Am 7. Mai 2021 hat der Deutsche Bundestag in dritter Lesung das Baulandmobilisierungsgesetz verabschiedet. In seiner Analyse zeigt Rechtsanwalt Dr. Matthias Hellriegel Chancen und Risiken des Gesetzes auf und gibt einen Ausblick in die Zukunft.
Am 7. Mai 2021 hat der Deutsche Bundestag in dritter Lesung das Baulandmobilisierungsgesetz verabschiedet. Irritierend ist bereits der Titel, zeichnen sich doch Immobilien gerade durch ihre Unbeweglichkeit aus, was sich bei allem Glauben an den Rechtspositivismus auch nicht durch Gesetzesbefehl ändern lässt.
Aber auch zur Aktivierung von Bauland trägt das Gesetz wenig bei: Initiiert wurde es vor drei Jahren auf dem Wohnungsgipfel im Bundeskanzleramt, als sich die Spitzen aus Bund und Ländern mit den kommunalen Spitzenverbänden und den im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen engagierten Verbänden trafen, um den Wohnungsneubau zu stärken und bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Was als historisches Maßnahmenpaket verkündet wurde, endete als Mieterschutzgesetz. Dagegen ist natürlich erst mal nichts einzuwenden, doch zur Entlastung der angespannten Wohnungsmärkte in den Ballungsräumen wird es kaum beitragen.
Zu beobachten war geradezu lehrbuchmäßig ein Rückgang des Angebotes
Denn wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt und dementsprechend die Preise steigen oder gar explodieren, hilft keine staatliche Regulierung, wie das gescheiterte Experiment des Berliner Mietendeckels eindrucksvoll belegt hat. Zu beobachten war geradezu lehrbuchmäßig und entsprechend der Warnungen im Vorfeld ein Rückgang des Angebotes preisgebundenen Wohnraums bei gleichzeitigem Anstieg der Preise im nicht regulierten Markt sowie aufgrund der mit dem Gesetz einhergehenden Verunsicherung ein Rückgang an Investitionen im Bestand und in den Neubau.
Die Berliner Versuchsreihe endete bekanntlich mit einem Paukenschlag in Karlsruhe. Den demonstrierenden Massen, die in Berlin gar eine Sozialisierung von Wohnungsbeständen fordern, wollte die Bundesregierung im Superwahljahr 2021 nicht mit leeren Händen gegenübertreten. So wurde das lang umstrittene Baulandmobilisierungsgesetz auf einmal ganz schnell auf die Tagesordnung gesetzt, der mehrmonatige Zwist – vor allem um das sogenannte Umwandlungsverbot – zur Seite gelegt und das Gesetz im Bundestag verabschiedet: Doch wie verhält es sich nun mit dem Baulandmobilisierungsgesetz?
Chancen des Baulandmobilisierungsgesetzes
Deckung des Wohnbedarfes
Positiv hervorzuheben sind zunächst Maßnahmen zur Deckung des Wohnbedarfes: § 31 BauGB enthält Erleichterungen für Befreiungen von Bebauungsplänen und § 34 BauGB erweiterte Möglichkeiten für das Abweichen vom Gebot des Einfügens. Beides hilft, vor allem die erweiterten Befreiungsmöglichkeiten. Denn gerade in der Praxis drehen sich viele Diskussionen mit den Stadtplanungsämtern um die Frage, wie weit Befreiungen reichen können – insbesondere bei übergeleiteten Alt-Bebauungsplänen aus den 1950er und 1960er Jahren, denen ein völlig anderes stadtplanerisches Leitbild zugrunde liegt als das heutige Gebot der Nachverdichtung und Innenentwicklung.
Bei allem guten Willen ist dem gleichwohl entgegenzuhalten, dass regelmäßig weder Befreiungen noch das Einfügen am rechtlichen Können, sondern am politischen Wollen scheitern. Daran werden die neuen Regelungen nichts ändern, räumen sie – gesetzessystematisch korrekt – den Stadtplanungsämtern ein Ermessen ein und begründen keinen Anspruch für Bauherr:innen.
Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung
Weiterhin positiv zu vermelden ist, dass die in § 17 BauNVO für die Bauleitplanung enthaltenen Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung zu Orientierungswerten werden, was ein Abweichen von diesen Maßvorgaben erleichtern soll. Auch hier ist aber zu konstatieren, dass schon seit dem 2013 verabschiedeten Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts gilt, dass ein Abweichen aus städtebaulichen Gründen zulässig ist (eine starke Antwort des Gesetzgebers seinerzeit auf die rigide Rechtsprechung, vor allem des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in der sogenannten Spreedreieck-Entscheidung).
Ersatzgeld statt Ausgleichsmaßnahme
Ebenfalls positiv zu bewerten ist die Möglichkeit, dass künftig bei unvermeidbaren Eingriffen in Natur und Landschaft gemäß § 135d BauGB ein Ersatzgeld gezahlt werden kann, statt eine Ausgleichsmaßnahme durchführen zu müssen. Auch hier hält sich die Begeisterung aber in Grenzen, ist es doch schon heute zulässig, Ausgleichsmaßnahmen nicht nur im Plangebiet, sondern auch an anderer Stelle in der Gemeinde durchzuführen (oder durchführen zu lassen) und die Finanzierung in einem städtebaulichen Vertrag zu übernehmen.
Neue Gebietskategorie
Schließlich sieht das Baulandmobilisierungsgesetz eine Verlängerung der Möglichkeit der Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Bebauungsplanverfahren nach § 13b BauGB vor und schafft mit dem Dörflichen Wohngebiet eine neue Gebietskategorie. Der Aufschrei der Naturschutzverbände ist zu Recht groß: Die Nachhaltigkeitsstrategie der deutschen Bundesregierung hatte ursprünglich zum Ziel, die Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen.
Das war bekanntlich letztes Jahr, gleichwohl liegt die tägliche Flächenversieglung aktuell noch doppelt so hoch. So musste das 30 Hektar-Ziel auf 2030 verschoben werden. Wie die Überplanung von Außenbereichsflächen und das neue Dörfliche Wohngebiet dazu beitragen sollen sich diesem Ziel anzunähern, bleibt das Geheimnis des Bundesinnenministers aus Bayern, der zugleich das Bauressort verantwortet. Zur Entspannung der Wohnungsmärkte in den Ballungsräumen wird jedenfalls weder § 13b noch das Dörfliche Wohngebiet beitragen.
Risiken des Entwurfs
Viel Gutes haben wir also bislang nicht gefunden und besser wird es leider auch nicht: Das Baulandmobilisierungsgesetz begründet neue Vorkaufsrechte, verlängert die Frist zur Ausübung von Vorkaufsrechten von zwei auf drei Monate und erleichtert die Herabsetzung des vereinbarten Kaufpreises auf den Verkehrswert. Dies wird die seit rund fünf Jahren exponentiell gewachsene Vorkaufspraxis der Kommunen stärken. Nun mag man die Ausweitung des Bestandes gemeinwohlorientierter Wohnungsbestände begrüßen oder nicht. Kaufen statt bauen ist jedoch in jedem Fall teuer und wenig zielgerichtet, denn eine Bedarfsprüfung der zufällig in Folge der Transaktion begünstigten Mieter:innen findet natürlich nicht statt.
Gegen Landbanking und Spekulation
Ebenfalls ausgeweitet wird das Baugebot in § 176 BauGB. Hintergrund ist das Landbanking und die Spekulation auf weitere Bodenwertsteigerungen, die zu einem gewaltigen Bauüberhang führen und viele sich für eine Nachverdichtung anbietende Grundstücke brachliegen lassen. Statt eines neuen Regulierungsinstrumentes wäre aber auch hier der Marktansatz die richtige Lösung: Wird mehr Bauland ausgewiesen und die Verknappung aufgelöst, wird auch der Bodenspekulation die Grundlage entzogen. Anwohner:innen und Kommunen denken jedoch genau entgegengesetzt, fürchten den Zuzug und eine damit einhergehende Gentrifizierung. In diesem Sinne neue Stadtmauern zu errichten und die Anderen nicht mehr reinlassen, kann indes kaum die Lösung für die Zukunft unserer Städte sein.
Vorschrift zu Sozialwohnungsquote
Hinzu kommt das neue Rechtsinstrument des Sektoralen Bebauungsplans in § 9 Abs. 2d BauGB. Mit ihm wird die Möglichkeit geschaffen, auch in Baugebieten nach § 34 BauGB – also im unbeplanten Innenbereich, in dem Bauvorhaben zulässig sind, wenn sie sich in die Umgebung einfügen – Sozialwohnungsquoten vorzuschreiben. Bislang bestand diese Möglichkeit nur bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, wenn mit der Planung eine Qualifizierung des Baurechtes einhergeht. Haben die Bauherr:innen jedoch auch ohne den Bebauungsplan nach § 34 BauGB einen Anspruch auf die Baugenehmigung, verstößt die Forderung einer Gegenleistung gegen das Koppelungsverbot aus § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB.
Diese klare Rechtslage wird vielfach als ungerecht empfunden und Bauvorhaben werden medial an den Pranger gestellt, weil sie keine Sozialwohnungen enthalten. Dies durchbricht nun der neue § 9 Abs. 2d BauGB und wirft damit zugleich die Frage auf, wie der Eingriff kompensiert wird. Denkbar sind:
- Planschadensersatzansprüche, denen sich die Kommune indes nicht aussetzen wollen wird,
- eine Qualifizierung des Planungsrechtes, wie wir es aus den Kooperativen Baulandmodellen und der Sozialgerechten Bodennutzung kennen (beispielsweise in Form einer zusätzlichen Nachverdichtung oder Aufstockung) oder
- eine Kompensation durch Gewährung einer Wohnungsbauförderung (die indes in der aktuellen Niedrigzinsphase kaum geeignet ist, das Delta zwischen Kosten- und Sozialmiete zu schließen).
Projektentwickler:innen und Investor:innen werden jedenfalls mit dem spitzen Bleistift rechnen: Zu mehr Wohnraum führt dies im Zweifel nicht. In der Übergangszeit – bis zum Inkrafttreten des Gesetzes und der Aufstellung entsprechender sektoraler Bebauungspläne – ist Eigentümer:innen jedenfalls dringend zu raten, das aktuelle Baurecht für freifinanzierten Wohnraum schnell durch Vorbescheidsanträge zu sichern.
Aufteilung praktisch verboten - Das Umwandlungsverbot
Kommen wir zum Schlussstein des Baulandmobilisierungsgesetzes und zum zentralen Streitgegenstand der Novelle: dem Umwandlungsverbot. Künftig bedarf in angespannten Wohnungsmärkten die Aufteilung von (bestehenden) Mehrfamilienhäusern und die Begründung von Wohnungseigentum der Genehmigung (der Neubau ist somit nicht betroffen).
Nicht nur in Milieuschutzgebieten, sondern in allen durch Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmten Stadtteilen, wird damit die Aufteilung praktisch verboten. Die auf Drängen der SPD in das Baulandmobilisierungsgesetz aufgenommene Regelung gilt als die Antwort auf Wohnungsprivatisierung als Motor der Gentrifizierung. Denn nur die wenigsten der aufgeteilten Wohnungen werden von den darin bis zur Aufteilung lebenden Mieter:innen erworben.
Dabei stellt sich weniger die Zinsbelastung als Eintrittshürde dar als das fehlende Eigenkapital, vor allem zur Deckung der Kaufnebenkosten. Statt eine Aufteilung zu verbieten, wäre es hier durchaus sinnvoll gewesen, Mieter:innen beim Eigentumserwerb zu unterstützen, beispielsweise durch einen Verzicht auf die (seit 2006 verdoppelte) Grunderwerbsteuer.
In Berlin gebietet dies sogar die Verfassung in Art. 28: Danach soll das Land Berlin nicht nur die Schaffung und Erhaltung von angemessenem und bezahlbarem Wohnraum fördern, sondern auch die Bildung von Wohnungseigentum. Das wäre auch durchaus sinnvoll, stellt doch das Eigentum anerkanntermaßen die beste Altersvorsorge dar: Es schützt zugleich im Alter vor steigenden Wohnkosten und mahnt in der Jugend zum sparsamen Haushalten. Gentrifizierung beklagen, nach zusätzlicher Regulierung rufen und Enteignungen fordern, ist natürlich einfacher.
Bewertung und Ausblick des Baulandmobilisierungsgesetzes
Der Bundestag hat all dies beschlossen, nun muss der Bundesrat noch zustimmen. Die nächste Sitzung ist am 28. Mai 2021 und der Freistaat Bayern (sic!) hat bereits sein Veto angekündigt. Dessen ungeachtet ist von einer Mehrheit in der Länderkammer und somit vom baldigen Inkrafttreten der neuen Regelungen auszugehen. Spannender ist die Frage, ob die Gerichte die Kritik vor allem am Umwandlungsverbot aufgreifen und die Gesetzgebungskompetenz des Bundes verneinen.
Wenige Antworten auf Fragen unserer Zeit
Aus Sicht des Praktikers bleibt zu konstatieren, dass das Gesetz wenig enthält, um die soziale Frage unserer Zeit zu beantworten: Wie schaffen wir angemessenen Wohnraum zu leistbaren Konditionen für die breiten Schichten der Bevölkerung? Dafür benötigen wir kein wildes Sammelsurium neuer Instrumente, die eine Fülle neuer Rechtsfragen aufwerfen und sich eher als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Rechtsanwält:innen darstellen, als zur Lösung des Problems beizutragen. Der vorhandene Instrumentenbaukasten des Baugesetzbuches hat sich bewährt und ist ohne weiteres in der Lage, den Neubau massiv anzukurbeln. Die Gemeinden müssen nur davon Gebrauch machen und planen, was morgen gebaut werden soll.
So gehört es zu der besonderen Tragik des Gesetzentwurfes, wie die FAZ trefflich räsonierte, dass das einzige sinnvolle neue Instrument seinen Weg nicht in die Novelle geschafft hat: die Experimentierklausel zur Lösung von Zielkonflikten aus (heranrückender) Wohnbebauung und Immissionsschutz. Gewerbelärm wird nämlich im Gegensatz zum Verkehrslärm außen an Gebäuden und nicht innen gemessen, so dass ihm nicht mit passivem Lärmschutz begegnet werden kann. Der Laster auf dem Weg zum Betriebshof ist folglich Verkehr und darf laut sein, muss aber leise sein, sobald er das Betriebsgelände befährt.
Es ist der gleiche Laster und der Lärm hat sich auch nicht verändert, aber es gelten andere Maßstäbe: Hier anzuknüpfen und den innovativen Ansätzen aus Hamburg zu folgen, wäre sinnvoll gewesen und war ursprünglich auch vorgesehen. Wie so oft, konnten sich die Bauwilligen hier jedoch nicht gegen die Umweltschützer durchsetzen.
Baulandmobilisierungsgesetz bewirkt Gegenteil des eigentlichen Zweckes
Festzuhalten bleibt, dass das Baulandmobilisierungsgesetz im Ergebnis genau das Gegenteil des eigentlichen Zweckes bewirkt: Der sektorale Bebauungsplan wird den Wohnungsneubau in den Ballungsräumen abwürgen, das dörfliche Wohngebiet und die Möglichkeit der Überplanung von Außenbereichsflächen den Trend der Suburbanisierung stärken. Das ist weder sozial noch ökologisch, denn es befeuert die zusätzliche Versiegelung, steigert den Verkehr und schwächt die Zentren.
Nachverdichtung und Innenentwicklung sind weiterhin das Gebot der Stunde: Wollen wir mehr Wohnraum schaffen oder besser noch neue Quartiere mit einer Kombination aus Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, sozialen Einrichtungen, Kunst und Kultur mit lebendigen Stadtplätzen zur Begegnung, müssen Kommunen ihre Brachflächen überplanen. Gelungene Beispiele für erfolgreiche Flächenkonversion auf ehemaligen Eisenbahn-, Industrie- oder Hafenflächen gibt es genug.
Innovativen Planern fällt hier mehr ein als Grün- und Freizeitflächen, wie am Tempelhofer Feld. Es gibt genug Platz und Ideen für die Städte der Zukunft: ökologisch, sozial, nachhaltig und durchmischt. Wenn man denn will.
Aufmachermontage: Rechtsanwalt Dr. Mathias Hellriegel nimmt den Berliner Immobilienmarkt ins Visier. Copyright: (Portrait) HELLRIEGEL RECHTSANWÄLTE; (Baubild) Peter H auf Pixabay