Ein Interview mit Caren Rothmann, geschäftsführende Gesellschafterin der David Borck Immobiliengesellschaft, über Entwicklungen, Potenziale und Überraschungen auf dem Immobilienmarkt der Hauptstadt.
Mehr als ein Jahrzehnt kannten die Preise am Berliner Immobilienmarkt nur eine Richtung: nach oben. Ist dieser Boom ins Straucheln geraten oder gar gestoppt? Sicher scheint nur, dass sich der Immobilienmarkt rasant verändert. Wohin? Und welche Faktoren beeinflussen maßgeblich diese Entwicklung? Wir fragten mit Caren Rothmann, geschäftsführende Gesellschafterin bei der David Borck Immobiliengesellschaft, eine gut vernetzte und exzellente Marktkennerin. Sie und ihr Geschäftspartner David Borck haben ihr Unternehmen zu einem der führenden Maklerbüros Berlins mit über 30 Jahren Erfahrung entwickelt.
Gegenwärtig konstatieren mehrere Quellen eine Verlangsamung des Berliner Immobilienmarktes, manche sprechen sogar von sinkenden Transaktionszahlen. Entspricht das auch Ihren Erfahrungen?
Caren Rothmann: Nachdem es rund 15 Jahre konstant bergauf ging, hat sich der Immobilienmarkt in den letzten eineinhalb Jahren durch das Zusammenwirken von mehreren Faktoren verlangsamt. Die Transaktionszahlen sind in Berlin stark gesunken. Ebenso verzeichnen die Kaufpreise einen deutlichen Rückgang. Diese Entwicklung vollzog sich in rasantem Tempo und es gibt aktuell keine Indikatoren, dass sich der Markt in absehbarer Zeit erholen wird.
Schwieriges Umfeld beeinflusst auch Berliner Immobilienmarkt
Welche Faktoren verursachen diese Markt-Veränderungen hauptsächlich?
Caren Rothmann: Aktuell beeinflussen insbesondere die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sowie die nach wie vor steigenden Zinsen den Immobilienmarkt. Viele geplante Projekte, insbesondere beim Wohnungsbau, wurden gestoppt. Die Baukosten in Deutschland haben erheblich zugenommen – kalkulierte Preise sind aufgrund der kletternden Zinsen, enorm steigender Material- und Energiekosten sowie schärferer Klimaschutzregeln nicht mehr durchzusetzen. Und natürlich spielen hier auch die immer umfangreicher werdenden gesetzlichen Bestimmungen eine Rolle. Bei Einhaltung aller baulichen Vorgaben erreichen die Mietpreise im Neubau rund 18 Euro pro Quadratmeter. Hinzu kommen in vielen Fällen sehr lange Entscheidungsprozesse. Investoren warten oft mehrere Jahre auf eine Baugenehmigung. Nach so einem langen Zeitraum hat die Realität alle Kalkulationen überholt. Kurzum: Das Bauen in Deutschland ist enorm teuer geworden. Dabei brauchen wir dringend Wohnraum, ganz besonders in Berlin.
Hat sich auch das Verhalten der Käufer verändert? Wenn ja, in welche Richtung?
Caren Rothmann: Die gravierendste Veränderung ist die zunehmende Zahl von Interessenten, die nicht mehr kaufen können, da die Finanzierungskosten durch die gestiegenen Zinsen zu teuer geworden sind. Hier wären spezielle staatliche Programme wie beispielsweise die Senkung der Grunderwerbssteuern oder günstige Kredite beim Kauf eines Eigenheims mehr als nur hilfreich. Personen, die kaufen können, schauen gegenwärtig noch genauer auf Angebote, vergleichen und warten ab, wohin sich der Markt entwickelt. Wir beobachten, dass derzeit sehr sorgfältig der Investitionsaufwand bei Bestandsimmobilien geprüft wird, insbesondere im Hinblick auf das neue Energiegesetz. Die Antwort auf die Frage, wie umfangreich die Investitionen sein müssen, um das Haus zukunftssicher zu gestalten, entscheidet immer mehr über Kauf oder Nichtkauf.
„Die ‚Mieterstadt Berlin‘ ist politisch gewollt“
Was macht die Besonderheiten des Berliner Immobilienmarktes aus? Gibt es überhaupt Besonderheiten im Vergleich mit Metropolen wie München, Hamburg oder Köln?
Caren Rothmann: Nach wie vor hat Berlin im Vergleich mit anderen deutschen Metropolen die geringste Quote an Wohneigentum. Die „Mieterstadt Berlin“ ist politisch gewollt. Ich widerspreche dem, denn es gibt viele gute Argumente für Wohneigentum. Es ist ein Schutz vor Altersarmut, es bedeutet Sicherheit und es stärkt das persönliche Wohlbefinden, einen eigenen Rückzugsort zu haben. Letztlich ist es auch ein Mittel gegen die Gentrifizierung. Viele Gespräche zeigen mir, dass es für Menschen aus allen sozialen Schichten ein ureigenster Wunsch ist, in den eigenen vier Wänden zu leben. Für mich persönlich hat es etwas mit Menschenwürde zu tun, diesen Traum Realität werden zu lassen. Ich bedauere es, dass die Politik hier so wenig Initiative zeigt.
Hohes Eigenkapital für Erwerb von Wohneigentum ratsam
Was würden Sie gegenwärtig Menschen raten, die eine Immobilie erwerben wollen?
Caren Rothmann: Das sind Antworten auf generelle Fragen: Was passt zu mir? Was kann ich mir leisten? In welcher Lage kann ich kaufen? Wichtig ist ein sorgfältiger Marktüberblick, eine gründliche Prüfung der Finanzierung – einschließlich möglicher Neben- und Folgekosten – und des Objektes. Der Kauf eine Immobilie ist für viele Menschen das größte Geschäft ihres Lebens. Ich würde jedem empfehlen, die Expertise eines seriösen Fachmanns einzuholen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen. Persönlich empfehle ich ein möglichst hohes Eigenkapital, idealerweise von circa 20 Prozent am Kaufpreis, das gibt eine große Portion Sicherheit.
Ihr Unternehmen und Sie persönlich sind sehr erfahrene Branchen-Kenner. Wie würden Sie das Verhältnis von Erfahrung und Wissen zu Marktbeobachtung und Marktanalyse für Entscheidungsprozesse definieren?
Caren Rothmann: Das ist eine sehr theoretische Fragestellung, weil diese Faktoren einander bedingen. Das Wissen entwickelt sich auf dem Nährboden der Erfahrung ständig weiter. Letztlich sind Erfahrung und Wissen das Fundament unserer Arbeit, wodurch wir Risiken erkennen und Chancen identifizieren können. Marktbeobachtung und Marktanalyse hingegen sind Instrumente, die uns Daten und Fakten für eine objektive Bewertung liefern und erforderlich sind, damit wir die richtigen Entscheidungen treffen. Das Zusammenspiel dieser Faktoren ist für den Erfolg im Immobiliengeschäft unerlässlich.