Welche Auswirkungen wird das Coronavirus auf die Wohnungswirtschaft haben? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Wissenschaftler Dr. Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum. Auch wenn sichere Aussagen kaum möglich sind, zeigt Vornholz zumindest klare Tendenzen auf, die sich aufgrund der aktuellen Lage abzeichnen.
Das Coronavirus könnte die stärkste wirtschaftliche Rezession verursachen, die Deutschland (global) jemals erlebt hat. Es unterbricht die Produktions- und Lieferketten vieler Unternehmen wie zum Beispiel in der Automobilwirtschaft. Durch die Produktionsausfälle sind bei der Industrieproduktion Einbußen absehbar und der Einzelhandel rechnet durch die Schließungen mit hohen Umsatzrückgängen. Gleichzeitig haben Konsumenten ihr Kauf- und Reiseverhalten rasch verändert und reduzieren ihre Ausgaben. Zudem sind Anleger und Investoren aufgrund der gegenwärtigen Situation stark verunsichert. Im Folgenden sollen die Auswirkungen dieser wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus auf die Wohnungsmärkte aufgezeigt werden.
Der Vermietungsmarkt droht in Schieflage zu geraten
Die massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten werden letztendlich auch Auswirkungen auf die Einkommen der Mieter haben. Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit verringern den finanziellen Spielraum, den die Haushalte für Miete aufwenden können. Es kann sein, dass bestehende Mietverhältnisse für einige Mieter zu teuer werden. Mieter mit Einkommenseinbußen, die ihre Miete nicht zahlen können, droht die Zahlungsverzugskündigung.
Aufgrund von Mieteinbußen können Vermieter wegen finanzieller Einbußen auch in Schieflage geraten. Dies gilt insbesondere für Bestandshalter, die heute schon einen hohen Leerstand haben. Hier können zusätzliche Mietausfälle die Existenz der Wohnungsunternehmen gefährden. Daher werden verschiedene Maßnahmen diskutiert, um sowohl die Mietausfälle als auch die finanzielle Schwierigkeiten der Unternehmen zu vermeiden.
Wohnungssuchende verhalten sich bereits heute am Markt teilweise zögerlicher als zuletzt. Die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung und die finanziellen Auswirkungen der Krise lassen sie ein wenig vorsichtiger werden. So werden Umzugspläne, gerade in größere Wohnungen, derzeit wohl eher vermieden oder verschoben – die Bewegung auf den Wohnungsmärkten lassen entsprechend nach.
Auch wenn die geschäftlichen Treffen möglichst reduziert werden, werden unverzichtbare Termine wie abschließende Mietverhandlungen und Vertragsunterzeichnungen sowie Wohnungsübergaben aber weiterhin stattfinden. Weitere Schwierigkeiten kommen auf die Wohnungsunternehmen und -vermieter zu. Für die Wohnungsunternehmen geht es um den Schutz der Mitarbeiter und auch der Mieter. Die Unternehmen erarbeiten verschiedene Alternativen, um auf einen möglichen Ausbruch bei Mitarbeitern und/oder Mietern vorbereitet zu sein. Neben den Infos zu allgemeingültigen Hygienemaßnahmen werden die üblichen Reinigungsintervalle erhöht und Dienstreisen aufs Notwendigste beschränkt. Selektives Handeln bestimmt die Tätigkeiten in den Unternehmen, denn auf bestimmte Dienstleistungen kann nicht verzichtet werden.
Auswirkungen von Corona auf den Wohninvestmentmarkt
Institutionelle Käufer
Die Corona-Krise führt zu Verzögerungen bei Verhandlungen bei den institutionellen Käufern. Dies wird aber erst mit einer zeitlichen Verzögerung sichtbar werden. Einmal begonnene Verhandlungen werden vermutlich zu Ende gebracht. Allerdings können Verhandlungen über großvolumige Transaktionen in den kommenden Wochen ins Stocken geraten. Die Einschränkungen der persönlichen Treffen der beteiligten Parteien (Makler, Käufer, Kreditgeber sowie weitere Dienstleister), sei es durch abgesagte Events oder Dienstreisen, werden zu Verzögerungen führen. Zwar werden die Treffen durch Videokonferenzen ersetzt, was aber den persönlichen Kontakt nur teilweise kompensieren kann. Dies wird sich jedoch erst zukünftig in den Transaktionsaktivität bemerkbar machen.
Die Rahmenbedingungen für die Investments bleiben aber weiterhin gut. Die verstärkten Aktivitäten der EZB werden den Renditeunterschied zwischen Anleihen und Immobilien wieder vergrößern. Für sicherheitsorientierte Investoren wird angesichts der massiven Verunsicherungen an den Börsen die nachhaltige Stabilität von Wohnimmobilien noch weiter an Bedeutung gewinnen. So bleiben Immobilien auch angesichts der niedrigen Finanzierungskosten eine attraktive Anlageform. Gleichzeitig werden aber die zunehmenden Unsicherheiten über die Auswirkungen der wirtschaftlichen Entwicklung auf die Mieteinnahmen dazu führen, dass die hohen Preise wohl nicht weiter bezahlt werden.
Private Käufer
Bei den privaten Käufern von Wohneigentum werden vor allem die Unsicherheiten über die eigene finanzielle Zukunft (Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, ...) zu einer Zurückhaltung führen. Ein Kauf könnte verschoben werden, weil die Käufer zunächst die weitere wirtschaftliche Entwicklung und deren Effekte auf die persönliche (finanzielle) Situation abwarten wollen.
Hinzu kommt ein potenzielles Finanzierungsproblem. Für den Kauf haben mögliche Käufer relativ viel Geld (Eigenkapital) ansparen müssen, um eine Immobilie erwerben zu können. Teilweise werden sie ihr Geld in Aktien angelegt haben, da diese eine hohe Rendite versprachen. Durch die massiven Kursverluste der letzten Wochen könnte aber nun das Geld nicht mehr für den Kauf reichen.
Fazit: Coronaangst trifft auf Rezessionsangst
Abhängig vom Verlauf der Krise (Fristigkeit und Stärke) werden die Folgen für den Wohnungsmarkt ausfallen. Die Mieter und Käufer werden insgesamt vorsichtiger, da die Coronaangst auf die bereits latent vorhandene Rezessionsangst trifft. So ist mit Rückgängen bei Neuvermietungen und Verkäufen zu rechnen, sodass die Preise unter Druck geraten. Zur Stabilisierung tragen jedoch die Sofortmaßnahmen der Regierungen und der Notenbanken bei. Es ergibt sich insgesamt ein gemischtes Bild, wobei nur eindeutig ist, dass die Situation noch eine Weile von hoher Unsicherheit geprägt sein wird.