Die Hauptstadt will seine letzte große Brache neu planen und sucht nach einem Masterplan für das rund 150 Hektar große Planungsgelände zwischen der Messe Berlin, dem Internationalen Congress Centrum Berlin (ICC) und dem S-Bahnhof Westkreuz bis zum S-Bahnhof Grunewald. Ein schweizerisch-deutsches Team konnte sich mit seiner Vision für das Areal im Vergabeverfahren durchsetzen und wurde nun mit der Erarbeitung des Masterplans beauftragt.
Artikel vom 16. März 2023: Der Begriff Stadteingang ist ein bisschen mutig. Denn es gibt ihn eigentlich nicht. Beziehungsweise: noch nicht. Christian Gaebler, Staatssekretär für Bauen und Wohnen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen des Landes Berlin, hatte beim Auftakt zur öffentlichen Beteiligung im vergangenen Jahr das Problem kurz skizziert: „Es ist zwar ein Eingang in die Stadt, aber eigentlich nicht in dieses Gelände.“
Von der Avus kommend signalisieren Funkturm und das ICC: Det is Berlin. Das Gelände dazwischen kaum zugänglich, „ein unbekannter, versteckter Ort“. Das soll sich ändern. Acht Planungsteams arbeiten seit Januar 2023 an den Entwürfen für ein Quartier namens Stadteingang West und haben im Februar erste Ideen in einer Ausstellung in den AVUS-Tribünen präsentiert. Die Vorschläge werden in diesem Jahr öffentlich diskutiert und am Ende ein Masterplan beschlossen. Er wird die Grundlage für die Änderung des Flächennutzungsplans sein.
Quartier Stadteingang West: Wohnen zwischen Autobahn und Gleisanlage
Die Planungsbereiche gliedern sich in das Reitschulgelände, den ehemaligen Güterbahnhof Grunewald, die AVUS-Nordkurve und das Westkreuz. Dass dieses Areal überhaupt neu erschlossen werden kann, liegt am geplanten Umbau des Autobahndreiecks Funkturm. Die AVUS-Nordkurve wird komplett verändert. Dadurch könnten auch die Flächen des ehemaligen Güterbahnhofes Grunewald für Wohnen, Arbeiten und Freizeit umgenutzt werden.
„Die Herausforderung liegt in der Besonderheit des Ortes, seiner isolierten Lage zwischen Autobahn und Gleisanlage, der daraus resultierenden Lärmbelastung und Erschließungssituation“, sagt Christian Gaebler. Die Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeld betont: „Der Schwerpunkt liegt auf gemeinwohlorientiertem Wohnen.“ Der als abgeschlossen geltender, gehobener Ortsteil Grunewald soll damit für andere soziale Bevölkerungsschichten geöffnet und ihm ein neues Image gegeben werden.
Planungsteams aus ganz Europa am Start
An der Ideensuche für ein neues gemischtes Quartier mit viel Grün und Bezug zum Messestandort beteiligen sich die Planungsteams:
- ADEPT AsP, Kopenhagen
- asp Architekten GmbH, Stuttgart mit Koeber Landschaftsarchitektur GmbH, Stuttgart und Inovaplan GmbH, Karlsruhe
- Cobe A/S, Kopenhagen mit orange edge GbR, Hamburg
- De Zwarte Hond GmbH, Köln und RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Bonn mit 1komma2, Berlin; Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin und Metabolic, Amsterdam
- gmp International GmbH, Berlin mit WES GmbH, Hamburg
- Henning Larsen Architects A/S, Kopenhagen
- Hosoya Schaefer Architects AG, Zürich und Agence Ter.de GmbH, Karlsruhe mit Burckhardt+Partner GmbH, Berlin
- Ortner & Ortner Baukunst GmbH, Berlin.
Vom Archipel bis zum Hochhaus: Alles ist denkbar für den Statdteingang West
Die Rahmenbedingungen für die Bebauung sind relativ weit gefasst: Vom Archipel bis zum Hochhaus, alles ist möglich. Schon im Vorfeld hatten sich Bürger vor allem Fahrradwege und -durchfahrten gewünscht. Marcus Penell von Ortner & Ortner Baukunst betont daher eine wesentliche Frage für das Gesamtareal: „Wie können wir was mit wem verbinden an dieser Stelle.“
Neue Wegeverbindungen sind zu entwickeln. Als Beispiel zieht er ein anderes großes Entwicklungsprojekt heran, die Siemensstadt Square Berlin. Sie zeige wie ein Raum für alle Verkehrsteilnehmer und Bewegungen gleichberechtigt aussehen könne. Auch das Museumsquartier in Wien sei ein gelungenes Beispiel für ein informelles Angebot an die Stadtgesellschaft: „Ein Ort für alle.“ Er verweist auf den Entwurf für die Urbane Mitte am Gleisdreieck, die ebenfalls von Bahnlinien durchkreuzt wird. Sicher sei, dass dieses Stück Stadt am Stadteingang West ein anderes sein werde, als es die herkömmliche Stadt bisher erbracht habe. Die Präsentation der Phase I ist für Juni avisiert.
Start für den Masterplan für das Quartier Stadteingang West
Update vom 08.04.2024: Das seit Ende 2022 durchgeführte Vergabeverfahren im wettbewerblichen Dialog für den Stadteingang West wurde erfolgreich abgeschlossen. Die Planungsteams von Hosoya Schaefer Architects AG aus Zürich und Agence Ter.de GmbH aus Karlsruhe sind mit der Erarbeitung des Masterplans für ein urbanes Stadtquartier beauftragt. Der Masterplan bildet die Grundlage für das notwendige Planungsrecht.
Das städtebauliche Konzept von Hosoya Schaefer Architects AG und Agence Ter.de GmbH sieht für den Stadteingang West ein nutzungsgemischtes Quartier mit einer landschaftlich geprägten Vision des Ortes vor. Das Planungsteam hat mit einer flexiblen Grundstruktur ein robustes Gerüst für die Ausbildung von Quartieren erarbeitet, das sich baulich und räumlich an den lokalen Bedingungen der einzelnen spezifischen Planungsbereiche orientiert:
- Mit der Setzung von Hochpunkten wurde ein Auftakt im Planungsgebiet als Stadteinfahrt formuliert und der S-Bahnhof Westkreuz als Hochhauscluster konzipiert.
- Die Bereiche des ehemaligen Güterbahnhofs Grunewald und des Reitschulgeländes sind als Quartiere mit Vorrang für Wohnen und Einrichtungen sozialer Infrastruktur angedacht.
- Die Flächen in der Nähe der Messe Berlin sind als neuer Logistikstandpunkt und moderate Erweiterung für messeaffine Nutzungen vorgesehen.
Christian Gaebler, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen: „Nach einem intensiven Dialogprozess ist die Beauftragung der Planungsteams der nächste Meilenstein bei der Entwicklung dieses ganz besonderen Stadtraums. Der Stadteingang West bietet Berlin große Entwicklungsmöglichkeiten. Wir schaffen bezahlbaren, qualitätsvollen und innenstadtnahen Wohnungsbau. Wir vernetzen die entstehenden Quartiere mit den bestehenden Nachbarschaften und dem Standort der Messe, wir schaffen eine städtebauliche Verbindung zwischen dem Grunewald und der City-West. Der Stadteingang West ist ein Generationen-Projekt.“