Berlin: Mietspiegel der Hauptstadt wird hart kritisiert

Berlin: Mietspiegel der Hauptstadt wird hart kritisiert

Berlin: Mietspiegel der Hauptstadt wird hart kritisiert
Wohnhäuser in der Mehrower Allee in Berlin-Marzahn. Quelle: Mara Kaemmel.

Der Berliner Senat hat den Mietspiegel aus dem Jahr 2017 „nur fortgeschrieben“, sind sich Experten einig. Auch hier werden weitere Gerichtsverfahren erwartet.

Agentur

Der Mietspiegel war in Berlin viele Jahre ein anerkanntes Mittel, um Streit über die Miethöhe zu klären. Doch dieses Mal ist einiges anders. Der neue Mietspiegel wurde nicht auf einer Pressekonferenz, sondern per Pressemitteilung veröffentlicht. Kritische Fragen deshalb nicht möglich. Und die gibt es reichlich. Denn das Zahlenwerk weist lediglich eine Steigerung der Mieten um 1,1 Prozent aus – und eine Durchschnittsmiete von 6,79 Euro. Sebastian Scheel, Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, ließ verlauten: „Das Land nutzt durch die Veröffentlichung eines qualifizierten Mietspiegels konsequent den im Bundesrecht bestehenden Spielraum, um Mieterhöhungsmöglichkeiten zu begrenzen.“

Nicht qualifiziert: Basis sind alte Daten

Damit ist klar, es geht nicht um den Ausgleich der Interessen zwischen Mieter und Vermieter, sondern um eine Regulierung der Mieten, die mit dem gescheiterten Mietendeckel-Gesetz nicht möglich war. Anders als behauptet, ist dies nach Meinung von Experten kein qualifizierter Mietspiegel. Denn dafür müssen alle vier Jahre neue Daten erhoben werden.

Bereits 2019 war das Dokument lediglich mit Hilfe von Stichproben fortgeschrieben worden. Zudem dürfen staatlich regulierte Mieten nicht in das Zahlenwerk einfließen. Die konnten in den vergangenen anderthalb Jahren nicht erhoben werden, weil in Berlin die Mieten gedeckelt waren und zum Teil auch gesenkt werden mussten. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat die Mieten daher aus dem Mietspiegel 2019 auf Basis des Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes fortgeschrieben.

Die Mieter- und Vermieterverbände haben sich an der Erstellung des Mietspiegels beteiligt; die Vermieterverbände erkennen ihn jedoch nicht als qualifiziert an. Auf Anfrage des RBB erklärte Carsten Brückner, Vorsitzender des Eigentümerverbandes Haus & Grund, er sehe die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben, den indexbasierten Mietspiegel als „qualifiziert" anzuerkennen, weil bereits der Mietspiegel 2019 keine vollständige Neuerhebung gewesen sei.

FDP fordert Neubau-Offensive

Stefan Förster, Sprecher für Bauen und Wohnen der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, sagt: „Das Ergebnis des neuen Mietspiegels 2021 war zu erwarten – ist jedoch wahrscheinlich nicht belastbar. Einen realistischen Bezugspunkt der Mietenentwicklung gibt es in unserer Stadt nicht mehr. Die tatsächlichen Preise liegen sicher noch höher. Dies ist die verheerende Konsequenz der bisherigen Leistung des Berliner Senats in der Wohnungspolitik. Das Chaos um den Mietendeckel wird noch weitere Auswirkungen haben und immer noch fehlen bis 2030 194.000 Wohnungen in der Hauptstadt.“

Benötigt werde ein Mietspiegel, der die aktuelle Entwicklung rechnerisch fortschreibt. Im September müsse dann ein neuer Senat beauftragt werden, umgehend einen neuen zu erstellen. „Ohne eine mietensenkende Neubau-Offensive werden die Mieten in der Hauptstadt auch weiter steigen, was am Ende dazu führen wird, dass die Bürgerinnen und Bürger der Stadt vor der Wohnungsproblematik der Berliner Linkskoalition kapitulieren werden“, so Stefan Förster.

Auch Steffen Sebastian, vom Bundestag zum Sachverständigen für die Mietspiegelreform benannt, kritisiert das Vorgehen des Berliner Senats: „Der Berliner Senat bezeichnet den Mietspiegel 2021 als qualifiziert. Dies ist nach dem BGB aber nur zulässig, wenn der Mietspiegel aus dem Jahr 2019 im Nachhinein als neuerstellt deklariert wird – und das ist er laut Methodenbericht 2019 eindeutig nicht, sondern eben eine Fortschreibung des Mietspiegels von 2017. Ein solches Vorgehen halte ich für gewagt, denn Berlin begibt sich damit ein weiteres Mal auf einen juristischen Sonderweg.“ Damit werde der neue Mietspiegel  zu einem „einfachen“ Mitspiegel, erläutert er. Dieser habe weniger Rechtsfolgen für Mieter und Vermieter.

Weitere Gerichtsverfahren werden erwartet

Streit ist programmiert. Denn die Mieten sind auch seit 2019 weiter gestiegen. Die meisten Vermieter hatten auf Empfehlung des Bundesverfassungsgerichtes trotz Mietendeckel-Gesetz bei neuen Verträgen Mieten vereinbart, die nach BGB zulässig waren. Die sogenannten Schattenmieten waren von den Verfechtern des Mietendeckel-Gesetzes heftig attackiert worden.  Zwar dürfen die Vermieter ein Mieterhöhungsverlangen mit dem neuen Mietspiegel begründen, können aber auch drei Vergleichswohnungen dafür heranziehen.

Der Grundeigentümerverein kommentierte nach Bekanntwerden des neuen Mietspiegels via Twitter: „Großvermieter werden über Vergleichswohnungen nun Mieterhöhungen durchsetzen, das wird Mieter deutlich belasten. Privatvermieter haben kaum eine Chance, gestiegene Kosten insbesondere für Handwerker über angepasste Mieten auszugleichen. Danke an #R2G.“  Am Ende werden die Gerichte entscheiden, ob der neue Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete in der Hauptstadt widerspiegelt.

Hinzu kommt: Bereits der Mietspiegel 2019 hat deutliche methodische Mängel aufgewiesen. Sowohl in der Datenerhebung als auch in ihrer Auswertung. „Aus statistischer Sicht genügt er den eigentlich geforderten wissenschaftlichen Ansprüchen nicht: Er ist fehlerhaft, bildet den Mietwohnungsmarkt der Hauptstadt nur rudimentär ab, ist unnötig ungenau und damit auch ungerecht. Berlin ist Deutschlands größter Mietwohnungsmarkt – die Hauptstadt sollte den Anspruch haben, auch den besten Mietspiegel zu haben. Zumindest aber einen guten“, fasst Steffen Sebastian seine Kritik zusammen. Eine entsprechende Studie hat er unlängst gemeinsam mit Ulrich Rendtel und Nicolas Frink von der Freien Universität Berlin zum Berliner Mietspiegel 2019 veröffentlicht.

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