine vierwöchige Laufzeit bis zum 14. Dezember 2022. Bereits ein Wochenende vor der Eröffnung konnten wir die Flächen für einen dreitägigen Konzertzyklus an das Kollektiv 3:6 Koeln vermieten. Es hat sich gezeigt, dass diese Formate die Hallenflächen sehr gut bespielen können. Der Fokus für die weitere Bespielung der Zwischennutzung ab 2023 wird sicherlich auf solchen Formaten liegen. Wir werden die Flächen auch für Veranstaltungen oder Symposien nutzen, die einen baukulturellen und immobilienrelevanten Hintergrund haben.
Von welchen Effekten profitiert die Fläche und von welchen Ihr Unternehmen?
Michael Reiß: Die Fläche profitiert eindeutig davon, dass wir keinen Leerstand haben, das Areal damit einer gewissen sozialen Kontrolle unterliegt und Vandalismus vermieden werden kann. Der Ort erfährt einen Wandel vom ehemaligen Autohaus über Kulturnutzungen bis hin zum zukünftigen Campus M ohne seine Verankerung im städtischen Kontext zu verlieren. Wir profitieren sicherlich davon, dass die Zwischennutzung einen Effekt auf das Standortmarketing hat und uns als verantwortungsvolle Entwickler in der Stadtgesellschaft, bei Politik und Verwaltung sichtbarer macht. Es ist aber vorrangig eine Wertschätzung für den genius loci und unsere Selbstverpflichtung, umsichtig zu handeln.