Auf dem Gelände des Alten Leipziger Bahnhofs plant die Stadt Dresden die Entwicklung eines neuen Stadtteils. Dieser soll grün, klimaneutral und kleinteilig werden. Unterschiedliche Interessengruppen, darunter auch Bürger, werden in die Planungen einbezogen. Ende Februar 2024 wurde der Siegerentwurf für das zukünftige Quartier gekürt.
Artikel vom 15. Februar 2022: Alles zurück auf Anfang: Das 27 Hektar große Gebiet Alter Leipziger Bahnhof in Dresden soll zu einem grünen, kleinteiligen und klimaneutralen Stadtquartier gestaltet werden. „Kooperative Quartiersentwicklung“ nennt Dresdens Baubürgermeister Stephan Kühn das in Dresden bisher einzigartige Verfahren. Sechs Planungsschritte sind dabei vorgesehen, in den ersten vier sollen alle Interessensgruppen ausloten, wie das Gelände grundsätzlich gestaltet werden kann. Die nächsten eineinhalb Jahre steuern die beiden Planungsbüros StadtLabor und Büro für urbane Projekte den Prozess.
Dresdner Globus-Areal nun wieder im Fokus
Damit wird ein neuer Anlauf genommen, denn auf dem Gelände wollte die Globus-Gruppe längst ein Einkaufszentrum errichtet haben und dabei die denkmalgeschützten Bauten einbeziehen. Das 1839 eröffnete Gebäude war der Endpunkt der Eisenbahnstrecke Leipzig-Dresden und damit der erste Bahnhof in der Stadt. Wenige Teile sind davon noch erhalten und wurden vor dem weiteren Verfall geschützt. Dank der Bahnverbindung siedelte sich im Umfeld Industrie an, wie beispielsweise die Keramikfabrik von Villeroy & Boch. Davon gibt es jedoch bestenfalls noch wenige Reste.
Mit einem Werkstattverfahren sollte 2008 das Gelände entwickelt werden. Zwei Jahre später folgte der Beschluss, den Bebauungsplan 357 aufzustellen. Aber es regte sich unter der Bevölkerung Widerstand gegen eine dichte Bebauung, der sich mit veränderten Mehrheiten im Stadtrat verstärkte und zum Paradigmenwechsel führte. Der im Juni 2018 vom Stadtrat beschlossene Masterplan Nr. 786.1 Leipziger Vorstadt/Neustädter Hafen folgte bereits dem Leitgedanken „Park schafft Stadt“.
Inzwischen sind die meisten Gebäude in der elbnahen Hafen-City sowie im Areal Gehestraße gegenüber fast fertig. Damit konzentriert sich das Verfahren jetzt auf die westliche Seite der Leipziger Straße – begrenzt von Erfurter- und Eisenbahnstraße sowie dem Bahndamm. Das rund 900 Meter lange und fast 400 Meter breite Gelände ist im Besitz von zwölf Eigentümern. Die Landeshauptstadt gehört nicht dazu.
Alter Leipziger Bahnhof soll zum autoarmen und kinderfreundlichen Stadtquartier werden
Die Globus-Gruppe wird nach dem Scheitern ihres Projektes an dieser Stelle in Kürze mit dem regionalen Versorgungsunternehmen SachsenEnergie Grundstücke tauschen, um an anderer Stelle in der Stadt zu bauen. Die Stadt Dresden ist wiederum an der SachsenEnergie beteiligt. Die derzeitige Nutzung auf dem Areal ähnele einem bunten Blumenstrauß. Kleine Unternehmen haben sich ebenso wie kulturelle Vereine angesiedelt. Unmittelbar neben dem einstigen Bahnhofsgebäude steht ein kleines Wohnwagenplatz-Projekt.
Was auf dem Gelände gebaut werden soll, ist noch unklar, nur großflächiger Handel wird ausgeschlossen. Die unmittelbare Versorgung der künftigen Wohnungsmieter vor Ort soll jedoch gewährleistet werden. Sie sollen zudem in einem autoarmen Stadtteil leben. Ausdrücklich seien die Interessen von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen, So werden unter anderen 3.000 Quadratmeter für eine Skaterhalle, 5.000 bis 10.000 Quadratmeter Spielanlagen geprüft. Ein Jüdisches Museum und ein Depot für die Staatlichen Kunstsammlungen könnten ebenfalls bei den Planungen Beachtung finden. Mindestens 3.500 Quadratmeter Kleingartenanlagen sowie ein Biotopverbund sollen erhalten bleiben.
Erste Schritte des Planverfahrens
Eine 48-köpfige Begleitgruppe wird die vielfältigen Interessen vereinen. Ihr gehören die zwölf Eigentümer der Grundstücke sowie zwölf Vertreter der Stadtverwaltung an. Hinzu kommen acht Mitglieder aus dem Dresdner Stadtrat und vier aus den Ortsbeiräten. Sechs Mitglieder sollen die verschiedenen Interessengruppen, Netzwerke und Vereine repräsentieren. Hinzu kommen stellvertretend für die Bürgerschaft sechs Frauen und Männer aus Dresden. Diese konnten sich mit einer kurzen Begründung, warum sie mitwirken und was sie erreichen wollen, bis Anfang Februar bewerben. Die Auswahl der Plätze erfolgt, so die Stadtverwaltung, möglichst repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Wohnort in Kombination mit einem Losverfahren.
Die Begleitgruppe erarbeitet die Aufgabenstellung für die Planung, die wiederum Grundlage für die Auslobung des Wettbewerbes sein soll. Vorschläge für die konkrete Entwicklung des Quartiers erarbeiten dann mehrere Planungsbüros. Eine Jury, in der ebenfalls Vertreter der Begleitgruppe sind, wählt dann den besten Vorschlag aus, der Grundlage für die spätere Bauplanung bilden wird.
In einer ersten Bürgerwerkstatt stellten die beiden Projektplaner und die Stadt das Vorhaben Ende Januar vor. Wegen der Corona-Schutzmaßnahmen fand das Forum digital statt. Das Thema bewegt offensichtlich die Gemüter, entsprechend groß war das Interesse. 359 Dresdnerinnen und Dresdner klinkten sich in das Bürgerforum ein und blieben bis auf wenige Ausnahmen bis zum Schluss online. An die ausführliche Vorstellung schloss sich eine Fragerunde an, bei der die meisten Teilnehmer ausdrücklich das Verfahren begrüßten und sehr sachlich argumentierten. In der Chatrunde äußerten jedoch einige Teilnehmer ihren Unmut darüber, dass auf der Fläche überhaupt neue Häuser entstehen sollen. Am 1. April werden die Mitglieder der Begleitgruppe zur ersten Planungswerkstatt zusammenkommen.
In insgesamt fünf Sitzungen der Begleitgruppe wurden zunächst Eckpunkte zur Aufgabenstellung für ein geplantes Wettbewerbsverfahren erarbeitet. Anschließend folgte die Durchführung eines zweistufigen, städtebaulich-freiraumplanerischen Wettbewerbs, an dem sich 39 Architekturbüros und Landschaftsplaner beteiligten. In der ersten Phase wurden sieben Entwürfe für die weitere Bearbeitung ausgewählt. Diese Entwürfe wurden im Rahmen einer öffentlichen Ausstellung, der Gläsernen Werkstatt, im November 2023 präsentiert und von der Bürgerschaft diskutiert. In der zweiten Phase erfolgte dann auf dieser Grundlage eine weitere Konkretisierung und Detaillierung der Arbeiten.
Siegerentwurf für Quartiersentwicklung am Alten Leipziger Bahnhof gekürt
Update vom 06. März 2024: Das Rennen um die beste Vision für das Quartier am Alten Leipziger Bahnhof in Dresden ist entschieden: In der Preisgerichtssitzung am 26. Februar 2024 wurde der Entwurf der Architektengemeinschaft KOPPERROTH Architektur & Stadtumbau PartGmbB mit Fabulism GbR und Station C23 mit dem ersten Platz ausgezeichnet. Die Jury wählte aus sieben Entwürfen nach verschiedenen Kriterien wie städtebaulicher Qualität, Freiraumqualität, Nachhaltigkeit, Gemeinwohlorientierung und Umsetzbarkeit. Die Gewinner des Wettbewerbes werden am 21. März 2024 im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung im Foyer des Kulturpalastes geehrt. Hier werden sämtliche teilnehmenden Entwürfe ausgestellt. Diese sind bis 13. April 2024 im Zentrum für Baukultur (ZfBK), im Kulturpalast zu sehen.
KOPPERROTH Architektur & Stadtumbau PartGmbB mit Fabulism GbR und Station C23 überzeugten das Preisgericht mit ihrem Entwurf unter dem Motto „Urbanität und Wildnis“, der die historischen Strukturen des Areals aufgreift und gleichzeitig ein modernes, zukunftsorientiertes Quartier mit hoher Aufenthaltsqualität schafft. Der Entwurf sieht eine kleinteilige Bebauung mit vielfältigen Wohnformen, großen zentralen Grünflächen und öffentlichen Begegnungsräumen vor.
Bau- und Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn sagt: „Ich freue mich sehr über die Entscheidung des Preisgerichts. Der Siegerentwurf der Büros KOPPERROTH Architektur & Stadtumbau aus Berlin in Zusammenarbeit mit Fabulism und Station C23 überzeugt mit seiner hohen Qualität und seinem innovativen Konzept für ein nachhaltiges und lebenswertes Quartier. Ich bin sicher, dass der Entwurf den Bedürfnissen der Dresdnerinnen und Dresdner – auch denen, die heute schon dort agieren – gerecht und das Areal in den nächsten Jahren zu einem neuen Anziehungspunkt in Dresden wird.“
In den nächsten Monaten muss der Stadtrat den Siegerentwurf als Grundlage für die weitere Bearbeitung bestätigen, damit dieser in einen integrierten Rahmenplan überführt werden kann. Hiermit verbunden sind Verfahren für die bau- und planungsrechtlichen Voraussetzungen wie zum Beispiel die Aufstellung eines Bauplanverfahrens.