greeen! architects zu ESG-Kriterien: „CO2 wird neue Währung für die Immobilienwirtschaft“

greeen! architects zu ESG-Kriterien: „CO2 wird neue Währung für die Immobilienwirtschaft“

greeen! architects zu ESG-Kriterien: „CO2 wird neue Währung für die Immobilienwirtschaft“
Experten sehen im Holzbau einen wichtigen Faktor, um die Ökobilanz der Immobilienbranche zu verbessern. Copyright: Rupert auf Pixabay.

Marc Böhnke, Geschäftsführer des Düsseldorfer Architekturbüros greeen! architects, sieht viel Arbeit auf die Immobilienbranche zukommen, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. Im Gespräch mit IMMOBILIEN AKTUELL erklärt er, weshalb wir ein neues Gesetz für die CO2-Reduzierung benötigen, warum Smart Home alles andere als sinnvoll ist und warum der Holzbau in der Immobilienwirtschaft ein großer Teil der Lösung sein kann.

Agentur

Noch immer hat man den Eindruck, dass ESG für Entwickler und Bestandshalter bislang nicht mehr als ein Buzzword ist. Wie schätzen Sie den Nachhaltigkeitsgrad der Branche ein?

Marc Böhnke: Der regulatorische und wirtschaftliche Druck zum nachhaltigen Wirtschaften ist bereits da, aber es reicht noch nicht. Wir sehen im Markt sowohl auf Mieter- als auch auf Investorenseite eine verstärkte Nachfrage nach ESG-konformen Produkten. Die Nachfrage beispielsweise bei Fonds kommt aber ganz wesentlich aus dem Ausland. Die Kriterien der EU-Taxonomie sind zwar weitreichend, aber bis zum nationalen Gesetzgebungsprozess müssen wir noch einige Zeit warten. Momentan muss sich also die deutsche Immobilienbranche selbst Druck machen. Einige sind bereits auf dem Weg, aber da sehe ich noch deutlich Luft nach oben.

Marc Böhnke, Geschäftsführer des Düsseldorfer Architekturbüros greeen! architects. Copyright: Lino von der Bey.

Hat der deutsche Gesetzgeber es denn verschlafen, genügend Anreize für nachhaltiges Wirtschaften zu schaffen?

Marc Böhnke: Ja, allerdings. Seit 2015 haben wir das Ziel, den Temperaturanstieg bis zum nächsten Jahrhundert auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Bis 2045 sollen wir in Deutschland zudem Nettonullemissionen bei CO2 erreichen – vor allem im Gebäudesektor. Experten sind sich jedoch einig, dass das 1,5-Grad-Ziel bis 2030 erreicht werden muss. Wir sind also verpflichtet, in den kommenden sieben Jahren massiv CO2 einzusparen. Dadurch rückt der Bauprozess in den Fokus, denn es hilft wenig, wenn die Gebäude ab 2030 im Betrieb CO2 einsparen. Regulatorisch haben wir hier lediglich KfW-Förderungen für energieeffizientes Bauen und Sanieren und ein Gebäudeenergiegesetz: Beide nur kleine Tropfen auf den heißen CO2-Stein. Für eine sofortige effektive CO2-Reduzierung ist ein Blick auf den gesamten Bauprozess nötig, nicht nur auf einen energiearmen Betrieb. Wir müssen also bei der Produktionsphase der einzelnen Materialien über ihren Transport bis hin zur Montage alle Stationen berücksichtigen und bilanzieren. Natürlich darf dabei nicht der Blick für die Ganzheitlichkeit und Kreislaufwirtschaft verloren gehen. Denn eins ist klar: CO2 wird die neue Währung der Immobilienwirtschaft. Wer sich hierzu nicht jetzt schon klar positioniert, wird in ein paar Jahren Schiffbruch erleiden.

„Ökobilanz für jedes Gebäude“

Was schlagen Sie auf regulatorischer Seite vor?

Marc Böhnke: Wir haben bei der KOALITION für HOLZBAU einen Entwurf für ein Gebäude-Lebenszyklus-Gesetz erarbeitet. Mit einem solchen Gesetz könnten wir eine einheitliche Ökobilanz für jedes Gebäude erstellen, das dann mit einem entsprechenden Gebäuderessourcenpass versehen werden könnte. Die hierfür benötigten Daten zu Materialien und Baustoffen liegen bereits in Datenbanken wie Madaster vor. Wir hätten also einheitliche Standards und würden effektiv an der CO2-Reduktion mitwirken.

Können nicht Zertifikate wie DGNB oder QNG diese Aufgabe bereits erfüllen?

Marc Böhnke: Mit QNG hat die Bundesregierung lediglich ein eigenes Label über existierende Zertifizierungssysteme gestülpt. Systeme wie DGNB, Breeam oder Leed haben sicher ihre Berechtigung und in den letzten Jahren viel zum Bewusstsein der Immobilienbranche beigetragen, sind aber dabei bislang nicht über den Wert eines Marketing-Instrumentes hinausgekommen. Daher verzichten auch weiterhin viele Bauherren auf sie. Kein einziges Zertifikat nimmt den gesamten Gebäudezyklus mit einer entsprechenden CO2-Bilanzierung in den Blick. Viele Kriterien wie zum Beispiel Punkte für überdachte Fahrradstellplätze sind zudem meiner Meinung nach reine Kosmetik.

„Klimaschädlicher Schnickschnack“

Wo sind denn die größten Stellschrauben, an denen jetzt bereits gedreht werden könnte?

Marc Böhnke: Nehmen wir einmal den Wohnungsbau: Modularbau mit seriell und automatisiert gefertigten Teilen ist nicht nur kostenreduzierend, sondern auch klimaschonend. Klimaschädlicher Schnickschnack à la kontrollierter Wohnraumlüftung oder Smart Home weist sowohl in der Produktion als auch im Betrieb unnötig viel CO2-Ausstoß auf. Als Baumaterial plädiere ich zudem für Holz. Holz bindet CO2 dauerhaft, ist einfach zu verarbeiten, voll wieder- und weiterverwendbar und kann über lokale Lieferketten ohne lange Transportwege direkt eingesetzt werden. Und: Auch mit dieser Entwurfs- und Baumethode können wir unserer baukulturellen Verantwortung nachkommen.

Wird der massenhafte Einsatz von Holz als Baumaterial nicht unsere Wälder massiv schädigen?

Marc Böhnke: Nein, ganz im Gegenteil. Was machen wir bislang mit Holz? Wir setzen es ein in der Papierherstellung, für minderwertige Spanplatten und als Verbrennungsmaterial. Das ist nicht nachhaltig. Unsere Wälder leiden nicht an Holzmangel, sondern an Schädlingen und Dürre. Wir benötigen resiliente Mischwälder mit höherem Laubbaumanteil. Darauf muss sich auch die Holzbaubranche einstellen, denn das aktuell überwiegend verwendete Nadelholz, wird nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung stehen. Dennoch: Hätten wir zum Beispiel das komplette Wohnungsbauvolumen von rund 300.000 Quadratmetern Brutto-Geschossfläche im letzten Jahr ausschließlich mit Holz gestemmt, wäre das ein Holzverbrauch von weniger als einem Prozent des gesamten nachwachsenden Holzes in Deutschland gewesen. Nimmt man nur den wirklich verarbeitbaren Holzanteil der Holzernte von 80 Millionen Kubikmetern in 2021, wären wir immer noch bei knapp einem Prozent. Holz ist daher nur empfehlenswert.

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