Drei Themenblöcke und sechs Kandidaten – anlässlich der Leipziger Oberbürgermeisterwahl hatten die immobilienwirtschaftlichen Verbände der Stadt zum Wahlforum ins Neue Rathaus eingeladen. Die Anwärter der aussichtsreichsten Parteien nahmen im Podium Platz. Ihre Kernaussagen zu Mietendeckel, Baukultur, Digitalisierung und Co.
Großer Andrang beim Wahlforum „Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung“ anlässlich der Leipziger Oberbürgermeisterwahl: Über 200 Gäste waren am 21. Januar 2020 daran interessiert, welche Ziele und Vorhaben die sechs aussichtsreichsten Kandidaten in Bezug auf den lokalen Immobilienmarkt verfolgen. Im Podium mit dabei waren Amtsinhaber Burkhard Jung (SPD) sowie Sebastian Gemkow (CDU), Katharina Krefft (Die Grünen), Christoph Neumann (AfD), Franziska Riekewald (Die Linke) und Marcus Viefeld (FDP). Sie stellten sich den Fragen der immobilienwirtschaftlichen Verbände der Stadt, die zu dem knapp zweistündigen Austausch ins Neue Rathaus geladen hatten. Die Wahl zum Leipziger Oberbürgermeister findet am 2. Februar 2020 statt.
Thema 1: Beschleunigung von Genehmigungsverfahren
Die erste Frage an die OB-Kandidaten kam von Torsten Kracht, Vorstandsmitglied des BFW Landesverbandes Mitteldeutschland und Vorsitzender des Arbeitskreises Stadtgestalter Leipzig: „Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Sie dafür sorgen, dass Baugenehmigungsverfahren schneller und mit klaren Richtlinien für Bauträger erteilt werden?“ Franziska Riekewald versprach mehr Personal in der Verwaltung sowie intensivere Gespräche mit den Investoren. Eine deutlich bessere Zusammenarbeit zwischen den Ämtern schrieb sich Katharina Krefft auf die Fahnen.
Sebastian Gemkow plädierte für eine „Philosophie des Ermöglichens“, welche die Verwaltungsmitarbeiter verinnerlichen sollten. „Und dass im Zweifelsfall ein Ansprechpartner für jemanden da ist, der etwas begehrt – und nicht drei, vier, fünf, die am Ende nicht voneinander wissen, was der andere tut.“ Das Publikum reagierte mit einer Menge Applaus auf dieses Statement.
Thema 2: Mietendeckel
Heiß diskutiert wurde eine mögliche Obergrenze für Mietpreise nach Berliner Vorbild. Ronald Linke, Vorstandsvorsitzender von Haus & Grund Leipzig, hatte dazu angeregt. Burkhard Jung zufolge sei der Mietendeckel ein „völlig verfehltes Instrument“ und die „total falsche Antwort“ auf eine Entwicklung, die allerdings sehr wohl in den Griff bekommen werden müsse.
Den Preisanstieg stoppen, indem die Mieten gedeckelt werden, darum geht es Franziska Riekewald: „Acht Euro pro Quadratmeter dürfen im stadtweiten Durchschnitt nicht überschritten werden.“ Diese konkrete Zahl solle jedoch nicht in einem Gesetz verankert, sondern durch verschiedene Maßnahmen realisiert werden, etwa mehr Sozialwohnungsbau. Auch über Haltungssatzungen sei nachzudenken, so die Linken-Kandidatin.
Katharina Krefft machte sich ebenfalls für eine stärkere Förderung des sozialen Wohnungsbaus stark, trat zudem für ein gutes Miteinander zwischen Branche und Stadtverwaltung ein. Christoph Neumann von der AfD brachte ein Mietkauf-Modell ins Spiel. „Nach 30 Jahren in einer Wohnung geht diese in den Besitz der bisherigen Mieter über“, so sein Vorschlag. Marcus Viefeld und Sebastian Gemkow verwiesen auf die Selbstregulierungskräfte des Marktes: Wenn das Angebot steigt, werden die Preise sinken. „Bauen, bauen, bauen!“ müsse demnach das Credo sein.
Thema 3: Kosten der Unterkunft
VSWG-Verbandsrat Tobias Luft befand die aktuellen Richtlinien für die Kosten der Unterkunft (KdU) für nicht angemessen und erkundigte sich nach der Option einer zeitnahen Erhöhung. Tatsächlich soll diese bereits zum 1. Februar 2020 erfolgen, wie Burkhard Jung mitteilte. Das Stadtoberhaupt stellte ein Plus von mehreren Prozentpunkten in allen Segmenten in Aussicht. Die anderen Podiumsteilnehmer begrüßten die geplante Anhebung, die am Tag nach der Veranstaltung auch offiziell verkündet wurde, witterten bisweilen allerdings einen Schachzug zu Wahlkampfzwecken.
Thema 4: Neue Büroflächen
Joachim Reinhold, Vorstandsvorsitzender des Leipziger Fachkreises Gewerbeimmobilien, lenkte die Aufmerksamkeit auf den zunehmenden Flächenengpass im Bürosektor: „Wird das Problem gesehen und was soll dagegen unternommen werden?“ Laut Sebastian Gemkow brauche es in der Stadt eine Stelle, die freie Flächen für Investoren schneller identifiziert. Auch müsse das Umland stärker in die Überlegungen einbezogen werden. Sofern sich die Mobilität verbessere, könnten auch dort Gewerbe- und Büroimmobilien entstehen.
Burkhard Jung versicherte: „Das Thema ist spätestens seit 2017 virulent und steht derzeit weit oben auf der Tagesordnung.“ Christoph Neumann setzte sich dafür ein, vorhandene, brachliegende Objekte und Flächen stärker zu nutzen. Grünen-Kandidatin Katharina Krefft forderte eine aktivere Liegenschaftspolitik sowie mehr vertikale Nutzmischung, etwa im Hinblick auf Kitas oder Schwimmhallen.
Thema 5: Stadtplanungsamt und Baukultur
Inwiefern die vakante Position des Stadtplanungsamtsleiters langfristig besetzt werden kann, wollte Adrian Reutler, Vorsitzender der Kammergruppe Leipzig der Architektenkammer Sachsen, wissen. „Da stoßen Sie in eine Wunde“, erwiderte Burkhard Jung. Mit einer Entscheidung in dieser Personalie sei voraussichtlich erst im Sommer zu rechnen.
In Sachen Baukultur plädierte Marcus Viefeld dafür, auch mal neue, überraschende Konzepte zu entwickeln. Christoph Neumann nannte Wien als mögliches Vorbild. Österreichs Hauptstadt habe Straßenzüge, in denen jedes Haus ein Unikat darstelle – daraus bilde sich ein „wunderbares Gesamtensemble“. „Warum geht das nicht auch in Leipzig?“
Thema 6: Digitalisierung von Bauprozessen
Über den Stand der Digitalisierung im Rathaus wollte sich Dr. Mathias Reuschel informieren, in seiner Funktion als beratender Ingenieur der Ingenieurkammer Sachsen. Dass hier ein enormer Aufholbedarf besteht, darüber herrschte große Einigkeit im Podium. „Eine Lösung auf Fingerschnipp gibt es nicht“, sagte Sebastian Gemkow von der CDU. Der gebürtige Leipziger sprach von einem großen Prozess, „den man mit viel, viel Druck voranbringen muss“. „Da muss Kommando Chefsache drauf“, fügte Marcus Viefeld an.
Franziska Riekewald meinte: „Die Digitalisierung muss in diesem Jahrzehnt zum Abschluss kommen und nicht erst anfangen.“ Amtsinhaber Burkhard Jung beteuerte, dass das Thema kommen werde: „In zwei bis fünf Jahren werden wir die elektronische Einreichung von Bauunterlagen ermöglichen können.“
Thema 7: Situation am Wohnungsmarkt
Ob der Leipziger Wohnungsmarkt angespannt oder entspannt sei – dazu befragte Moderator Christian Hunziker die potenziellen Rathauschefs. „Der Markt ist grundsätzlich valide“, befand FDP-Mann Marcus Viefeld mit Nachdruck. Im bundesweiten Vergleich werde in Leipzig „auf hohem Niveau gejammert“. Und weiter: „Die Verhältnisse dürfen nicht zu einem großen Schreckgespenst hochstilisiert werden. Das wird der Situation in Leipzig nicht gerecht.“
Burkhard Jung negierte Probleme im Bestand, räumte jedoch Probleme im Erstbezug von Neubauwohnungen ein. Ein Instrument für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sei der Sozialwohnungsbau. Um die anvisierten 10.000 neuen Sozialwohnungen zu realisieren, müssten aber auch bewohnte Bestände durch Sanierung in Sozialwohnungen umgewandelt werden, so der SPD-Politiker.
Katharina Krefft und Franziska Riekewald sehen große Probleme bei Wohnungen für Familien und Senioren. „Die Leute haben Angst, dass sie aus ihren Vierteln verdrängt werden.“ Sebastian Gemkow trat dafür ein, die Eigeninitiative von Investoren stärker zu fördern. Menschen mit wenig Geld über ein Mietkauf-Modell zu Eigentum zu bringen, war der Ansatz von Christoph Neumann.