Bei den Projektentwicklern ist die Krise nun deutlich sichtbar angekommen. Das gesamte Projektentwicklungsvolumen der sieben deutschen A-Städte Berlin, Frankfurt, Hamburg, München, Düsseldorf, Köln und Stuttgart schrumpfte laut Development Monitor der bulwiengesa im Vergleich zu 2022 um 5,7 Prozent.
Erheblich vom Rückgang betroffen sind Wohnprojektentwicklungen mit -7,4 Prozent oder 1,6 Millionen Quadratmetern. Das Segment Büro hingegen schrumpft „nur“ um 5,3 Prozent gegenüber der Vorjahresauswertung. Der Rückgang ist vor allem im sogenannten Trading Development zu verzeichnen, also den klassischen Projektentwicklungen zum Verkaufszweck. Mit einem Gesamtminus von 8,8 Prozent ist das der stärkste je gemessene Rückgang. Die Projektentwicklungen für die Eigennutzung oder Bestandshaltung – Investor Developments – wirken derzeit eher stabilisierend für den Markt. Dort beträgt der Rückgang 2,0 Prozent.
Dies sind die Ergebnisse einer aktuellen Auswertung der Projektentwicklungsaktivitäten in den A-Städten im Analysetool Development Monitor von bulwiengesa. Für die aktuelle Analyse wurden fertiggestellte Projekte sowie Projekte in Bau und in Planung zwischen 2020 bis 2027 ausgewertet. Felix Embacher, Head of Research & Data Science bei bulwiengesa: “Der Markt ächzt, und alle Akteure spüren seit längerem den Rückgang. Nun können wir ihn deutlich an den Zahlen ablesen. Die skeptischen Ertragserwartungen der Projektentwickler zeigen sich vor allem am Einbruch der Planungen: Diese gehen insgesamt um 7,8 Prozent gegenüber 2022 zurück. Zumindest dämpft das die Gefahr, dass bei nachlassender Nachfrage zu viel gebaut wird. Außerdem werden so dringend benötigte Ressourcen frei für die unumgängliche Bestandssanierung.“
Verzögerungen der Projekte
Auch das derzeit viel diskutierte Thema „Verzögerungen der Projekte“ hat nun eine Zahlenbasis: Die Auswertung der konkreten Projekte im Development Monitor zeigt, dass gut 23 Prozent aller Flächen später fertig werden, als noch zu Ende 2022 geplant. Felix Embacher: „Die meisten Verzögerungen sehen wir bei Büroprojekten, die wenigsten bei Logistikprojekten. Bei Logistikimmobilien gehen die Developer auch künftig von einer hohen Nachfrage aus, bei Büros ist das anscheinend nicht der Fall. Interessant ist die Betrachtung nach Geschäftsmodell: In Berlin beispielsweise verzögern sich nur 16 Prozent der Investor-Development-Projekte, aber 28 Prozent der Trading Developments. Die klassischen Projektentwickler sind stärker von der Marktentwicklung abhängig und tragen ein höheres Risiko.“
Zahlen und Fakten zum Büromarkt
Geht den Trading Developern die Luft aus? Deren Büroprojektvolumen in den A-Städten sinkt um 560.000 Quadratmetern beziehungsweise 7,1 Prozent und liegt nun bei 7,3 Millionen Quadratmetern. Damit ist der Rückgang zwar kleiner als im Wohnsegment. Aber: Besonders ins Gewicht fällt der enorm hohe Planungsrückgang von -22,3 Prozent. Sven Carstensen, Vorstand bei bulwiengesa: „Vielen ist derzeit nicht nach großen Büro-Neuplanungen zumute: Home-Office und nun die schwächelnde Konjunktur sorgen für große Skepsis, die Objekte wirtschaftlich sinnvoll an den Markt zu bringen.“
Der größte absolute (-488.000 Quadratmeter) und relative (-20 Prozent) Rückgang wird übrigens in München verzeichnet, auch weil hier einige größere Areale wie das Werksviertel mittlerweile bebaut sind und aus den Betrachtungen ausscheiden.
Rückgang im Wohnbereich verstetigt sich
20,4 Millionen Quadratmeter Wohn-Projektfläche in den A-Städten entsprechen einem Rückgang von -1,6 Millionen Quadratmetern im Vergleich zur Vorjahresauswertung (-7,4 Prozent). Aber: Der Rückgang ist kein neues Phänomen, sondern bereits seit einigen Jahren festzustellen. Schon vor Corona und aktueller Krise führten die hohen Grundstückspreise und Baukosten, politische Restriktionen und ein Ausweichen auf kleinere Städte oder das Umland der A-Städte zu einem kontinuierlichen Sinken. Zuletzt im Plus lagen Wohnprojektentwicklungen im Jahr 2019.
Allein in Berlin gehen die Projektflächen um 790.000 Quadratmeter zurück. Auch in Düsseldorf und Hamburg ist der Rückgang im Vergleich zum letzten Analysejahr gewaltig (beide rund -15 Prozent). Außer in Köln (+1 Prozent) sinken die Wohnprojektflächen in allen A-Städten. Den Wohnungsbau am Laufen halten derzeit noch die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, während sich Trader Developer deutlich stärker aus den Metropolen zurückziehen.
Sven Carstensen:
„Ausgerechnet in den Metropolen, wo die Wohnungsnot am größten ist, schläft die Bautätigkeit nun vollends ein. Ohne Beschleunigung der Verfahren und zumindest temporäre finanzielle Förderung von Wohnungsbau werden wir das Problem nicht lösen.“
Handel und Hotel bieten Grund für verhaltenen Optimismus
Trotz wieder anziehender Übernachtungszahlen in den Städten hat die Hotellerie noch nicht aus der Krise herausgefunden, die die coronabedingten Lockdowns ausgelöst haben. Erheblich rückläufige Planungsvolumina dominieren die Entwicklung im Hotelsegment. Bereits seit 2020 geht die Kurve bei Fertigstellungen, Planungen und Projekten in Bau kontinuierlich zurück.
Umso erstaunlicher ist, dass sich das Volumen der Handels-Projektentwicklungen stabil zeigt. Zu beachten ist jedoch, dass hier auch die Sanierungen und Umgestaltungen von Handelsflächen mit hineinfallen. Diese Entwicklung ist nicht mit einem Nettoflächenzuwachs an Verkaufsflächen gleichzusetzen. Nimmt man das leicht ansteigende Planungsvolumen als Maßstab für die künftige Geschäftserwartung, kann man den Akteuren verhaltenen Optimismus unterstellen. Allerdings sind beide Segmente auch von Verzögerungen betroffen: Rund jedes vierte Hotel- und Handels-Projekt wird später fertig als noch Ende 2022 geplant.
Finanzierungen an Aussicht auf Erfolg gekoppelt
Und wie steht es in der aktuellen Marktsituation mit steigenden Zinsen, hoher Inflation und hohen Baukosten bei gleichzeitig zurückgehender Nachfrage um die Projekt-Finanzierung? Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG, kommentiert: „Viele Projektentwickler brauchen derzeit frisches Eigenkapital, da sie in der aktuellen Situation kein zusätzliches Fremdkapital mehr von Banken bekommen. Mögliche Wege der Kapitalbeschaffung sind derzeit die Hereinnahme von sogenanntem Preferred Equity oder eines Joint-Venture-Partners. Die Voraussetzung ist aber immer, dass das Objekt eine Chance hat, in der heutigen Marktlage Gewinne zu erwirtschaften."