Digitalisierung: Branchenfremde Datenstandards als mögliche Vorbilder für die Immobilienwirtschaft

Digitalisierung: Branchenfremde Datenstandards als mögliche Vorbilder für die Immobilienwirtschaft

Digitalisierung: Branchenfremde Datenstandards als mögliche Vorbilder für die Immobilienwirtschaft
Die Digitalisierungsexpertin Heike Gündling über Datenstandards in der Immobilienwirtschaft. Copyright: (li.) PIRO4D auf Pixabay und (re.) Eucon

Zahlreiche Branchen in Deutschland haben sich durch eine freiwillige Selbstverpflichtung eine standardisierte Regelung für die Aufarbeitung und den Austausch von Daten gegeben. In der Immobilienwirtschaft hat erst kürzlich die gif (Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V.) als unabhängige wissenschaftliche Instanz einen Leitfaden mit 164 Dokumentenklassen erarbeitet. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, der durch Erfahrungen anderer Wirtschaftszweige in Zukunft noch ergänzt werden kann. Wie, das erklärt Heike Gündling  von der Eucon Digital GmbH.

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Um digitale Daten zu verwalten, ist ein Ordnungssystem unabdingbar. Vorgaben, die für alle Branchenakteure gelten, helfen beim standardisierten Datenaustausch zwischen einzelnen Dienstleistern. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Frankreich, den USA oder den Niederlanden existierte bis 2014 in Deutschland kein Standard für den effizienten Austausch von Daten. Der Austausch erfolgte stattdessen über Excellisten, eigene Programme oder unternehmensspezifische Schnittstellen. Die Folge: hohe Implementierungskosten, zeitaufwendige Wartung, Verlust von Datenqualität aufgrund multipler Fehlerquellen und hoher manueller Aufwand bei der Prüfung von Daten.

Die Datenraumrichtlinie der gif (Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V.) erschien erstmals als Version 1.0 im Jahr 2014 und ermöglicht seit ihrer Einführung die Standardisierung digitaler Datenräume. Ziel ist es, allen Marktteilnehmern die Zusammenarbeit zu erleichtern. So kann die Konzeption, Planung, Errichtung, der Ankauf, die Bewirtschaftung und der Verkauf von Immobilien und Immobilienprodukten mittels eines transparenten Datenaustausches effizient gestaltet werden. Eine weitere Zielgruppe sind Software-Anbieter, die diesen Prozess mit ihren Produkten unterstützen.  

In der Immobilienwirtschaft besteht ein gewaltiges Digitalisierungspotential

Einheitliche Dokumentenklassen, Zuordnungsmatrizen und automatisierte Exportstrukturen ermöglichen eine erleichterte Durchsuchung und Ordnung von Immobiliendatenräumen. Dies führt zu schnelleren Transaktionsprozessen, geringeren Haftungsrisiken, Gewährleistung von Revisionssicherheit sowie Transparenz durch lückenlosen Datenbestand.

So spart beispielsweise der Asset Manager beim Erwerb einer Immobilie enorm viel Zeit: Statt aufwendiger, oft manueller Übertragung aller zum neuen Objekt gehörenden Daten in das eigene System, können bei standardisierten Prozessen größere Datenmengen  automatisch sortiert und relevante Informationen extrahiert werden. Besonders in den Bereichen Reporting und Controlling, bei denen große Datenmengen verarbeitet werden müssen, gibt es erhebliches Digitalisierungspotenzial.

Einheitlichkeit der Daten ist eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), die dabei hilft, die digitalen Inhalte nicht nur zu verwalten, sondern auch automatisiert zu analysieren und zu klassifizieren. Doch um autonom Entscheidungen treffen zu können, müssen die KI-Modelle zunächst mit Trainingsdaten versorgt werden, anhand derer sie „lernen“ können. Für die Leistungsfähigkeit der verwendeten KI-Technologien ist es entscheidend, dass die eingesetzten Algorithmen von den richtigen Daten, in der richtigen Qualität lernen und auf diese Weise bessere Ergebnisse in Form aussagekräftiger Analysen und Handlungsempfehlungen liefern. Dabei gilt: Je vollständiger und genauer die Datenbasis, desto präziser sind die Ergebnisse. Einheitliche Datenstandards und Normen helfen folglich der Immobilienwirtschaft in Zukunft, von den Wertschöpfungspotenzialen intelligenter Systeme und Plattformen zu profitieren.

Normierte Datenbestände für verschiedenste Zielgruppen – der Blick nach außen 

In anderen Branchen hat die Normierung von Daten bereits zu einer weitgehenden Vereinfachung, Transparenz und Rechtssicherheit geführt. Allen voran sind hier der Tourismussektor und die Finanzwirtschaft zu nennen. Die Etablierung von funktionierenden Datenstandards, wie es sie in diesen Bereichen bereits gibt, ist auch in der Immobilienwirtschaft notwendig. Nur so kann den Akteuren die benötigte Infrastruktur für die Digitalisierung der Branche zur Verfügung gestellt werden.

Im Tourismus gibt es bereits seit 2012 mit dem Offenen Touristischen Datenstandard (OTDS) ein Format, das Daten von den zahlreichen beteiligten Dienstleistern wie Reiseveranstaltern, Hotels und Fluglinien einheitlich in Vertriebssysteme speist. Diese werden von Reisebüros und Online-Suchmaschinen für die Reisebuchung durch den Endverbraucher genutzt.

OTDS ist als einheitliches, offenes Format ausgelegt, das alle wichtigen Informationen in die diversen Vertriebskanäle liefert, den Anforderungen möglichst vieler Marktteilnehmer entspricht und sich kontinuierlich weiterentwickeln lässt. Ähnlich wie in der Tourismusbranche sind auch die Akteure der Immobilienwirtschaft sehr heterogen: Vom Planer und Architekten über Bauträger, Makler und Facility-Manager bis hin zum institutionellen Investor haben viele Beteiligte Interesse an den gleichen Informationen, aber sehr unterschiedliche Anforderungen an diese Daten.

Das Ziel sollte daher ein einheitlicher Datenbestand sein, auf den alle gleichermaßen zugreifen und diese Informationen anschließend gemäß den eigenen Bedürfnissen verwenden können. Durch eine klare Festlegung von Preis- und Produktregeln ist dank OTDS im Tourismus nun eine präzise Kalkulation von Reiseangeboten möglich. Ein ähnliches System wäre auch für die Immobilienwirtschaft zielführend. 

Datentransparenz hilft bei der Krisenprävention

In der Finanzbranche gibt es mit dem Special Data Dissemination Standard (SDDS) bereits seit 1996 einen einheitlichen Datenstandard. Dieser wurde vom Internationalen Währungsfonds (IWF) entwickelt und 2012 mit dem SDDS Plus um eine weitere Stufe ergänzt. Deutschland trat diesem Standard 2014 ebenfalls bei. Seitdem verpflichten sich die Bundesbank, das Statistische Bundesamt und das Bundesministerium der Finanzen zur Erstellung der erforderlichen Indikatoren. Diese werden allen Teilnehmern über eine Plattform, die National Summary Data Page (NSDP), zugänglich gemacht.

Ziel des Standards ist eine größere Datentransparenz sowie die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Informationen für die Finanzstabilitätsanalyse und damit zur Krisenprävention. Dies ist gerade in Zeiten fortschreitender wirtschaftlicher und finanzieller Unsicherheiten auch für die Immobilienwirtschaft von zunehmender Relevanz, da sich der SDDS Plus vor allem an Länder richtet, deren Finanzsektor eine wesentliche Rolle im globalen Finanzsystem spielt. 

Seit der Finanzkrise 2008 hat sich der Standardisierungsprozess in der Finanzbranche zunehmend beschleunigt. Vor diesem Hintergrund wurde der Ruf nach einem internationalen Standard für die globale Finanzindustrie immer lauter. Als Resultat ermöglicht der Legal Entity Identifier (LEI), eine weltweit gültige 20-stellige Kennungsnummer mit strukturiertem Zuteilungsschema, daher seit 2013 die eindeutige Identifizierung aller an einer Transaktion beteiligten Unternehmen.

Primäres Ziel des LEI ist die Vereinfachung des Messens und Überwachens von Risiken und macht zudem eine länderübergreifende Aufsicht von international agierenden Instituten möglich. Seit dem 1. November 2017 ist der LEI verpflichtend vorgeschrieben. Auch für die Immobilienwirtschaft muss ein internationaler Datenstandard das erklärte Ziel sein – letztendlich sollten alle Branchen ein Interesse einer besser messbaren und dadurch sichereren digitalen Welt haben. 

Eine digitalisierte Immobilienwirtschaft setzt eine einheitliche Dateninfrastruktur voraus

Eine einheitliche Dateninfrastruktur ebnet den Weg für eine digitalisierte Immobilienwirtschaft. Angelehnt an Vorbilder wie beispielsweise der Tourismus- und Finanzwirtschaft kann mit Hilfe eines einheitlichen Datenstandards ein System geschaffen werden, in das neue digitale Tools jederzeit problemlos eingebunden werden können.

Der offene Datenstandard der Tourismusbranche zeigt, wie unterschiedliche Marktteilnehmer einen gemeinsamen Datenbestand trotz verschiedener Anforderungen nutzen können. Der Datenstandard der Finanzbranche zeigt unterdessen, wie wichtig die transparente Bereitstellung von Daten für Analysen und Zukunftsprognosen ist. Ziel sollte es daher auch für die Immobilienwirtschaft sein, weiterhin an einer offenen Struktur zu arbeiten, an der alle Branchenakteure teilhaben können. Dies würde eine schnellere Reaktion auf digitale Innovationen sowie eine größere Datentransparenz ermöglichen und dadurch effektiv zur Krisenprävention beitragen.

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