So können die Dekarbonisierung von Städten beschleunigt und Stranded Assets vermieden werden

So können die Dekarbonisierung von Städten beschleunigt und Stranded Assets vermieden werden

So können die Dekarbonisierung von Städten beschleunigt und Stranded Assets vermieden werden
Anhand der Hauptstadt entwickelte das Urban Land Institut Lösungen zur Vermeidung von Stranded Assets auf Stadtebene. Copyright: Jo Knopf auf Pixabay

Das Urban Land Institute (ULI) hat Vorschläge zur schnelleren Dekarbonisierung auf Stadtebene am Beispiel von Berlin erarbeitet. Demnach sollten schnell Quartierskonzepte entwickelt werden, bei denen viele verschiedene Stakeholder vor Ort vernetzt werden. Dabei müsse die Dekarbonisierung Teil einer ganzheitlichen Transformationsstrategie sein. Ziel sei, dem Risiko von „Stranded Assets“ entgegenzuwirken. Denn wenn Objekte aus energetischer Sicht „stranden“ würden, hätte dies nicht nur negative Auswirkungen auf deren Eigentümer, sondern auch negative sozio-ökonomische Folgen für die Umgebung. Ein Planspiel am Beispiel des Kurfürstendammes und eines nicht mehr „so lebendigen“ Wohnquartiers.

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Sabine Georgi, Geschäftsführerin des ULI Deutschland/Österreich/Schweiz: „Die Ergebnisse unseres Beratungsprojekts Advisory Services Panel (ASP) zu sogenannten 'Lösungen auf Stadtebene', das Ende Februar 2024 stattfand, ist ein erster Schritt für eine Konzeption zur Transformation von Gebäuden unter Einbeziehung von Investitionen in den Freiraum und andere Infrastrukturelemente. Sie sollen als Blaupause dienen, wie es stadtweit gelingen kann, in Quartieren die Dekarbonisierung zu beschleunigen.“

Die positiven Effekte der Dekarbonisierung

Dabei hat sich das ASP an folgender These orientiert: Investitionen in die Nachbarschaft beziehungsweise auf Quartierebene in die Gebäude („Retrofitting“) bei gleichzeitiger Investition in Energiesysteme (Heizung, Wasser), Grünanlagen sowie Infrastruktur führen zu multiplen positiven Ergebnissen. Die Folge ist nicht nur eine CO2-Reduzierung und eine bessere Umweltverträglichkeit, das Vorgehen induziert auch eine Zunahme an Arbeitsplätzen, ökonomische Vorteile, eine bessere Biodiversität und positive gesundheitliche Aspekte. Es zeigt sich, dass von der Dekarbonisierung viele positive Effekte ausgehen, die genutzt werden können, um die Wirtschaftlichkeit der Investition insgesamt zu verbessern.

Susan Georgi ergänzt: „Wenn ein gemeinschaftlicher Ansatz bei der Dekarbonisierung verfolgt wird, ist offensichtlich, dass nur dann auch Potentiale gehoben werden können, die bei einem Konzept, in dem jeder Gebäudeeigentümer einzeln agiert, unbeachtet bleiben. Beispiele dafür sind Verkehrs- und Mobilitätskonzepte oder die Nutzung von Abwärme aus dem einen Gebäude für einen anderen Eigentümer. Ein gemeinschaftliches Vorgehen hilft also sowohl C02 zu reduzieren als auch den Wert der einzelnen Immobilie zu steigern.“

Um die Dekarbonisierung zu finanzieren, sollten nicht nur wie bisher die direkten Einsparungen monetarisiert und zur Refinanzierung herangezogen werden (bei Wohnungen ausgedrückt durch die Mieterhöhung), sondern es sollten auch Organisationen in die Refinanzierung integriert werden, die von der Dekarbonisierung profitieren. Ein Beispiel: Ein Quartier ist verkehrstechnisch noch nicht perfekt angebunden. Ein Arbeitgeber vor Ort hat natürlich Interesse an einer guten Erreichbarkeit für seine Mitarbeitenden und könnte als großer Stakeholder gemeinsam mit anderen Beteiligten vor Ort in entsprechende Konzepte investieren. Die eingenommenen Mittel könnten neben der Einführung eines Mobilitätskonzeptes auch zu einer Erhöhung der Dichte (zum Beispiel durch einen zusätzlichen Dachgeschossaufbau) verwendet werden, um die Wirtschaftlichkeit des Bestandes zu verbessern. Das Ziel ist demnach, eine Erweiterung der Perspektiven und das gezielte Suchen nach Stakeholdern, die durch die Dekarbonisierung gewinnen.


 

Susan Georgi im IMMOBILÉROS-Podcast über die Lebensqualität des Menschen in urbanen Räumen, Stadtentwicklung, Stadtflucht und Nachhaltigkeit.

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Die Dekarbonisierung und Belebung des Kurfürstendammes

Das ASP des ULI schlägt für den Kurfürstendamm vor, wieder den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, die Straße zu „inszenieren“ und zu einer Destination zu machen. Das heißt, neue Nutzungen hinzuzufügen und bessere Aufenthaltsqualitäten zu schaffen. Dabei können die bestehenden Strukturen, wie die AG City West und der BID (Business Improvement District ), unterstützend wirken und helfen, die gemeinsamen Investitionen zu koordinieren. Neben dem Ziel der Erhöhung der Attraktivität könnte man beispielsweise mit dem BID gemeinsame Investments in die Dekarbonisierung des Quartiers tätigen, um eine nachhaltige und CO2-arme Nutzung zu ermöglichen. Ziel ist es, eine urbane und florierende Nachbarschaft zu erwirken, zugleich ein weiterhin ökonomisch erfolgreiches Viertel zu erhalten und es mit neuen sozialen Aspekten, wie Aufenthaltsflächen oder Bildungsangeboten, aufzuwerten.

Dabei sollte der öffentliche Sektor mit einbezogen werden, der private Sektor sollte jedoch als Taktgeber fungieren. Einfache, erste Lösungen stellen beispielsweise die Implementierung von Solarpaneelen auf Bushaltestellen, Kiosken oder Werbekästen dar. Das ULI empfiehlt außerdem die Integration des Themas Bildung auf dem Kurfürstendamm, da sich die TU in der Nähe befindet. So würden mehr Menschen den Kurfürstendamm beleben und wieder mehr Fluktuation stattfinden. Auch sollten die öffentlichen Plätze „bespielt“ und kuratiert werden, beispielsweise durch die Schaffung von attraktiven Begegnungsinseln. Der Vorrang für Fußgänger würde zu einer CO2-Verminderung beitragen, genauso wie Energie-Konzepte, die für Quartiere Lösungen bieten (gemeinsames Netz zur Nutzung der Abwärme, Tiefengeothermie und so weiter).

Zur Erarbeitung und Umsetzung dieser Konzepte ist das Einsetzen einer Taskforce und von Stakeholder-Foren, zum Beispiel für Einzelhändler, Anwohner und mehr, hilfreich, so dass ein breites Engagement erzielt wird. Die Stakeholder könnten zu zusätzlichen Investitionen motiviert werden, indem man die Werte, die nur gemeinsam erreicht werden können, darstellt und Wege zur Hebung aufzeigt (zum Beispiel attraktive Außenflächen führen zu attraktiveren Angeboten für Einzelhändler). Ein Anreiz, neben diesen positiven externen Effekten, ist auch, dass Mieter wieder ein höheres Interesse an dem Standort haben. Dies kann aber nur gemeinsam gelingen, und die höhere Attraktivität der gesamten Umgebung wäre Anreiz genug, um die Attraktivität von gemeinsamen Investments zu erhöhen.

Die Wiederbelebung und Vernetzung eines Wohnquartiers

In einem Wohnquartier kann der gleiche Ansatz wie am Kurfürstendamm verfolgt werden, obwohl beide Beispiele augenscheinlich sehr unterschiedlich sind. Dabei steht die Idee im Vordergrund, wichtige Stakeholder vor Ort zu identifizieren, die die Entwicklung vorantreiben. Durch zusätzliche Investitionen, in zum Beispiel Gemeinschaftsräume, kann der soziale Wert gesteigert und auch ein revolvierender Nachbarschaftsfonds eingesetzt werden. Zudem sollten auch hier Organisationen identifiziert werden, die von den zusätzlichen Investitionen profitieren und re-investieren würden. Darüber hinaus sollten Potenziale in der Nachbarschaft genutzt werden, so dass kleine Stakeholder von großen profitieren, wie beispielsweise durch gemeinsame Investitionen in Photovoltaik.

Für die Zusammenarbeit ist es wichtig, dass Lösungen und Erkenntnisse gebündelt werden. Es braucht folglich ein „Gefäß“ – analog zum BID – einen sogenannten „Neigbourhood Improvement District“ und Teams, die den einzelnen Eigentümern Angebote machen und helfen, die Akzeptanz des gemeinsamen Investierens zu ermöglichen. Es sollte dazu ein physischer Ort für den Austausch der Stakeholder und Nachbarn gefunden werden. Hier kann auf die Erfahrung der Stadt Wien zurückgegriffen werden, bei dem in jedem der zwölf Bezirke ein Team von der Stadt finanziert wird, das kompetent Lösungen für die einzelnen Quartiere erarbeitet und hier sowohl niedrigschwellige Angebote vorhält als auch ein blockweises Vorgehen ermöglicht.

Eine Strategie, um auch ein Viertel beispielsweise aus den 1970-er Jahren unter der Einbeziehung der Nachbarschaft zu einem lebendigen und wirtschaftlich attraktiven Quartier zu machen, würde demnach folgende Aspekte umfassen:

Das Geschäftsmodell für das ´Retrofitting´ eines Wohnquartiers, wird im Wesentlichen durch den Gedanken geleitet, dass ein Denken außerhalb der eigenen Grundstücksgrenzen erfolgt, insbesondere Einzeleigentümer könnten hier mit einbezogen werden, indem zum Beispiel Netzlösungen geschaffen werden oder in gemeinsame Außenflächen investiert wird.

Gemeinsam zum Ziel

Susan Georgi abschließend: „An den Beispielen sehen wir, dass uns die Dekarbonisierung und auch das Vermeiden von 'Stranded Assets' nur durch Quartierslösungen gelingen wird. Gemeinsam ein Ziel zu verfolgen, bedeutet demnach sowohl Erhalt als auch Steigerung von Immobilienwerten für jeden einzelnen.“

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