Rund zwei Prozent Anstieg der Mieten, bei mehr als sieben Prozent Inflation und rund 17 Prozent Kostensteigerung beim Bauen: Maren Kern, Vorständin vom BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, stellte in der Jahrespressekonferenz ihres Verbandes die Analyse der aktuellen Zahlen und die Prognose der Berliner Mitgliedsunternehmen vor.
Was den einen freut, ist des anderen Leid. Bei den Mitgliedsunternehmen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) ist im Analysezeitraum (2021 bis 2022) die durchschnittliche Nettokaltmiete lediglich um zwei Prozent von 6,41 Euro auf 6,54 Euro pro Quadratmeter gestiegen und liegt damit weiterhin niedriger als der Durchschnittswert, den der im Juni 2023 veröffentlichte einfache Berliner Mietspiegel ausweist. Dort sind es 7,16 Euro.
Von dieser niedrigen Miete profitieren rund zwei Millionen Berliner, die in den circa 750.000 Wohnungen der BBU-Unternehmen wohnen. Deren Bestand umfasst rund 45 Prozent des gesamten Berliner Marktes. Die BBU-Vorständin Maren Kern wies auf der Jahrespressekonferenz 2023 ausdrücklich auf die Kehrseite hin: Die Mitgliedsunternehmen haben erstmals seit 16 ihre Investitionen deutlich reduziert – insgesamt um fast zehn Prozent.
Investitionen in Neubau und Bestand sinken dramatisch
Denn den niedrigen Mieten stehen rasant gestiegene Kosten gegenüber. Die allgemeine Inflation ist in diesem Zeitraum um 7,1 Prozent nach oben geschnellt. Die Baupreise für Neubau haben um 16,5 Prozent zugelegt, für Instandhaltung sogar um 16,9 Prozent. Sie sind damit drei beziehungsweise acht Mal so hoch wie der Mietenanstieg. Die Mieteinnahmen sind damit real gesunken. Hinzu kommen die gestiegenen Zinsen, die von einem Prozent auf 3,89 Prozent gestiegen sind – und die die Finanzierungskosten damit erheblich verteuern.
Wurden 2021 noch 2,887 Milliarden Euro investiert, waren es 2022 nur noch 2,6 Milliarden Euro. Es floss mehr Geld in die Instandhaltung: plus 6,1 Prozent. Aber der Rückgang bei den Investitionen im Neubau von 14 Prozent und bei der Modernisierung von 18,8 Prozent ist eklatant. Da auch die Kaufkraft sinkt, nimmt der Umfang dessen ab, was mit den Investitionssummen realisiert werden kann. „Und dieser Trend wird sich fortsetzen“, erklärte Maren Kern. „Der Wohnungswirtschaft geht die Puste aus.“ Damit wird auch die Neubaukrise real.
Positiv immerhin sind die Fertigstellungen im Neubau: 2022 wurden von den Mitgliedsunternehmen rund 7.172 Wohnungen fertig. 2023 soll die Zahl mit 7.152 noch einmal in gleicher Größenordnung liegen. Für 2024 sind dagegen nur noch 5.224 neue Wohnungen im Plan. Und dies sei keine vorrübergehende Delle, sagt Maren Kern. „Das wird der Trend.“ Aufgrund der gesunkenen Baugenehmigungen und gestiegenen Kosten bei niedrigen Mieten ist für die Zukunft mit weniger Neubau zu rechnen. Demgegenüber steht nicht nur der gestiegene Bedarf an Neubau. Auch die Herausforderungen durch den Klimaumbau und die Anforderungen des kommenden Gebäudeenergiegesetzes fordern höhere Investitionen.
Im Vergleich: Berlin für Mieter nach wie vor billig
Nicht von ungefähr zog Maren Kern deshalb auch den Vergleich zu anderen Metropolen. Die ortsübliche Vergleichsmiete in Hamburg liegt mit 9,29 Euro rund 37 Prozent höher. Das Bruttoentgelt sozialversicherungspflichtiger Vollbeschäftigter lag dagegen in der Hansestadt nur neun Prozent höher als in Berlin. Das Wohnen in München ist mit durchschnittlich 14,58 Euro pro Quadratmeter sogar doppelt so teuer wie in Berlin, Mieter zahlen also durchschnittlich rund 104 Prozent mehr. Das Bruttoentgelt liegt in München dagegen nur 29 Prozent höher als in Berlin.
Das zeigt, dass Berlin nach wie vor für Mieter billig ist, vor allem im Vergleich zum Einkommen. Trotz allem darf es bei den landeseigenen Mitgliedsunternehmen bis Ende 2023 keine Mieterhöhungen geben. Das Beharren auf stadtweiter und einkommensunabhängiger Billigmiete verschärft die Unwucht bei den Unternehmen und geht damit zu Lasten nicht nur des Neubaus, sondern auch der Substanz.
Die begleitende Umfrage bei den Mitgliedsunternehmen hat ergeben, dass für sie die größten Herausforderungen der nächsten Jahre die energetischen Auflagen sowie die EU-Renovierungswelle sein werden. Das Ziel: energetische Sanierung des Bestandes bis 2030 zu verdoppeln. Rund 95 Prozent der BBU-Mitglieder gaben an, bereits in die energetische Sanierung des Bestandes investiert zu haben oder dies zu tun. Auch planen 80 Prozent die Umstellung der Wärmeversorgung und die Nutzung erneuerbarer Energien im Bestand. In etwa so hoch ist auch der Anteil der Unternehmen, die eine Fassadenbegrünung durchgeführt oder ins Auge gefasst haben.
82 Prozent der BBU-Unternehmen rechnen mit weniger sozialem Zusammenhalt
Etwa 40 Prozent der BBU-Mitglieder erwarten für die nächsten zehn Jahre eine wachsende Nachfrage nach Wohnraum, insbesondere nach großen Wohnungen. Mit Blick auf die sinkenden Neubauzahlen ist das ein fatales Signal. Zudem rechnen nur vier Prozent mit einem Wirtschaftswachstum, rund 67 Prozent dagegen mit einem Sinken des sozialen Zusammenhalts. Rund 82 Prozent der BBU-Unternehmen steuern mit Nachbarschaftsprojekten dagegen, auch kulturelle Initiativen, Umweltschutz- und Integrationsprojekte werden gefördert.
Die Wünsche in Sachen Wohnungspolitik sind bereits oft wiederholt: Ganz oben steht der Wunsch nach Verlässlichkeit wohnungspolitischer Entscheidungen in Berlin, aber auch im Bund. Gleich danach folgt die Forderung nach einer Beschleunigung der Baugenehmigungsverfahren: Der BBU setzt sich daher für die Genehmigungsfiktion ein. Groß ist auch der Wunsch nach Verständnis für die Notwendigkeit wirtschaftlichen Handelns in der Wohnungswirtschaft. Billige Mieten und mehr Neubau mit mehr Anforderungen sowie mehr Vorgaben für den Bestand, das schließt sich am Ende aus. Mehr Neubau könne es unter dem gegebenen Bedingungen nur durch massive Förderungen für Neubau und Modernsierung durch Land und Bund geben.
Wichtig sei aber auch, mehr Akzeptanz für Neubau und das gegenseitige Vertrauen wiederzugewinnen. Maren Kern betonte daher mit Blick auf ein mögliches Vergesellschaftungsrahmengesetz: „Es wird weiterhin, wenn es denn kommen wird, Investitionen in diese Stadt auch als Industriestandort verhindern.“