Deutschland hat gewählt: Auch die Immobilienbranche schaut auf das Ergebnis und benennt Aufgaben, die eine dringende Lösung brauchen. IMMOBILIEN AKTUELL hat Meinungen und Wünsche zusammengetragen.
Ist die Bundestagwahl eine Zeitenwende für die Immobilienbranche? Noch ist das nicht zu beantworten. Einer der größten Immobilienkonzerne in Deutschland – Vonovia – profitierte beispielsweise direkt an der Börse, mit dem Kurs ging es vier Prozent nach oben. Analysten werten das „als Vertrauen der Investoren in die Stabilität und das Wachstumspotenzial des Unternehmens, das von der neuen politischen Ausrichtung profitieren könnte“. Mike O'Sullivan, Chefökonom von Moonfare, sieht gute Zeiten für Private Equity anbrechen: „Die CDU hat zwar ein klares Mandat, verfügt aber nicht über die erforderlichen Stimmen im Parlament, um Änderungen am Grundgesetz – insbesondere an der Schuldenbremse – vorzunehmen, was eine größere Abhängigkeit von privatem Kapital bedeutet.“
Der Wunsch nach einer schnellen Regierungsbildung eint die Wirtschaft, allerdings gab es bereits am Tag nach der Wahl unter anderem von der SPD die Ansage, dass es genau nicht auf Schnelligkeit ankomme. Geschwindigkeit hin oder her: „Es ist erst einmal gut, dass komplizierte Parteienkonstellationen ausgeblieben sind. Eine Koalition aus Union und SPD könnte einen wirtschaftsfreundlicheren Kurs als die Vorgängerregierung verfolgen“, sagt Daniel Kerbach, Chief Investment Officer der BayernInvest. „Eine stabile Bundesregierung ist jetzt entscheidend – auch mit Blick auf Europa.“
Der ZIA fordert direktes Handeln in den ersten 100 Tagen. „Die Linie ist glasklar: weniger Bürokratie, weniger Regulierungen, mehr Tempo. Das alles wurde unzählige Male von fast allen Parteien angekündigt. Jetzt muss es endlich passieren. Die Zeit drängt“, so ZIA-Präsidentin Iris Schöberl. Deutschland müsse zwingend „wegkommen vom Slow-Motion-Modus“. Eine schnelle Ausdehnung von Vereinfachungsmöglichkeiten in der Baugesetzgebung (Paragraf 246) auf das Wohnen sowie durchgreifende Vorschläge für einen neuen Gebäudetyp E („E“ wie einfach) seien schnell umsetzbar. Wohnungsbau sei „eine drängende soziale Frage“, betont Iris Schöberl.
So ähnlich klingt das auch bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland, BID: Die aktuelle wirtschaftliche Lage der Immobilien- und Wohnungswirtschaft erlaube keine weiteren Verzögerungen. „Die Wohnungsmarktkrise und der defekte Konjunkturmotor Wohnungsbau verlangen nach verantwortungsbewusstem und entschlossenem Handeln“, heißt es in einem Statement. „Meiner Meinung nach stehen wir vor schwierigen Koalitionsverhandlungen, die aber zum Erfolg verdammt sind, da Alternativen nicht in Sicht sind. Bei vielen Immobilienthemen droht allerdings ein Patt“, sagt Francesco Fedele, CEO von BF.direkt AG. „Während CDU/CSU bei der Wohnungsbauförderung vor allem auf steuerliche Anreize setzen, möchte die SPD dagegen insgesamt die aktive Rolle des Staates im Bausektor stärken. Die Union will die Mietpreisbremse auslaufen lassen, die SPD das Gegenteil.“ Grundlegende Verbesserungen für die Immobilienbranche verspricht er sich nicht, eher viele kleine Kompromisse.
Für Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer bei INDUSTRIA Immobilien, war bereits der Wahlkampf ein Fingerzeig: Bau- und Wohnungspolitik spielten da nur „eine erschreckend geringe Rolle“, niemand habe mit durchdachten Konzepten geglänzt. „Für die Immobilienbranche bedeutet dies, dass sie sich mit politischer Unsicherheit arrangieren muss. In Anbetracht der enormen Wohnungsnot in den Ballungsräumen ist dies bitter“, so Arnaud Ahlborn.
Viele Branchen-Player betonen den sozialen Sprengstoff, der in dem stagnierenden Wohnungsbau liegt. Alexander Lackner, CEO von neworld, beispielsweise, der genau durch diese Problematik „linken und rechten Demagogen nur weiteren Auftrieb geben“ wird. Einar Skjerven, Geschäftsführer der Skjerven Group, richtet seine Hoffnung auf Friedrich Merz: „Ich hoffe, dass mit ihm wieder etwas Dynamik in die Rahmenbedingungen und das Marktgeschehen kommt und wir die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität bekommen, die der Wohnungsbau als langfristiges Investment braucht."
Alle eint in diesen Tagen der Sondierung der Wunsch nach Klarheit. Eckhard Schwarzer, Präsident von DER MITTELSTANDSVERBUND, fasst es so zusammen: „Stagnation darf nicht länger das entscheidende Standortmerkmal bleiben. Wir brauchen jetzt eine Politik, die den Menschen wieder mehr zutraut und dem Mittelstand mehr Freiraum lässt.“