Die historische Leipziger Nobelherberge Astoria soll saniert und neu eröffnet werden. Doch immer wieder geraten die Sanierungsbemühungen ins Stocken. DAS ist der aktuelle Stand der Bauarbeiten an dem Prestigeprojekt, die aktuell erneut nur sehr langsam vorankommen. Grund dafür: Neue Planungen für das Hotel.
Artikel vom Juni 2020: Traurig, aber wahr: Die planmäßige Fertigstellung des Grandhotels Astoria in Leipzig Ende 2020 ist nicht mehr einzuhalten. Nach einem kurzzeitigen Baustopp im Juli letzten Jahres wegen mangelhafter Baustellenabsicherung, droht nun längerer Stillstand. Grund ist ein Widerspruch des Eigentümers des benachbarten Best Western Hotels, der Hotel zum Löwen GmbH, gegen die Baugenehmigung.
Stress mit dem Nachbarn
Der Astoria-Nachbar hatte schon 2018 Widerspruch gegen die im Juli selbigen Jahres erteilte Baugenehmigung eingereicht. Diese weise laut Klaus Füßer, dem Anwalt der Hotel zum Löwen GmbH, gröbste Mängel auf. So ginge etwa das Schallschutzgutachten von zu wenig Betten aus. Deren tatsächliche Zahl würde sich nicht auf die veranschlagten 250 belaufen, sondern vielmehr auf das Doppelte, da die geplanten 250 Zimmer für je zwei Personen gedacht seien.
Auch seien die anberaumten 26 Lieferverkehre pro Woche zu knapp bemessen, die mehr oder weniger direkt vor dem Best Western abgewickelt würden. Die Planung berücksichtige dabei nicht die umfangreichen Kongress- und Veranstaltungsräume, die entstehen sollen: Ein 800 Quadratmeter großer Bankettbereich für bis zu 1.000 Personen im Hof des Hotels sowie fünf Ballsäle und sechs Konferenzräume im Bestandsgebäude. Weitere Streitpunkte sind zudem die Andienung der Tiefgarage mit 60 Stellplätzen, die Müllentsorgung sowie die Abstandsflächen, welche allesamt nicht normgerecht seien.
Bauarbeiten am Grandhotel Astoria in Leipzig zunächst fortgesetzt
Der Widerspruch wurde damals vom Leipziger Baudezernat abgelehnt, weshalb die Hotel zum Löwen GmbH beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Stadt Leipzig einreichte. Derweilen hatte das Unternehmen zusätzlich eine Verfügung beantragt, wonach der Baustopp so lange bestehen sollte, bis in der Hauptsache entschieden sei. Zur Freude des Astoria-Eigentümers, der VIVION Investment GmbH, durften allerdings, nach einer erneuten Ortsbesichtigung durch das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege am 6. August, die Bauarbeiten vorerst fortgesetzt werden. Der Bauherr habe, so das Amt, die geforderte Sicherheitskonzeption vorgelegt und umgesetzt, so dass nun von einer sicheren Betreibung der Baustelle ausgegangen werden könne.
Neuer Baustopp: Eröffnung 2020 nicht mehr einzuhalten
Update vom 01. Oktober 2020: Jetzt der große Schock: Zwar entschied das Leipziger Verwaltungsgericht am 30. September, dass der Widerspruch des Nachbarn keine aufschiebende Wirkung entfalte. Diese Entscheidung kippte inzwischen jedoch das Oberverwaltungsgericht in Bautzen, und zwar unanfechtbar. "Bauplanungsrechtlich ist das genehmigte Vorhaben aller Voraussicht nach unzulässig," urteilte das OVG. "Es erscheint aufgrund der mit der Baugenehmigung (...) genehmigten Betriebsabläufe und der dabei entstehenden Emissionen nicht gewährleistet, dass an den Außenwänden des benachbarten Hotels die Immissionswerte von 60 Dezibel tags eingehalten werden können." Ein Änderungsbauantrag des Bauherrn liegt bereits seit einigen Wochen vor. Nun muss die Stadt Leipzig darüber entscheiden, ob dieser den Widerspruch der Hotel zum Löwen GmbH ausräumen kann.
Das Astoria wird seit Juli 2018 nach Plänen des Berliner Architekturbüros wolff:architekten revitalisiert. Bis Juli 2019 war das Hauptgebäude noch komplett entkernt und die Anbauten im Hof abgerissen worden. Mittlerweile waren die Rohbauarbeiten in vollem Gange. Neben den bereits erwähnten Räumlichkeiten soll das Grandhotel einen Spa- und Wellnessbereich im Erdgeschoss sowie eine Rooftop-Bar erhalten. Eigentlich war die Wiedereröffnung des Astoria als Vier-Sterne-Superior für Ende 2020 vorgesehen. Angesichts der neuerlichen Verzögerungen strebt der Eigentümer nun jedoch eine Fertigstellung im Laufe des nächsten Jahres an.
Hängepartie um das Leipziger Astoria geht weiter
Update vom 11.12.2020: Der Investor Vivion geht nicht davon aus, dass die Arbeiten am Astoria noch in diesem Winter wieder aufgenommen werden können. Dementsprechend wurde die Baustelle / das Gebäude in enger Abstimmung mit der Stadt in einen wetterfesten Zustand versetzt. Ein neuer Termin für eine etwaige Fertigstellung des Projektes konnte der Investor nicht benennen. Die im Juni 2020 für das Projekt erteilte Baugenehmigung gilt bis Sommer 2023.
Arbeiten am Hotel Astoria werden nach zwei Jahren wieder aufgenommen
Update vom 18. Juli 2022: Nach knapp zwei Jahren Baustillstand am Hotel Astoria hat die Stadt jetzt die erneute Baubeginnanzeige des Investors zum 1. August erhalten. Die bestehende Baugenehmigung aus dem Jahr 2020 sieht vor, das ehemalige Grandhotel zu sanieren und umzubauen, um vor Ort wieder den Hotelbetrieb aufnehmen zu können. Da diese prinzipielle Erlaubnis, den Bau durchzuführen, drei Jahre lang gültig ist, können die Arbeiten nun wiederaufgenommen werden. Dies muss vom Bauherren mindestens eine Woche vorab angezeigt werden.
Kathrin Rödiger, Leiterin des Amtes für Bauordnung und Denkmalpflege, sagt: „Es ist schön, dass es an diesem so neuralgischen Punkt in der Stadt nun weitergeht. Wir befinden uns kontinuierlich in guten Gesprächen mit dem Investor und hoffen, dass das Projekt nun zügig umgesetzt werden kann. Die Leipzigerinnen und Leipziger wünschen sich, dass ins Astoria wieder Leben einzieht.“
Galerie: Der aktuelle Stand am Hotel Astoria
Fassadeninstandsetzung und Betonsanierung
Update vom 24. November 2022: Das denkmalgeschützten Gebäude befindet sich noch im Rohbauzustand, die Fassade wird abgestützt. Derzeit sind am Astoria Fassadeninstandsetzungen im Bestand am Gange und die Betonsanierung läuft. Agiert werde auf Basis „der bisherigen Baugenehmigung“ , heißt es in einem Artikel aus der „LVZ“. Die aktuellen Planungen sehen demnach vor, dass im Dezember weitere Rohbauarbeiten durchgeführt und die Arbeiten an der Fassade voraussichtlich Mitte 2023 beendet werden. Die Gesamtfertigstellung ist für Ende 2025 geplant. Wie aus dem bislang bekannten Konzept hervorgeht, wird das Astoria nach der Sanierung als Vier-Sterne-Plus-Hotel über 250 Zimmer und Suiten mit 500 Betten sowie ein öffentliches Restaurant verfügen. Im Erd- und Dachgeschoss ist je eine Bar vorgesehen, im ersten Untergeschoss ein Spa-Bereich.
Neue Pläne und Arbeiten am Grandhotel Astoria stocken noch immer
Update vom 09.01.2024: Was man vor Ort selbst schnell bemerkt, konnte die LVZ im Dezember 2023 bestätigen: Die Arbeiten am Grandhotel Astoria gehen nur sehr langsam voran. Gewichtiger Grund seien Entwicklungen, wonach Eigentümer Vivion nach dem Auslaufen der aktuellen Baugenehmigung im Sommer 2023 seine Pläne für die Immobilie deutlich angepasst habe. Vorgesehen sei nun eine Kombination aus Hotel- (120 Zimmer) und Apartmentbereich (78 Einheiten), ein Tagungsbereich mit 100 Plätzen, ein Restaurant sowie ein Café. Eine deutliche Veränderung zum ursprünglich geplanten Vorhaben mit 250 Hotelzimmern, einem Restaurant, einem Freisitz, zwei Bars, einem Spa, einem Kongresszentrum (mit bis zu 1.000 Plätzen) und einer Tiefgarage.
Die Hotelzimmer im 4-Sterne-Segment seien im Gebäude direkt gegenüber dem Leipziger Hauptbahnhof vorgesehen, in den Gebäudeteilen am Ring und in der Gerberstraße sollen die Serviced Apartments entstehen. Dafür musste sich Vivion eine (die inzwischen dritte!) Baugenehmigung einholen, die am 6. Juli 2023 erteilt wurde. Gegen diese Baugenehmigung hat wie schon 2020 ein Nachbar (der Eigentümer des von Best Western gemieteten Hotels) Widerspruch eingelegt.
Eine Nachfrage der LVZ bei der Stadt förderte zumindest die Erkenntnis zutage, dass die Betonsanierungsarbeiten nach wie vor laufen würden und die Instandsetzung der denkmalgeschützten Fassade des Gebäudeteils direkt gegenüber dem Hauptbahnhof im April 2024 abgeschlossen werde. Derweil sei zwischen den Streitparteien laut dem Leipziger Bauordnungsamt keine Einigung absehbar. Diese ungewisse Gemengelage erweist sich für jeden Passanten als offen erkennbares Hemmnis. Die zuletzt anvisierte Fertigstellung im Jahr 2025 dürfte angesichts des aktuellen Standes kaum zu halten sein.
Das Leipziger Astoria: eine bewegte Geschichte
1915 eröffnet, sah das Grandhotel Astoria in Leipzig zwei Weltkriege, wurde teilweise zerstört, wiederaufgebaut, umgebaut und renoviert, erweitert und modernisiert, doch bei allem Wandel blieb eins stets gleich: sein Status als Glanzstück der Leipziger Hotellerie und Gastronomie. Bis zum Ende der DDR wurden hier noch Staatsgäste und wichtige ausländische Devisenbringer untergebracht. Eine Insel der (reichen und mächtigen) Glückseligen mitten im sozialistischen Ostdeutschland. Dann kam die Wende und mit ihr, nach kurzem Besucherboom, der schnelle Fall. Der Privatisierung 1990 folgte zwei Jahre später die Übernahme durch die Maritim Hotelgesellschaft und, nach vier weiteren Betriebsjahren, 1996 die Schließung des nicht länger zeitgemäßen Hotels. Plötzlich ein Stück desolater Leerstand in bester Lage, blieb das einst so schillernde Gasthaus nun für fast 20 Jahre eine links liegengelassene Liegenschaft. Bis die VIVION Investment GmbH – damals noch Intown Property Management – das nunmehr gut hundertjährige Gebäude im Mai 2016 erwarb und zwei Jahre später dessen Revitalisierung in die Wege leitete.