Die Stimmung im deutschen Immobilienmarkt bleibt angespannt. Torsten Hollstein und Claudius A. Meyer, Geschäftsführer der CR Investment Management, beschreiben die aktuelle Lage als äußerst herausfordernd und ungewiss. „Die Stimmung ist überall gedrückt, teilweise sogar fatalistisch. Viele Marktteilnehmer fühlen sich orientierungslos“, so Torsten Hollstein. Claudius A. Meyer ergänzt: „Zwar tritt eine gewisse Stabilisierung ein und die Zinsentwicklung wird besser prognostizierbar, doch die Volatilität der Probleme bleibt hoch. Überraschend ist, dass auch der Wohnungsmarkt stark betroffen ist, obwohl dieser als besonders stabil galt.“
Vor allem im Bereich der Gewerbeimmobilien spitzt sich die Lage weiter zu. Während in der Vergangenheit Umbauten und Umnutzungen als Antworten auf sich wandelnde Marktbedingungen dienten, sorgt der Anstieg von Non-Performing Loans (NPLs) nun für zusätzlichen Druck auf Finanzierer und Investoren. Im Zeitraum von 2024 bis 2028 wird die Refinanzierungslücke laut HIH Invest im deutschen gewerblichen Investmentmarkt auf rund 20 Milliarden Euro geschätzt, wobei der Höhepunkt 2026 erreicht wird. Besonders betroffen sind Büro- und Einzelhandelsimmobilien, während das Defizit bei Logistik- und Wohnimmobilien geringer ausfällt.
Markt differenziert sich stark nach Lagen und ESG-Kriterien
Die starke Fokussierung auf ESG-Kriterien verändert den Markt ebenfalls. „Gerade große Corporates haben ESG fest in ihren Geschäftsmodellen verankert und sind bereit, die höheren Mieten für entsprechende Flächen zu zahlen“, so Claudius A. Meyer. Die Mehrheit der Marktakteure, insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, kann diese Preisniveaus jedoch nicht stemmen. „Das führt zu einer Differenzierung nach Lagen und ESG-Standards, die wir so bislang nicht gekannt haben“, erklärt er weiter.
Die Finanzierung stellt dabei einen zentralen Knackpunkt dar, die Finanzierungen haben feste Vertragslaufzeiten, die in den nächsten Jahren auslaufen. Insbesondere bei mittelständischen Unternehmen sind oft mehrere Finanzierer involviert, darunter Nachrangfinanzierer wie Kreditfonds. Diese heterogene Struktur führt zu harten Verhandlungen um Rangpositionen, was die Refinanzierung zusätzlich erschwert. „Die Marktteilnehmer müssen sich an das neue Problemniveau gewöhnen“, warnt Claudius A. Meyer.
Neue Herausforderungen für institutionelle Investoren
Laut Torsten Hollstein befinden sich viele institutionelle Investoren und Private-Equity-Fonds aktuell in einer defensiven Position. „Es stehen durchaus eigenkapitalstarke Akteure bereit, um in solche Situationen zu investieren. Es muss allerdings jede Eigenkapitalaufstockung genauso gerechtfertigt werden, als ob es ein komplett neues Investment wäre“, erklärt er. Hinzu komme, dass aus Europa erheblich Kapital abgeflossen ist, das nun für die dringend notwendigen Refinanzierungen fehlt.
Ein weiteres Problem stellt die stark fragmentierte Finanzierungsstruktur dar. „Früher hatte man ein oder zwei Finanzierer im Portfolio eines Investors, heute sind es oft 30 oder 40 verschiedene Akteure. Das macht eine Einigung schwierig und erhöht das Risiko für harte Einschnitte“, so Torsten Hollstein weiter. Hier fehle noch eine Markt-Guidance. Für viele Marktteilnehmer wird es daher nicht den einen „schwarzen Monat“ geben, nach dem die Krise überwunden ist. Vielmehr werden immer wieder einzelne Segmente oder Regionen betroffen sein, was zu einer langanhaltenden Belastung führt.
Marktprognose: „Keine hawaiianischen Superwellen, sondern heimtückische Nordseewellen“
Die Entwicklung im Non-Performing-Loan-Markt bleibt für die kommenden Jahre schwer vorhersehbar. Torsten Hollstein erwartet keine plötzlichen großen Crashs, sondern eher eine schleichende, aber beständige Verschlechterung: „Ich rechne nicht mit hawaiianischen Superwellen, sondern eher mit Sylter Nordseewellen: klein, schnell und heimtückisch. Die Problematik wird uns länger erhalten bleiben.“ Claudius A. Meyer betont den Unterschied zur Finanzkrise 2008: „Damals waren selten die Mietcashflows betroffen. Es stellte sich die Wertfrage, aber die Miete kam immer. Das ist bei aktuellen Abwertungen nicht immer so.“ Der Experte spricht derzeit von einer „Komplexität, die schwer zu begreifen ist“.
CR Investment Management, eine Tochtergesellschaft der CR Holding, ist derzeit mit der Verwertung des Immobilienportfolios der insolventen Alpha Real Estate Gruppe betraut. Bis zum Jahresende werden etwa 1.350 Wohneinheiten mit einer Gesamtfläche von mehr als 94.000 Quadratmetern verkauft. Der Druck auf den gesamten Gewerbeimmobilienmarkt nimmt zu. „Es wird immer wieder knacken. Irgendwann muss einer nachgeben, und das wird den Markt weiter destabilisieren“, prognostiziert Torsten Hollstein. Die steigende Anzahl an Problemfällen, insbesondere bei Gewerbeimmobilien, führt dazu, dass sich der Markt stärker auf Distressed Asset- und Loan-Verkäufe einstellen muss.