Der Boom in der Rechenzentrumsbranche wird sich 2023 und darüber hinaus fortsetzen. Davon ist James Hart, CEO von BCS Business Critical Solutions, überzeugt. Für das neue Jahr hat er folgende fünf wesentliche Trends ausgemacht.
Die Assetklasse Rechenzentrum: Kein Ende des Wachstums in Sicht
Die Rechenzentrumsbranche wird 2023 vor allem durch ihr anhaltendes Wachstum geprägt. Der Sektor hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Weil die Nachfrage nach Datenspeicherkapazität und Rechenleistung nur eine Richtung kennt – die nach oben –, wird das Wachstum in absehbarer Zukunft anhalten. Der BCS Summer Report zeigt, dass fast 100 Prozent der Befragten aus der Branche weiteres Wachstum erwarten. Diese Annahme wird auch durch andere Untersuchungen gestützt, die für die nächsten fünf Jahre eine jährliche Wachstumsrate von 15 bis 30 Prozent prognostizieren.
Mehr Standorte
Das anhaltende Wachstum sorgt dafür, dass der Druck auf die etablierten Rechenzentrumsstandorte weiter zunimmt. Städte wie Dublin, Amsterdam oder Frankfurt am Main hatten in den vergangenen Jahren bereits Probleme, der Nachfrage gerecht zu werden. Weiteres Wachstum an diesen Standorten wird durch Faktoren wie fehlende zusätzliche Infrastruktur, knappe Energieverfügbarkeit und – manchmal auch – mangelnde Akzeptanz durch die lokale Bevölkerung begrenzt.
Auf europäischer Ebene ist zu erwarten, dass die Kapazitäten in Städten wie Mailand und Madrid deutlich stärker wachsen werden als an den etablierten Standorten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Madrid innerhalb von fünf Jahren sogar Frankreich bei der IT-Auslastung überholen wird. Zudem wird sich eine bereits länger kursierende Vorhersage erfüllen: ein steiler Anstieg der Rechenzentrumskapazität in Skandinavien. An Infrastruktur und (grüner) Energie mangelt es dort nicht.
Was Deutschland betrifft, so werden die Standorte aus der „zweiten Reihe“ voraussichtlich am stärksten wachsen: Berlin, Düsseldorf und München. Selbst Standorte wie Hamburg, Stuttgart und Nürnberg werden ein erhebliches Wachstum verzeichnen.
Die Rechenzentren-Branche macht ernst mit Umweltschutz
2023 werden neue Technologien in großem Umfang eingeführt, um die Branche auf einen „grüneren“ Weg zu bringen. So wird Diesel durch hydriertes Pflanzenöl (HVO) als Brennstoff für Stromgeneratoren ersetzt. HVO wird aus gebrauchten Speiseölen, tierischen Fetten aus der Lebensmittelverarbeitung, Tallöl (flüssiges Kolophonium) und Pflanzen gewonnen, die nicht der Ernährung dienen. Die Verwendung von HVO anstelle von fossilem Diesel hilft den Betreibern von Rechenzentren, die schädlichen Abgase und CO2-Emissionen erheblich zu verringern.
Außerdem werden Rechenzentrumsbetreiber vermehrt auf Grid-Lösungen oder Batterien anstelle von Stromgeneratoren als Backup zurückgreifen. Einige der großen Akteure in diesem Bereich, wie Microsoft und Google, investieren bereits in großem Umfang in Wasserstoffbatterien als alternative Backup-Lösung.
Weil die Fristen für eine Reihe von Umweltvorschriften wie den „Pakt für klimaneutrale Rechenzentren“ (Climate Neutral Data Centre Pact: CNDCP) näher rücken, bleibt den Verantwortlichen keine andere Wahl, als ökologischer zu handeln. Die Branche wird selbst das Ruder in Richtung CO2-Neutralität umlegen oder von den Regulierungsinstanzen gezwungen werden und die Kontrolle über den Prozess verlieren. Letzteres ist keine akzeptable Option.
In unserem Immobiléros-Podcast mit Anna Klaft sprechen wir ausführlich über das Asset Rechenzentrum.
Veränderungen in der IT-Infrastruktur
Die Betreiber werden 2023 eine Reihe von Komponenten innerhalb des Rechenzentrums, im Speziellen die IT-Infrastruktur, weiter optimieren. Die Branche wird einen mehrgleisigen Ansatz für die Modernisierung der IT-Infrastruktur verfolgen, um mehr Nachhaltigkeit zu erzielen. Dazu zählen der Einsatz energieeffizienterer Server und die Konsolidierung einer großen Anzahl älterer Speicher-Arrays auf moderne, leistungsfähigere und zuverlässigere Speicher-Arrays mit der neuesten Solid State Disc (SSD)-Technologie.
Um die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Kühlung der Infrastruktur zu bewältigen, wird die Branche zum einen neue Kühltechniken einführen und zum anderen IT-Hardware einsetzen, die widerstandsfähiger gegen höhere Temperaturen ist, wodurch der Kühlungsbedarf verringert wird.
Fachkräftemangel bleibt auch für die Assetklasse Rechenzentrum ein Problem
Der Fachkräftemangel ist bereits heute ein großes Problem für die Rechenzentrumsbranche, wie unser jüngster Summer Report bestätigt. Die Herausforderungen werden sich in Zukunft noch verschärfen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Die Branche muss sich klüger entscheiden, wo sie talentierte Mitarbeiter für den Betrieb ihrer Rechenzentren findet und neue Ideen entwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
In einer Reihe von Branchen ist ein wirtschaftlicher Abschwung zu erwarten. Das bietet den Betreibern von Rechenzentren die Möglichkeit, entlassene Mitarbeiter einzustellen und umzuschulen. Das ist notwendig, weil die Zahl der frisch von den Universitäten kommenden Fachkräfte auf absehbare Zeit unzureichend bleibt. Insgesamt muss die Branche offener und aktiver für sich selbst als attraktiver und zukunftsträchtiger Arbeitsplatz werben. Die talentiertesten Mitarbeitenden werden sich immer den Arbeitgeber aussuchen können, den sie am attraktivsten finden – und derzeit ziehen viele darunter eine Karriere in der Rechenzentrumsbranche noch nicht einmal in Betracht.