Der Projektentwickler Diamona & Harnisch (D&H) setzt auf Kommunikation mit dem Umfeld und einen Mehrwert für die Nachbarschaft. Derzeit läuft begleitend zum Bauvorhaben „Am Winterfeldt“ in Berlin-Schöneberg eine Aktion für den niederschwelligen Zugang zu Kunst und Kultur für Kinder und Jugendliche im Kiez.
Am Winterfeldt: Eigentum und geförderter Wohnraum in Kombination
Der Bauzaun ist ein Zeichen: Das leerstehende Gebäude der AOK an der Ecke Pallasstraße und Elßholzstraße ist abgerissen und das Baufeld unweit des beliebten Winterfeldtplatzes eingezäunt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung höchstselbst hatte die Genehmigung für das Projekt Am Winterfeldt Ende vergangenen Jahres gegeben, nachdem es vom Bezirk Berlin-Schöneberg wegen seiner Dimension abgelehnt worden war. In dem siebengeschossigen, u-förmigen Ensemble sollen jetzt rund 17.500 Quadratmeter für insgesamt 219 Wohnungen realisiert werden: neben Eigentumswohnungen auch geförderte Wohnungen.
Das war die Bedingung. Doch der Bauzaun steht nicht nur als Startsignal dafür, dass hier etwas gebaut wird. Er steht für einen Ansatz, der vom Entwickler Diamona & Harnisch (D&H) verfolgt wird: Die Kommunikation mit der Nachbarschaft fördern, mit Ideen zu Kunst und Kultur. Deshalb hat er die Jugend-Reihe @nachbarschafft! initiiert. Den Auftakt gibt ein Mitmach-Projekt, das während der gesamten Bauphase läuft: Es umfasst von Graffiti, über Basketball bis hin zum Breakdance alles, was mit Hip-Hop-Kultur zu tun hat.
„Kontakt außerhalb von Chatroom, Feed und Co.“
Alexander Harnisch, Gesellschafter von D&H, sagte zum Auftakt: „Es muss für Jugendliche einen niedrigschwelligeren Zugang zur Kunst geben, als es derzeit der Fall ist. Kunst und Kultur sind gewaltfreie Konfliktlöser, die es zu vermitteln gilt.“ An mehreren Wochenenden finden derzeit Hip-Hop-Workshops auf dem Hof der nahegelegenen Sophie-Scholl-Schule statt. Dabei werden auch Platten mit Graffiti besprüht, die später dann am Bauzaun ausgestellt werden.
Ben Mansour, Projektleiter Kultur am Bau des Trägers Sprühlinge e.V., begrüßt das Street-Art-Projekt: „Die Förderung durch die Privatwirtschaft ist ein richtiges Signal und notwendig für die Jugendarbeit. Sie ermöglicht es uns, schnell und flexibel Aktivitäten und Begegnungsstätten für Kinder und Jugendliche außerhalb der digitalen Bubble zu schaffen.“ Nach zwei Jahren Pandemie sei das dringend notwendig. „Es braucht wieder den sozialen Kontakt außerhalb von Chatroom, Feed und Co.“
Kultur am Bau: Privatwirtschaft kann mit Geld helfen
Weitere Projekte sind geplant. Moritz Tonn von No Unicorn (Yet), der @nachbarschafft! ideengebend begleitet, erklärt: „Wir wollen nichts vorgeben, sondern loten derzeit bei Vereinen und Initiativen den Bedarf aus.“ Oft fehle es am nötigen Geld, um zum Beispiel ein Malprojekt auf die Beine zu stellen. „Und da kann ein privatwirtschaftliches Unternehmen viel schneller helfen, als es oft mit Anträgen bei staatlichen Institutionen möglich ist.“ Grundsatz ist die Idee, auch den entstehenden Bau einzubeziehen, indem zum Beispiel ein Kunstprojekt im Rohbau organisiert wird oder Bauteile in verschiedenen Bauabschnitten dafür genutzt werden. Dieser Ansatz soll in Zukunft bei anderen Bauvorhaben von D&H gespiegelt werden – wie dem The FRANZ in Berlin-Friedrichshain und generell als Blaupause dienen.
Widerstände und Vorbehalte abbauen
Der Widerstand in Berlin gegen Neubauvorhaben, insbesondere, wenn es sich um Eigentumswohnungen handelt, ist in den Innenstadtkiezen in der Regel groß, weil eine Gentrifizierung befürchtet wird. Mitunter aber auch nur, weil gewohnte Ausblicke verloren gehen oder einfach der Baulärm nervt. Auch gegen das neue Quartier hatte eine Bürgerinitiative Unterschriften gesammelt.
Und immer wieder sehen sich Bauentwickler, die sich um mehr Verständnis im Umfeld und Mehrwert für die Nachbarschaft bemühen, mit dem Vorwurf des green washings konfrontiert. Doch Wohnungen werden gebraucht, Bauvorhaben realisiert. So oder so. Moritz Tonn kann mit dem Vorwurf wenig anfangen. Der Wohnungsmangel ist eklatant, die Landeseigenen Wohnungsunternehmen können den Bedarf aus eigener Kraft nicht decken. „Also was wäre die Alternative: etwa nicht miteinander reden?“, lautet seine rhetorische Frage.
Das Projekt Am Winterfeldt komme gut an. Der Komplex wird nach DGNB-Gold-Standard für nachhaltiges Bauen errichtet. Er besteht aus sieben Teilgebäuden in typischer Berliner Blockrandbebauung, die einen 2.000 Quadratmeter großen Innenhof rahmen. Er passt sich durch diverse Gestaltungsdetails in das Umfeld ein, das durch Altbaubestand und Sehenswürdigkeiten geprägt ist, wie die St. Matthias Kirche und das Berliner Kammergericht. Außer den Wohnungen sind rund 350 Quadratmeter Fläche für Gewerbe vorgesehen. Die Fertigstellung ist für 2024 angekündigt.