Der Bund würde das Projekt mit 15 Millionen Euro fördern. Aber in der Stadtkasse klaffen gewaltige Löcher. Deshalb gibt es reichlich Diskussionen.
Es ist zum Mäusepiepen: Da träumt Dresden seit Jahrzehnten von einem zusätzlichen Konzertsaal, weil es besonders an Räumlichkeiten für Kammerkonzerte und Proben fehlt. Immer wieder ist dafür das Königsufer auf der Neustädter Seite im Gespräch. Aber immer fehlte es am Geld, anderes schien wichtiger.
Plötzlich öffnet sich wieder eine Tür: Ende September wurde bekannt, dass der Bund mit 15 Millionen Euro aus dem Förderprogramm „Kulturinvest“ eine „Wagner-Akademie“ in Dresden unterstützt. Für das internationale Kompetenzzentrum für romantische Orchester- und Opernpraxis des 19. Jahrhunderts ist ein Neubau samt einem Konzertsaal für 600 Zuschauer geplant. Weiterhin sollen ein Orchester- und ein Chorprobensaal entstehen, außerdem Workshop-, Archiv- und Seminarräume.
Initiator Jan Vogler, Intendant der Dresdner Musikfestspiele, sieht darin eine große Wertschätzung für Dresden als Musik-, Kultur- und Kunststadt. Das geplante Wagner-Zentrum könne Anregung für Musiker und Musikwissenschaftler in der ganzen Welt geben, argumentiert Vogler und hofft, mit der Akademie in Sachen romantischer Musik auch weltweit führend sein zu können. Auch beim Publikum sei gerade die Epoche der Romantik sehr beliebt.
Er kann sich einen Baubeginn in zwei Jahren vorstellen. Dann könnte das Projekt 2029 schlüsselfertig übergeben werden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Dresden Oberbürgermeister Dirk Hilbert waren einbezogen und freuten sich über die Entscheidung des Bundes.
Allerdings reichen die in Aussicht gestellten 15 Millionen Euro bei weitem nicht für das Bauprojekt aus. Der Freistaat habe bereits Fördermittel zugesichert, aber die Entscheidung trifft der Dresdner Stadtrat. Dort fühlen sich zahlreiche Räte überrumpelt und reagierten mit Unverständnis und Protest: Über das Projekt und die Bewerbung seinen weder Bau- noch Kulturausschuss informiert worden. Es geht bei der Kritik jedoch um mehr als die missachtete Rolle des Souveräns.
Die finanzielle Lage in der Stadt ist angespannt wie seit Jahrzehnten nicht. Sozialausgaben steigen enorm, bedingt durch die wirtschaftliche Krise fehlen zudem Steuereinnahmen. Um gegenzusteuern, hatte der Oberbürgermeister eine „Liste der Grausamkeiten“ mit höheren Kita- und Parkgebühren, drastischen Kürzungen bei städtischen Kultureinrichtungen, Schließung von Bädern und Verzicht auf Bauprojekte vorgelegt. Und dann ist auch noch die Carolabrücke eingestürzt. Nach ersten Schätzungen werden mindestens 100 Millionen Euro für den Wiederaufbau benötigt. Hinzu kommen hohe Kosten für den Abbruch der eingestürzten Brückenteile und für erforderliche Umleitungen des öffentlichen Nahverkehrs.
Wenn das nicht schon alles genug wäre, gibt es auch Streit über den Standort. Für das Neustädter Ufer, vom dem man einen grandiosen Blick auf die historische Altstadt von Dresden hat, gab es seit 2016 verschiedene Wettbewerbe mit großer Bürgerbeteiligung. Der Stadtrat hat dazu bereits seit Jahren richtungsweisende Beschlüsse gefasst. Jetzt sind die städtebaulichen Planungen für das Königsufer abgeschlossen. Vorgesehen ist eine kleinteilige Bebauung.
Dafür hat unter anderen die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) gekämpft. Bei ihrer Veranstaltung im Mai dieses Jahres zum Thema „Wie weiter bauen in Dresden?“ nahmen der Neustädter Markt und das Königsufer einen bedeutenden Raum ein. Damals sorgte eine Aussage der Bündnisgrünen-Stadträtin Susanne Krause für Aufmerksamkeit. Sie hatte angeregt, dass auf dem städtischen Grundstück an der Ecke von Augustusbrücke und Köpckestraße statt der vorgesehenen Mischung aus Büros, Geschäften, Praxen und Wohnungen auch eine öffentliche kulturelle Nutzung in Betracht gezogen werden sollte. In jenem Forum haben die Vertreter der Stadtratsfraktionen darüber kontrovers diskutiert. Der exponierte Standort verlange geradezu eine öffentliche Nutzung, aber es fehlten ohnehin die erforderlichen Finanzen.
Die Neumarkt-Gesellschaft hat sich seinerzeit intensiv für eine kleinteilige Bebauung eingesetzt. „Nachdem die Stadt mit der Stadtgesellschaft dort bereits sehr viel Kraft und finanzielle Mittel investiert hat, ist es kaum vorstellbar, dass dieses Paket wieder aufgeschnürt werden soll“, sagt nun GHND-Vorstand Torsten Kulke. Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden begrüße grundsätzlich die Initiative von Jan Vogler und der Dresdner Musikfestspiele für eine Richard-Wagner-Akademie, die sich der wichtigen Zeitepoche der Romantik in Dresden widmet und Dresden als Ort der Romantik international stärker verortet. Als Vorsitzender des im Sommer 2023 gegründeten Vereins Dresdner Romantik e. V. unterstützt Torsten Kulke grundsätzlich dieses Anliegen.
Aber nach Einschätzung der GHND sei es jedoch nicht möglich, die geplante Akademie samt Kammermusiksaal mit 600 Plätzen auf den städtischen Grundstücken unterzubringen. Außerdem gehe sie davon aus, dass diese Investition zwischen 80 und 100 Millionen Euro kosten werde. Kulke schlägt nun vor, dass ein Bau der Akademie auf den noch freien Grundstücken im Kraftwerk Mitte besser aufgehoben wäre, da sich dort Synergien mit der Staatsoperette Dresden und der Hochschule für Musik ergeben könnten.
Für den Standort Königsufer sieht die GHND weiterhin eine kleinteiligere Nutzung vor. Dies könnte das vom Dresdner Romantik e. V. vorgeschlagene "Haus der Musik" sein, eine Unterbringung und Mitnutzung der Akademie der Künste und weiterer Nutzungen, welche auch auf der von der Dresdner Stadtplanung durchgeführten Ideenwerkstatt Königsufer ausgesprochen worden sind.
Nun liegt der Ball beim Dresdner Stadtrat. Vor diesem steht angesichts der aktuellen Haushaltslage eine Diskussion um Prioritäten. In einem Interview hatte Jan Vogler darauf verwiesen, dass die Musikfestspiele eine Eigenfinanzierung von 80 Prozent haben: „Mein Ziel ist nicht, von der Stadt mehr, sondern weniger Geld zu fordern!“ Auch die laufenden Betriebskosten des neuen Konzerthauses von immerhin einer halben Million pro Jahr glaubt das Team der Musikfestspiele selbst aufbringen zu können.
Sollte der Stadtrat dem Projekt Wagner-Akademie zustimmen, muss es für das Königsufer neue Planungen geben. Aber auch dazu gab es in der Vergangenheit schon Beispiele. So hatte die Architektin Ines Miersch-Süß vor zwei Jahren bei einem von ihr organisierten Stadtgespräch im Lingnerschloss eine „Agora Königsufer“ ins Spiel gebracht.