Dessau-Roßlau: Erste digitale Baugenehmigung in Mitteldeutschland

Dessau-Roßlau: Erste digitale Baugenehmigung in Mitteldeutschland

Dessau-Roßlau: Erste digitale Baugenehmigung in Mitteldeutschland
Bauprojekt: Das Pharma-Unternehmen Octapharma will in Dessau-Roßlau den Eingangsbereich seines Verwaltungsgebäudes neu gestalten. Dazu benötigte die Firma eine Baugenehmigung. Quelle: SFK Architekten Partgmbb

Die Stadt genehmigt ein Bauvorhaben für das Pharma-Unternehmen Octapharma papierlos. Die Bearbeitungsdauer halbiert sich durch das elektronische Verfahren. Wann andere Kommunen folgen.

Agentur

Aktenberge ade: In Dessau-Roßlau ist die erste Baugenehmigung digital ausgestellt worden. Das Architekturbüro SFK Architekten Partgmbb erwirkte diese für das Pharma-Unternehmen Octapharma. „In sage und schreibe sieben Wochen haben wir die Genehmigung erhalten“, sagt Architekt Stefan Frohnsdorf. Sein Büro gestaltet für das Pharma-Unternehmen den Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes in der Bauhaus-Stadt neu. Es handelt sich um die erste digitale Baugenehmigung, die in den drei mitteldeutschen Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vergeben wurde.

Die digitale Baugenehmigung ist Teil des sogenannten Onlinezugangsgesetzes (OZG). Bundesweit sollen insgesamt 575 Verwaltungsdienstleistungen digital angeboten werden. Das reicht über die Beantragung des Personalausweises über den Führerschein bis eben zur Baugenehmigung. Obwohl es für die Länder eine rechtliche Verpflichtung gibt, die digitalen Dienste zur Verfügung zu stellen, stockt der Prozess seit Jahren. 

Das Land Mecklenburg-Vorpommern war für die Erstellung einer bundeseinheitlichen Baugenehmigungsplattform zuständig. Bisher nutzen diese den Angaben zufolge etwa 50 Bauämter in zehn Bundesländern. In Sachsen-Anhalt sind das neben Dessau-Roßlau seit Frühjahr auch die Landkreise Wittenberg und Harz. In Sachsen und Thüringen laufen aktuell erst in vielen Bauämtern Vorbereitungen zur Einführung. Dabei sind die Vorteile für Antragssteller und Behörden groß.

Laut Architekt Stefan Frohnsdorf dauert die Bewilligung bisher je nach Projektumfang mindestens vier bis sechs Monate. In Großstädten sei es teilweise mehr als ein Jahr. Durch den digitalen Antrag werde die Genehmigungsdauer „mindestens halbiert“. Nach seinen Worten umfasst ein einfacher Bauantrag bisher mindestens einen Aktenordner, der in mindestens dreifacher Ausführung an das Amt gegeben werden muss. „Das ist nötig, da verschiedene Abteilungen etwa Belange des Umwelt- und Denkmalschutzes sowie des Hochbaus prüfen“, erläutert er. Es gebe jetzt eine Zeitersparnis, da alle Abteilungen gleichzeitig Zugriff auf die Dokumente hätten.

Architekt Sefan Frohnsdorf hat die Baugenehmigung für seinen Auftraggeber erwirkt. Quelle: SFK Architekten Partgmbb

Die Plattform hat IT-Dienstleister brain-SCC aus Merseburg (Sachsen-Anhalt) für das Land Mecklenburg-Vorpommern erstellt. „Die Antragssteller können jederzeit den Bearbeitungsstatus einsehen und mit den Sachbearbeitern der Bauaufsichten kommunizieren, Dokumente versenden und empfangen“, nennt brain-SCC-Geschäftsführer Sirko Scheffler weitere  Vorteile. Auch in den Bauaufsichtsbehörden würden die Anträge nicht mehr ausgedruckt, sondern komplett digital bearbeitet und beschieden.  „Müssen  externe Stellen eingebunden werden, so kann diese Beteiligung schnell und einfach  über unsere Plattform eingeholt werden“, so Sirko Scheffler. Gerade bei größeren Bauprojekten wie Mehrfamilienhäuser und Hochhäuser mussten bisher ganze Wagenladungen von Aktenordnern zu den Ämtern gefahren werden.  Scheffler spricht von „80 Aktenordner und mehr“. 

„Bei größeren Bauvorhaben kann durch den digitalen Antrag die gesamte Projektzeit deutlich verkürzt werden“, ist sich Architekt Stefan Frohnsdorf sicher. Zur Veranschaulichung:  Beim seriellen Bauen von Mehrfamilienhäusern beträgt die reine Bauzeit 12 bis 24 Monate. In den vergangenen Jahren kamen wegen stark gestiegener Materialpreise noch enorme Risiken in der Kostenkalkulation hinzu. „Zwischen Bauantrag und  Genehmigung war die Planung häufig bereits überholt“, schildert er die Probleme. 

Bis sich die digitalen Anträge bundesweit durchsetzen, wird es allerdings noch dauern. Laut  Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern wurden bisher bundesweit 2.000 Baugenehmigungen über die Plattform digital gestellt. Zum Vergleich: In Deutschland werden jährlich etwa 200.000 Bauanträge genehmigt. In Sachsen-Anhalt sollen laut Digitalministerium alle 19 unteren Bauaufsichtsbehörden des Landes angeschlossen werden. Das Ministerium hebt hervor, dass ein neuer Basisdienst – Beteiligungsportal des Landes Sachsen-Anhalt – auch Schritte vor der Baugenehmigung (unter anderem Beteiligung zur Aufstellung Bebauungsplan und Flächennutzungsplan) digitalisiert. Zu den zehn Bundesländern, die das in Mecklenburg-Vorpommern entwickelte Baugenehmigungsverfahren bisher nutzen, zählen Baden-Württemberg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.

Das Architekturbüro gestaltet für das Pharma-Unternehmen den Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes in der Bauhaus-Stadt neu. Quelle: SFK Architekten Partgmbb

Ein deutschlandweit einheitliches Verfahren ist allerdings nicht in Sicht. Manche Bundesländer haben sich laut einem Bericht des „Handelsblattes“ dagegen entschieden und arbeiten an einem eigenen System, darunter Berlin und Bayern. Laut Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr ist der digitale Bauantrag dort in 84?Städten und Landratsämtern möglich. Der erste papierlose Antrag wurde im August 2023 in Augsburg genehmigt.