Laut immowelt sind die Mieten der inserierten Berliner Wohnungen stärker gestiegen als in anderen Metropolen. Wir klären, ob dem wirklich so ist. Zumindest belegen die Zahlen das dauerhafte Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage sowie eine deutliche Ausweichbewegung, die durch Marktregulierung verursacht wird.
Auf dem Berliner Wohnungsmarkt läuft es nicht rund. Die neue Analyse des Portals immowelt zeigt das einmal mehr. Lag die durchschnittliche Angebotsmiete im November vergangenen Jahres bei 9,86 Euro pro Quadratmeter, betrug der Durchschnittswert Ende Februar 12,55 Euro. Das ist ein Plus von 27 Prozent in drei Monaten. Berlin ist damit laut Angaben des Portals auf den Teuer-Platz zwei nach München aufgerückt. Der LINKEN-Politiker Niklas Schenker, Mietensprecher seiner Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, nahm diese Zahlen umgehend zum Anlass, um eine alte Forderung zu wiederholen:
„Wann macht der Bund endlich den Weg für einen Mietendeckel frei, um diesen Wahnsinn zu beenden?“
Möblierte Wohnungen verzerren das Mietbild in Berlin
Immobilienprofis wissen, dass das Bild in vielerlei Hinsicht falsch ist. Diese Werte spiegeln ein verzerrtes Bild der Realität und würden bedeuten, dass Vermieter auf breiter Front gegen die Mietpreisbremse verstoßen: Deren Anwendbarkeit ist in Berlin wegen des Fehlens eines qualifizierten Mietspiegels umstritten. Bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass sich ein Großteil der Angebote, aus denen diese immowelt-Durchschnittsmieten gebildet werden, aus Mieten für möblierte Wohnungen und Neubaumieten zusammensetzen sowie aus Angeboten für Tauschwohnungen, bei denen Mieter ihre Wohnungen an andere Mieter weitergeben.
Eine aktuelle Auswertung des Portals ImmoScout24 beweist, dass der Anteil möblierter Wohnungen unter den Inseraten in den vergangenen fünf Jahren bundesweit um 13 Prozent zugenommen hat. In Berlin lag der Anteil von möblierten Wohnungen sogar bei 51 Prozent. Das heißt, es werden in der Hauptstadt mehr möblierte Wohnungen als unmöblierte Wohnungen über das Portal angeboten.
Preisgünstige Bestandswohnungen kaum noch auf den Portalen
Diese Wohnungen unterliegen nicht der Mietpreisbremse und belegen damit eine klassische Ausweichbewegung, die durch die Regulierung des Marktes verursacht wird. So wartet beispielsweise auf immowelt ein vollmöbliertes Zwei-Zimmer-Apartment im hippen Berlin-Friedrichshain mit 55 Quadratmetern für 2.280 Euro Warmmiete auf einen Mieter. Preisgünstige Bestandswohnungen werden kaum noch inseriert. Die landeseigenen Wohnungsunternehmen, die Genossenschaften und privaten Vermieter haben ihre eigenen Wartelisten. Oft werden Wohnungen vom Vor- an einen Nachmieter vermittelt. Diese Mieten fließen damit nicht in die Bildung der Portaldurchschnittsmiete ein.
Gerade erst hat der Verband Berlin Brandenburger Wohnungsunternehmen BBU seinen Marktmonitor vorgelegt – mit ganz anderen Ergebnissen. Dafür wurden 672.000 Bestandsverträge und 37.000 Neuvertragsabschlüsse der Mitgliedsunternehmen analysiert, zu denen neben den landeseigenen Wohnungsunternehmen auch Vonovia gehört. Die Realmieten in Berlin waren zum Stichtag 30. Juni 2022 um gerade mal 2,4 Prozent gestiegen, die Neubaumieten um 3,8 Prozent. Die BBU-Vorständin Maren Kern hatte bei der Präsentation ausdrücklich betont, dass es sich bei dem zugrundeliegenden Zahlenmaterial um reale Werte handelt und nicht um Portalmieten. Sie spiegeln eine Steigerung wider, die unterhalb der Inflation und der Baukostenteuerung liegen.
Konzepte für ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage erforderlich
Was die Analyse von immowelt allerdings deutlich zeigt: Wer eine Wohnung in Berlin sucht, hat es schwer über Portale eine preisgünstige Wohnung zu finden. Als Gründe für die Preisexplosion auf dem Portal nennen die immowelt-Analysten eine hohe Nachfrage durch viel Zuzug und Ukraine-Flüchtlinge sowie den lahmenden Neubau und einen Nachholeffekt des Mietendeckels. Felix Kusch, Country Managing Director bei immowelt, betonte: „Für eine europäische Hauptstadt ist Berlin zwar nach wie vor günstig, aber es braucht dringend kompetente Konzepte, um langfristig das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wieder ins Lot zu bringen.“
Für Betriebswirtschaftler und Immobilienmarktkenner wie Roland Slabke, CEO von Hypoport, ist die Wohnkrise durch Politikversagen und Marktregulierung hausgemacht. „Die schlechte Wohnungspolitik des rotgrünen Senats bekommt ein heftiges Feedback des Marktes“, erklärte er. Seine Forderung lautet daher, weniger statt noch mehr Regulierung. „Entfesseln wir den Mietmarkt.“ Lars F. Lindemann, ehemaliger stellvertretender Landesvorsitzender der Berliner FDP und derzeit Bundestagsabgeordneter, kommentierte die Daten von immowelt auf Twitter: „Wir brauchen in Berlin eine mietensenkende Neubau-Offensive, um uns günstige Mieten endlich selber zu bauen.“