Seit dem 21. Dezember 2021 ist Andreas Geisel (SPD) Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen und hat vier wesentliche Punkte auf der Agenda. Wie es nach 100 Tagen um die Novellierung der Bauordnung, den Herrmannplatz, den Bericht über die größten Bauprojekte und das Einsetzen der „Expertenkommission Vergesellschaftung“ bestellt ist.
Noch ein knapper Monat Zeit bleibt der Senatsverwaltung Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, um ihren Beitrag zum 40-Punkte-Programm des Berliner Senats für die ersten 100 Tage zu erfüllen. Sie hat vier wichtige Vorhaben auf die Agenda gesetzt, die bis zum 21. März erledigt sein sollen. Ganz oben auf der Liste steht eine neue Beschlussvorlage für den Senat zur Novellierung der Bauordnung, die kurz vor der Wahl von der SPD abgesagt worden war: Elf der zwölf Bezirksbürgermeister hatten sich dagegen ausgesprochen.
Novellierung der Bauordnung als wichtigstes Vorhaben der Senatsverwaltung Stadtentwicklung
Andreas Geisel (SPD), Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, erklärte dazu im Stadtentwicklungsausschuss: „Die Bauordnung ist Voraussetzung für innovatives, möglichst schnelles Bauen. Wir haben das Ziel, die Bauordnung an die Musterbauordnung und an die Bauordnung Brandenburg anzupassen.“
Die Schwerpunkte der Novellierung liegen auf:
- Förderung des Wohnungsbaus
- Beschleunigung von Genehmigungsverfahren
- Genehmigung von Typenbauten
- Genehmigungsfiktionen
- mehr Barrierefreiheit
- Fassaden- und Dachbegrünung
- Brandschutz für Geschosswohnungsbau in Holzständerbauweise
Regelungen zum Brandschutz in der Bauordnung sind Voraussetzung dafür, dass der erste Spatenstich für das Schumacher-Quartier mit rund 5.000 Wohnungen wie geplant 2023 erfolgen kann. Mit dem Berliner Pilotprojekt auf dem Areal des ehemaligen Flughafens Tegel ist eines der größten modernen Holzbau-Viertel Europas geplant. Sollte der Senat die Novellierung Ende März beschließen, folgt ab April abermals die Beteiligung des Rates der Bürgermeister. Andreas Geisel avisierte den Abgeordneten – mit Blick auf das Verfahren – die neue Bauordnung für Ende Mai, Anfang Juni 2022.
Agendapunkt zwei: die Entwicklung am Herrmannplatz
Der zweite Punkt auf der Agenda ist die Entwicklung am Herrmannplatz, der an der Grenze der beiden Bezirke Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg liegt. 2020 hatte es einen Letter of Intent zu verschiedenen Standorten der Galeria Karstadt-Kaufhof-Gruppe gegeben. „Berlin steht zu diesem Letter of Intent“, betonte Andreas Geisel mit Nachdruck. Bereits noch im Februar soll ein erster Teil des Masterplan-Verfahrens abgeschlossen, also die Grundlagen für die Entwicklung des Karstadt-Kaufhauses am Herrmannplatz und die Umgebung ermittelt sein, damit die SIGNA dort bauen kann. Deren Pläne hatten in der vergangenen Legislatur zu heftigem Streit um Architektur, Dimension, Verdrängung von Mietern und Gemeinwohl geführt, insbesondere mit dem Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt und der Initiative Herrmannplatz. Sie kritisiert die Grundlagenermittlung als Farce.
„Die Frage, wie wir den Herrmannplatz als lokales Zentrum sichern, bewegt den Senat sehr. Ich glaube, Nichtstun ist keine Alternative, weil dann eine Spirale nach unten einsetzt“, betonte der Senator. Er kündigte für März den Aufstellungsbeschluss für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan an. Dessen Entwicklung werde dann mit einer rechtsverbindlichen Bürgerbeteiligung rund zwei Jahre dauern. Gleichzeitig werde ein Masterplanverfahren für die Umgebung gestartet. Unter anderem sei zu klären, wie zusätzliche öffentliche Nutzungen am Standort verankert werden und welche Lösungen es gibt, um die Verkehrssituation zu verbessern.
Der dritte Punkt auf der Agenda: die größten Wohnungsbauprojekte Berlins
Neben diesen beiden Vorhaben arbeitet die Senatsverwaltung an einem Bericht zu den 300 größten Wohnungsbauprojekten, um den aktuellen Stand festzustellen. Das Vorab-Fazit: „Etwa zwei Drittel der Bauprojekte laufen gut und sind im Zeitplan, bei einem Drittel gibt es Probleme.“ Eine Hälfte seien objektive Probleme wie Artenschutz, fehlende Ausgleichsflächen oder Verkehrsanbindungen. Bei der anderen Hälfte gebe es politische Gründe. Die Analyse sei Grundlage für die Senatskommission, die sich um die stockenden Projekte kümmern und Probleme lösen soll.
Der Bericht wird ebenfalls für das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen gebraucht. Drei Zahlen nannte Andreas Geisel in diesem Zusammenhang zum Genehmigungsüberhang. Insgesamt seien in Berlin derzeit Baugenehmigungen für 66.000 Wohnungen erteilt – und damit drei Jahresproduktionen der Berliner Baubehörden. Davon seien 38.000 Wohnungen im Bau – und 28.0000 Wohnungen nicht. Die Ursachen für das Nichtbauen werden mit den Bündnispartnern zu klären sein. Es könnte zum Beispiel an fehlenden Baumfällgenehmigungen liegen, ebenso an Spekulation oder Finanzierungslücken.
Personalmangel in der Verwaltung lässt Andreas Geisel als Begründung für die schleppende Bearbeitung von Genehmigungen nicht so einfach gelten. „Schaut man sich die Situation in den Bauämtern genauer an, dann sind Stellen unbesetzt, weil sie gar nicht ausgeschrieben worden sind“, erklärte der Senator. „Wenn man Personalstellen bekommt, vom Haushalt finanziert, dann muss man sie auch ausschreiben und den Versuch unternehmen, diese Stellen zu besetzen.“
Punkt vier: Einsetzen der Expertenkommission Vergesellschaftung
Auf der Prioritätenliste steht als vierter Punkt das Einsetzen der Expertenkommission, die sich mit dem Umsetzen des erfolgreichen Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co. enteignen befassen soll. Fest steht: Der Senat wird externe Fachleute dazu holen, Aktivisten der Initiative werden ebenfalls in der Kommission vertreten sein.
Hochhausentwicklungsplan, Dachgeschossausbau und Flachmannüberbauung
Interessante Aussagen traf Andreas Geisel (SPD) auch zur Stadtentwicklung über das 100-Tage-Programm hinaus, darunter zum Nachverdichtungspotenzial in der Innenstadt. Dem von der CDU geforderten Hochhausentwicklungsplan erteilte er vorerst eine Absage. Einzelne Hochhäuser ja: Mehrere Hochhäuser seien im Bau oder in Planung, darunter in der City West und am Alexanderplatz. Doch Hochhäuser seien meistens teuer und kämen daher zur Lösung des Wohnungsproblems und für bezahlbares Wohnen nicht in Frage.
Dachgeschossausbau sei ein möglicher Weg zu mehr Wohnraum: „Aber der Ausbau von Dachgeschossen wird hinsichtlich der Bezahlbarkeit nicht unseren politischen Ansprüchen gerecht und die Aufstockung von Gebäuden wird hinsichtlich des Aufwand-Nutzen-Verhältnisses nicht unseren Ansprüchen gerecht.“ Größeres Potenzial sieht er dagegen im Überbauen von Supermarktflächen. „Was die Discounter auf ihre Grundstücken planen, ist gut“, betonte er, „aber das wird noch zu wenig umgesetzt.“ Er fordert daher die Discounter auf, sofern sie Eigentümer der Flächen sind, dort Wohnungsbau möglich zu machen. Priorität hat aus seiner Sicht grundsätzlich das Aktivieren und die bessere Ausnutzung landeseigener Grundstücke.
"Verheerende Baupolitik": 100 Tage neue Bundesregierung und die Reaktionen auf Bundesebene