Katrin Lompscher, die Vorkämpferin für den Berliner Mietendeckel, ist mit sofortiger Wirkung von ihrem Amt als Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen zurückgetreten. Was der Anlass dafür ist und wie die Reaktionen darauf ausfallen – ein Überblick.
Katrin Lompscher, Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, ist mit sofortiger Wirkung von ihrem Amt zurückgetreten. Zugleich lege sie die drei mit dem Amt verbundenen Aufsichtsratsmandate nieder. Grund für ihr Ausscheiden seien Fehler in ihrer Abrechnung der Bezüge aus Verwaltungsrats- und Aufsichtsratstätigkeit, schreibt sie in einer Mitteilung. Es sei versäumt worden, in den Jahren 2017 und 2018 diese Einnahmen steuerlich geltend zu machen. Dies sei ein „schwerer persönlicher Fehler“ gewesen, der ihr weiteres Handeln als Senatorin „dauerhaft überschatten“ würde.
Vorkämpferin für den Mietendeckel
Konkret geht es um einen Fehlbetrag von rund 7.000 Euro. Diesen habe die 58-Jährige inzwischen an die Landeskasse überwiesen. Für die Versäumnisse übernehme sie die Verantwortung. „Ich versichere, dass ich nicht mit Vorsatz gehandelt habe.“
Katrin Lompscher war seit 2016 Berlins Bausenatorin. Sie gilt als Vorkämpferin für den umstrittenen Berliner Mietendeckel, erhielt in dieser Rolle auch bundesweit Aufmerksamkeit. Aufsichtsratsmitglied ist sie bei der Investitionsbank Berlin (IBB), der Tempelhof Projekt GmbH und der Tegel Projekt GmbH.
„Als Politikerin habe ich stets mit aller Kraft den von Rot-Rot-Grün eingeschlagenen Weg in der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik vertreten. Auf diesem sind wir gemeinsam ein gutes Stück vorangekommen. Das war und ist nicht konfliktfrei, die fachliche und politische Auseinandersetzung habe ich dabei nie gescheut“, so Katrin Lompscher in der Mitteilung.
Die Reaktionen auf den Rücktritt
IVD fordert Ende der Bauverhinderungspolitik
„Jetzt besteht die Chance für den Berliner Senat, die ideologischen Fehler der vergangenen drei Jahre zu korrigieren. Berlin braucht endlich wieder eine/n Bausenator/in und keine Bauverhinderungssenatorin. Die Hauptstadt muss sich ein Beispiel an der Neubaupolitik in anderen deutschen und europäischen Städten nehmen, um das drängende Wohnungsproblem zu lösen. Eine Politik, die in Wahrheit gar keinen Neubau möchte, muss mit dem Rücktritt Lompschers beendet werden“, kommentiert der IVD-Präsident Jürgen Michael Schick. Er erwarte von allen drei Parteien des rot-rot-grünen Bündnisses, den Abgang Lompschers für einen wohnungspolitischen Richtungswechsel zu nutzen. Jetzt nur Köpfe auszutauschen, reiche nicht.
CDU: „Nicht nur Mangel verwalten“
Kai Wegner, Vorsitzender der CDU Berlin: „Nach dem Rücktritt von Senatorin Lompscher bleiben viele Fragen offen. Ich erwarte jetzt vom Senat Aufklärung und Transparenz.“ Der Rücktritt sei eine Chance zur „Schadensbegrenzung“ bei der Bau- und Wohnungspolitik. Berlin brauche nun jemanden mit dem Willen, das Wachstum der Stadt zu gestalten und nicht nur den Mangel zu verwalten.
FDP: „Scherbenhaufen“ und „Geiselhaft“
Gegangen ist #lompscher wegen persönlichen Verfehlungen, gescheitert ist sie an der Baupolitik. Der Scherbenhaufen dieser Koalition ist Raubbau an der Stadt. Der @RegBerlin muss diese Chance jetzt nutzen, um die ideologische Geiselhaft Berlins zu beenden.
— Sebastian Czaja (@SebCzaja) August 3, 2020
UVB: Chance für echten Neubeginn
Alexander Schirp, Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), sieht „eine Chance für einen echten Neubeginn in der Wohnungspolitik". Berlin müsse alle Potenziale nutzen, damit so schnell wie möglich mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht. Bislang sei die Stadt unter ihren Möglichkeiten geblieben. Es gelte, nun alle Akteure am Wohnungsmarkt an einen Tisch zu holen, um die Hindernisse für mehr Neubau aus dem Weg zu räumen. „Andere Städte machen es vor, Berlin sollte dem Beispiel folgen.“
Dank von der Linksfraktion
Wir danken Katrin Lompscher @KLompscher von Herzen für ihre geleistete Arbeit in den vergangenen Jahren. Die von ihr angestoßenen politischen Auseinandersetzungen werden wir mit aller Kraft weiterführen. #stadtfueralle #mietendeckel pic.twitter.com/daDSfL1YdH
— Linksfraktion Berlin (@LinksfraktionB) August 3, 2020
Kein Schnellschuss bei der Nachfolge
In einer gemeinsamen Erklärung der Linken-Landeschefin Katina Schubert, des Kultursenators Klaus Lederer (Linke) sowie den beiden Linken-Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und Carsten Schatz hieß es: „Politische Glaubwürdigkeit misst sich auch daran, wie man mit persönlichen Fehlern umgeht.“ Katrin Lompscher übernehme Verantwortung für ihren Fehler und ziehe daraus die Konsequenzen. Über die Nachfolge werde sich die Partei zeitnah verständigen und einen Vorschlag unterbreiten. Die ganze Erklärung hier. https://t.co/ViI4crW65J
Am Montag konkretisierte Katina Schubert gegenüber der dpa, man wolle „keinen Schnellschuss“. Zunächst müsse es möglich sein, einmal „durchzuschnaufen“. In der rot-rot-grünen Koalition hat die Linke das Vorschlagsrecht für die Leitung des Ressorts für Stadtentwicklung und Wohnen.
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