Nach heftigen Querelen und Streit mit Denkmalschützern hat der rot-grün-rote Senat jetzt den Weg frei gemacht für den Bau von 1.800 Wohnungen in Adlershof-Johannisthal.
Andreas Geisel war die Freude über die Entscheidung anzusehen. Zur Beschleunigung des Wohnungsbaus wurde Anfang des Jahres 2022 die Senatskommission Wohnungsbau gegründet, die ein Auge auf rund 200 Neubauprojekte mit mehr als 200 Wohnungen haben sollte. „6.800 Wohnungen sind in diesem Jahr von der Senatskommission gängig gemacht worden“, erklärte der Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen.
Kurzum: Es gab nach jahrelangen Streitigkeiten bei sogenannten Fokusprojekten Entscheidungen. Dazu gehört auch das Neuvorhaben der Bauwert AG zwischen Segelfliegerdamm, Groß-Berliner Damm und dem Landschaftspark Johannisthal mit 1.800 Wohnungen, Gewerbeeinheiten, Grünflächen und Spielplätzen. Den Bebauungsplan für das Entwicklungsgebiet Adlershof-Johannisthal brachte das Abgeordnetenhaus im Dezember auf den Weg.
Flughafen-Historie des 21 Hektar großen Areals
Der Streit um den Anteil an Sozialwohnungen und den Denkmalschutz hatte das Verfahren in die Länge gezogen. Das neue Quartier soll im Norden des Entwicklungsgebietes Johannisthal/Adlershof auf einer rund 21 Hektar umfassenden Fläche am Rand des ehemaligen Flugplatzes Johannisthal errichtet werden. Das Areal hat historische Bedeutung. Er war einst der erste kommerziell betriebene Flugplatz Deutschlands und der zweite in der Welt.
1909 starteten vom Rollfeld die ersten Motorflugzeuge. Die Gründung und der Ausbau des Flugplatzes geht maßgeblich auf die Initiative zweier luftfahrtbegeisterter Männer zurück: den Bauunternehmer Arthur Müller und Major Georg von Tschudi. Durch sie geriet Johannisthal zur Wiege der deutschen Motorluftfahrt und der Flugzeugindustrie. Luftfahrzeugbau-Pioniere wie Hermann Dorner siedelten Produktionsstätten in Johannisthal an. Später kamen Unternehmen wie die Flugmaschine Wright GmbH, die Albatros-Werke, Fokkers Aeroplanbau oder die Rumpler-Flugzeugwerke hinzu. Zu DDR-Zeiten nutzte der VEB Kühlautomaten die Gebäude am Standort. Nach der Wende gingen sie an die Treuhand über. 1996 wurde der Betrieb eingestellt.
Senat will Teil der Flächen kaufen
In den 2000er Jahren wurde das Areal an die Erben von Arthur Müller rückübertragen. Ursprünglich sollte es als reiner Gewerbestandort entwickelt werden, doch aufgrund des Wohnungsmangels wurde beschlossen, den südwestlichen Teil für den Wohnungsbau vorzusehen. 2016 legte ein Rahmenvertrag mit den Eigentümern unter anderem die Blockrandstruktur im Quartier fest. Die historischen Gebäude sollten soweit wie möglich erhalten bleiben. Durch den jahrzehntelangen Verfall sind einige Gebäude jedoch inzwischen abrissreif.
Denkmalschützer haben sich insbesondere für den Erhalt der Halle 4 stark gemacht. Im Beschluss zum Bebauungsplan ist nun festgehalten, dass der Investor eine Machbarkeitsstudie zum Erhalt der Halle in Auftrag geben muss. Der Senat soll darüber hinaus prüfen, ob er das Grundstück kaufen kann, auf dem die Halle 4 steht. Der Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel betonte, man werde mit der Entscheidung für das Bauvorhaben umstrittene Denkmale retten, die schon seit Jahren verfallen sind. Ohnehin will das Land elf Hektar der Fläche kaufen. Ein Teil davon soll als Gewerbestandort entwickelt werden, auf dem anderen soll die landeseigene degewo 500 Wohnungen bauen.
25 Prozent als Sozialwohnungen geplant
Beim Gutachterverfahren 2017 hatte die Freie Planungsgruppe Berlin (FPB) das Rennen um das städtebauliche Konzept gemacht. Die Trennung beziehungsweise die Verzahnung der gewerblichen mit den Wohnbauflächen sei nachvollziehbar dargestellt, urteilte die Jury. Vorrangig sollen fünf- bis sechsgeschossige Gebäudeblöcke mit begrünten Innenhöfen entstehen. Zum Landschaftspark Johannisthal hin ist eine lockere Bebauung vorgesehen. Auch Gastronomie fand Eingang in die Planung. Eine der ehemaligen Produktionshallen soll zu einer Kita mit 140 Plätzen umgebaut werden. Der Bebauungsplan sieht außerdem vor, dass von den circa 1.800 Wohnungen statt 12,5 Prozent nun 25 Prozent, also rund 440 als Sozialwohnungen errichtet werden müssen. Der mögliche Baubeginn ist für 2025 avisiert.
Rund 1.200 Unternehmen haben sich inzwischen im Technologiepark Adlershof angesiedelt. Im Entwicklungsbereich Berlin-Johannisthal/Adlershof wurden bisher 2.155 Wohnungen und 386 Studentenappartements gebaut. In der Pipeline sind – inklusive Segelfliegerdamm – noch 2.370 Wohnungen. Das entspräche der Zahl, die 1994 mit Beginn der Entwicklungsmaßnahme vorgesehen war. Diese Zahlen gehen aus der Antwort der Stadtentwicklungsverwaltung auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Stefan Evers hervor.
Höheres Verkaufsaufkommen in Johannisthal/Adlershof
Nach Fertigstellung des neuen Quartiers könnten in Johannisthal 5.000 Menschen mehr wohnen, damit ist ein Zuwachs an Verkehr prognostiziert. „Der Knotenpunkt Segelfliegerdamm/Groß-Berliner Damm überschreitet perspektivisch auch ohne die Planungen des B-Plans 9-15a (Areal VEB Kühlautomaten) seine Kapazität und soll deshalb perspektivisch ausgebaut werden“, heißt es. 2021 wurde bereits die Straßenbahnstrecke Adlershof II in Betrieb genommen, um dem höheren Verkehrsaufkommen zu begegnen, bis 2028 ist eine Verlängerung des Straßenbahnnetzes über Johannisthal hinaus vorgesehen. „Zu dieser Netzerweiterung läuft derzeit die Grundlagenuntersuchung. Nach aktuellem Stand ist im Jahr 2029 mit der Inbetriebnahme zu rechnen.“
Die Bauwert AG engagiert sich bereits in Berlin-Johannisthal mit dem Bau des Büroparks SQAURE 1, nur unweit vom Areal des geplanten Quartiers entfernt und direkt am S-Bahnhof Johannisthal. Der rund 140.000 Quadratmeter umfassende Bürocampus ist als Ensemble aus mehreren Gebäuden konzipiert. Sie werden nach Entwürfen der drei Architekturbüros Eller + Eller, Tchoban Voss und Grüntuch Ernst realisiert. Auch eine Kita, Geschäfte, ein Hotel und Restaurants soll es geben. Als ein großer Mieter konnte die Berliner Sparkasse gewonnen werden.