Die Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor hat ihr Manifest für eine nachhaltige, kosteneffiziente und sozial verträgliche Klimapolitik im Gebäudesektor vorgestellt. IMMOBILIEN AKTUELL hat die wichtigsten Punkte zusammengestellt.
Trotz Standard-Verschärfung keine Energieeinsparung
Obwohl wir immer weiter dämmen und bei Neubauten die Standards verschärfen, sparen wir insgesamt, deutschlandweit, pro Quadratmeter trotzdem keine Energie ein. Gleichzei4g verteuern wir die Bau- und Sanierungskosten immer weiter durch Konzentration der Förderung auf höchste Effizienzstandards, treiben entsprechend die Mietpreise hoch und verbauen aus Kostengründen Stoffe, die ökologisch noch keinen Beitrag zu einer emissionsarmen Wirtschaftsweise im Wohnsektor leisten. In jedem Fall ist die Einsparung einer kWh Energie teurer, als die Energie zu verbrauchen. Das macht eine Klimapolitik auf Effizienzbasis ökonomisch unattraktiv. Klimaschutz muss aber ökonomisch funktionieren, da er sonst schlicht nicht umgesetzt werden kann.
Senkung der Investitionskosten mit Praxispfad
Mit unserem Praxispfad Emissionsreduktion können wir die nötigen kumulierten Investitionskosten von rund 5,2 auf 1,9 Billionen Euro bis zum Jahr 2045 senken. Der nötige Förderbedarf würde sich somit von heute 50 Milliarden Euro auf 18 Milliarden Euro pro Jahr senken lassen. 18 Milliarden Euro sind immer noch eine erhebliche Summe, aber sie wäre in der Praxis in öffentlichen Haushalten darstellbar. 50 Milliarden Euro werden es angesichts zunehmend knapper Haushaltskassen nicht
sein.
Wohnkosten lassen sich im Zaum halten
Auch die Wohnkosten lassen sich in dem von uns vorgeschlagenen Szenario zumindest im Zaum halten. Denn Fakt ist: Die Umstellung der Wohnungen auf emissionsreduzierte beziehungsweise emissionsfreie Gebäude kostet. In unseren Modellrechnungen, die auf realen Daten aus der Praxis basieren, können wir nachweisen, dass die Mietkosten stärker steigen, wenn höhere Effizienzstandards verfolgt werden. Wir müssen uns von der Lebenslüge verabschieden, nach der die Kosten für Effizienzmaßnahmen durch eingesparte Energiekosten finanziert werden.
Fünf Billionen Euro für Ziele nicht finanzierbar
Bleiben wir bei einem zweigleisigen System aus hohen Gebäude-Effizienzstandards und Erneuerbaren Energien, sprich CO2-neutrale Energieversorgung (Effizienzpfad), anstatt auf einen Praxispfad Klimaneutralität einzubiegen, erreichen wir die Klimaziele nicht: Für den Effizienzpfad zur Klimaneutralität müssten von heute bis 2045 kumuliert fünf Billionen Euro investiert werden, die weder über Mieten noch über Förderung finanzierbar wären. Und dies ist nur der Teil für Wohngebäude – hinzu kommen die 1.350 Millionen Quadratmeter Nichtwohngebäude, die etwa 35 Prozent der Treibhausgasemissionen im Betrieb der Gebäude verursachen.
Förderdschungel nicht mehr durchschaubar
Hinzu kommt, dass über die Zeit ein Förderdschungel entstanden ist, bei dem niemand mehr den Überblick hat. Das KfW-Instrumentarium für Effizienzhäuser und Einzelmaßnahmen beinhaltet inzwischen 264 Seiten Merk- und Infoblätter, dazu kommen 89 Seiten Gebäudeenergiegesetz und 1.300 Seiten der Berechnungssoftware zugrundeliegender Normtext in elf Normen der Reihe DIN V
1895516 – was einem Gewicht von etwa acht Kilo Papier entspricht. Schlussendlich stehen wir vor einem kawaesken System, das eine sinnhafte Ausrichtung auf Vermeidung von Treibhausgasemissionen vermissen lässt und stattdessen immer noch auf Vermeidung fossiler Primärenergie, vor allem auf Dämmung und Lüftungsanlagen fokussiert. Die Förderung wurde je nach Haushaltslage und Erfolg mal verbessert und mal verschlechtert, es gibt keine Verlässlichkeit. Vor allem aber ist klar: Wenn das Ziel der Klimaneutralität eine Förderung in der Breite notwendig macht, sollte spätestens jetzt bei leeren Haushaltskassen beim Bund und in den Ländern der Weg mit den kleinsten Förderkosten und der höchsten Treibhausgasminderung gewählt werden. Und das ist der Praxispfad Klimaneutralität mit 18 Milliarden Euro. Der Energieeffizienzpfad ist mit mindestens 50 Milliarden Förderung angesichts der Haushaltslage und -prioritäten nicht finanzierbar.
Regularien im Gebäudebereich für Praktiker nicht durchschaubar
Allein die Frage, welches Heizungssystem mit dem GEG 2024 noch zulässig eingebaut werden darf, füllt elf Seiten im GEG mit 19 Unterparagrafen. Die Zahl der politischen Strategien und Pläne und der Regulierungen im Gebäudebereich ist für den Praktiker nicht
mehr zu überschauen. Dazu kommt, dass die Regulierung gleichzeitig auf verschiedene Größen zielt: auf fossile Primärenergie, auf Dämmung, auf den Anteil erneuerbarer Energien, auf Endenergie. Nur das eigentliche Ziel – die Treibhausgasemissionen – werden nicht direkt adressiert, nur indirekt über einen CO2-Preis. Es ist zwingend notwendig, das Ordnungsrecht auf Treibhausgasminderung auszurichten und praxistauglich zu vereinfachen.
Ziel der warmmietenneutrale Sanierung hat nicht funktioniert
Mit dem Energieeffizienz-Paradigma haben wir uns als Gesellschaft auch bei der sozialen Frage in die falsche Richtung bewegt. Über Jahrzehnte galt das Diktum, die Investitionskosten für Energieeffizienzmaßnahmen würden durch die eingesparte Energie ausgeglichen werden. Eine warmmietenneutrale Sanierung war das Ziel. Das hat schon bislang nur in den wenigsten Fällen funktioniert und wird in Zukunft gar nicht mehr funktionieren, wie eine Studie anschaulich anhand von zwei Fällen darstellt: einer alleinerziehenden Person mit einem Kind in einer normalen Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus und einem Seniorenpaar in einem gemieteten Einfamilienhaus.
Die Wohnkosten steigen für Klimaneutralität in jedem Fall. Die verminderten Heizkosten können aber die höhere Kaltmiete durch die Investitionen in keinem Fall ausgleichen. Diese Schere klafft beim höheren Effizienzstandard EH 55 noch deutlich weiter auseinander, denn bruttowarm erhöhen sich die Wohnkosten um 132 bis 166 Euro pro Monat (Mehrfamilienhaus) und um 439 bis 562 Euro pro Monat
(Einfamilienhaus).
Die fünf Kernforderungen der Wissenschaftler: Paradigmenwechsel für mehr Klimaschutz
- Emissionsfreie Wärmeversorgung: Fossile Energieträger müssen zügig durch emissionsarme Technologien wie Wärmepumpen und die Nutzung industrieller Abwärme ersetzt werden. Der Ausbau erneuerbarer Energien auf Quartiersebene wird hierbei priorisiert wie bilanzielle Ansätze auf der Ebene von Gebäudeflotten und Quartieren im Allgemeinen und hier insbesondere die gebäudeübergreifende bilanzierbare Nutzung von Solarenergie.
- Maßvolle Sanierung: Statt kostspieliger überzogener Sanierungstiefen fordern die Experten eine Sanierung, die sich an der Lebensdauer der Bauteile orientiert und unnötige Kosten vermeidet.
- Effiziente Wärmepumpen-Nutzung: Moderne Wärmepumpen sind bereits für teilsanierte (ab EnEV 2002) oder moderat sanierte Gebäude geeignet, was den Sanierungsdruck mindert und trotzdem eine klimaschonende Wärmeversorgung ermöglicht.
- Einführung eines Emissionsminderungspfads: Statt unübersichtlicher Regelungen plädieren die Wissenschaftler für einen verbindlichen Emissionsminderungspfad bis 2045, der klare Reduktionsziele für Gebäudeemissionen setzt und durch eine unabhängige Emissionsagentur überwacht wird.
- Förderung von Bestandserhalt und Kreislaufwirtschaft: Neubauten sollen strengen Emissionsgrenzen entsprechen, während der Erhalt bestehender Gebäude die Nutzung grauer Energie maximiert und Abfall reduziert.