Dürfen in Berlin nur noch die Richtigen bauen?

Dürfen in Berlin nur noch die Richtigen bauen?

Dürfen in Berlin nur noch die Richtigen bauen?
HELLRIEGEL RECHTSANWÄLTE; Achim Scholty auf Pixabay

Im April twitterten die Grünen Berlin, dass in Berlin nur noch die Richtigen bauen sollen. Es drängt sich die Frage auf, wer die Richtigen sind und wer darüber entscheidet? Und ist das überhaupt der richtige Ansatz? Haben wir ein Gesinnungsbaurecht? Rechtsanwalt Dr. Mathias Hellriegel hat dazu eine klare Meinung.

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Natürlich nicht! Teil der in Artikel 14 Grundgesetz enthaltenen Gewährleistung des Eigentums ist die Baufreiheit. Entspricht ein Bauvorhaben den Anforderungen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechtes, besteht ein Anspruch auf eine Baugenehmigung. Dies gilt nach § 71 der Bauordnung selbstverständlich auch in Berlin. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben lässt sich dieser präventive Genehmigungsvorbehalt nicht in einen repressiven Erlaubnisvorbehalt umwandeln, wie wir ihn beispielsweise im Wasserrecht kennen und der ein Bewirtschaftungsermessen enthält. Es bleibt also dabei, dass das Bauen erwünscht und verfassungsrechtlich gewährleistet ist und dementsprechend ein Anspruch auf eine Baugenehmigung besteht.

Wer sich an die Regeln hält, darf bauen

Anders verhält es sich, wenn eine Änderung des Planungsrechtes erforderlich ist, um ein Bauvorhaben zur Umsetzung zu verhelfen. Typischerweise ist dies erforderlich, wenn im Rahmen einer Flächenkonversion aus einer bisherigen Brachfläche (beispielsweise einer ehemaligen Eisenbahnfläche oder einem nicht mehr benötigten Industriestandort) Bauland geschaffen werden soll. Dann ist die Aufstellung eines neuen Bebauungsplanes erforderlich, auf dessen Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Baugesetzbuch kein Anspruch besteht. Hier greift die Planungshoheit der Gemeinden, verwurzelt in der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz. Danach sind alle von der Planung berührten öffentlichen und privaten Interessen untereinander und gegeneinander gerecht abzuwägen, wie § 1 Abs. 7 Baugesetzbuch formuliert. Erforderlich ist mithin eine ordnungsgemäße Abwägung.

Wie solche Bebauungspläne zur Festsetzung gelangen können, ergibt sich neben dem Baugesetzbuch aus entsprechenden Leitfäden, wie dem Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung und dem Hochhausleitbild für Berlin. Im Rahmen der Flächenkonversion sind danach 30 Prozent der Geschossfläche für Wohnungen 30 Jahre lang mietpreisgebunden zu errichten, und darüber hinaus haben Vorhabenträger:innen in einem städtebaulichen Vertrag die Finanzierung der Planungskosten, der erforderlichen Erschließung und sozialen Folgeeinrichtungen zu übernehmen.

In Hochhäusern kommen weitere Anforderungen hinzu, um dem Leitbild der durchmischten europäischen Stadt Rechnung zu tragen. Beide Leitfäden enthalten – zu Recht – keine Anknüpfung daran, wer baut. Ein Gesinnungsbaurecht gibt es in Deutschland nicht, auch nicht in Berlin. Wer sich an die Regeln hält, darf bauen.

Verkauf von Tafelsilber war ein Fehler!

Woher kommt dann die Forderung, dass in Berlin nur noch die Richtigen bauen sollen? Der noch amtierende rot-rot-grüne Senat hat erkannt, dass der Ausverkauf des Berliner Tafelsilbers – bestehend aus tausenden von Wohnungen städtischer Wohnungsbauunternehmen, aber auch vieler landeseigener Grundstücke, die ebenfalls verkauft wurden und damit heute nicht mehr als Baureserve zur Verfügung stehen – in den 2000er Jahren ein Fehler war.

Hinzu kommt die Vernachlässigung des Neubaus und der Abbau von Personalkapazitäten in den Bauverwaltungen. Seit 2014 versucht der Berliner Senat das Ruder rumzureißen und den Neubau zu reaktivieren. An sämtlichen selbst gesetzten Zielen ist er gleichwohl zuletzt gescheitert.

Private Bauwirtschaft wird nicht als Partner gesehen

Grund hierfür dürfte insbesondere sein, dass der Berliner Senat zur Lösung der Wohnraumknappheit allein auf gemeinwohlorientierte Träger:innen setzt. Dabei kommen allerdings vor allem die städtischen Wohnungsbaugesellschaften zum Zuge – Genossenschaften gelten zwar ebenfalls als gemeinwohlorientiert, bekommen aber nur Restgrundstücke und beklagen sich lautstark über die mangelnde Unterstützung der Politik. Auch den städtischen Wohnungsbauunternehmen geht es im Übrigen nicht besser, kämpfen sie doch in den Bauverwaltungen mit den gleichen Widerständen, wie alle anderen Bauherr:innen.

Die private Bauwirtschaft wird dagegen nicht als Partner angesehen, um gemeinschaftlich die zentrale soziale Aufgabe dieser Zeit zu lösen – angemessenen Wohnraum zu bezahlbaren Konditionen für die breite Schichten der Bevölkerung zu schaffen. Stattdessen wird die private Immobilienwirtschaft stigmatisiert und werden Enteignungsfantasien befördert.

Hamburger Modell als Vorbild

Der im Herbst zu wählende neue Berliner Senat wäre gut beraten, dies nach der Wahl anders anzugehen. Wie es besser geht, zeigt die Hansestadt Hamburg eindrucksvoll: Alle Akteure wurden zu einem runden Tisch eingeladen, der regelmäßig tagt und Hindernisse im Wohnungsneubau aus dem Weg räumt. Die private Immobilienwirtschaft wird nicht als Gegner, sondern als Partner angesehen. So konnten die Hamburger im Gegensatz zu Berlin die Neubauzahlen deutlich steigern und eine Dämpfung der Mietpreisentwicklung herbeiführen. 

Die Berliner:innen haben es im September selbst in der Hand: Zur Wahl stehen Parteien, die sich für mehr Regulierung und gar die Sozialisierung von Wohnungsunternehmen aussprechen und nur die vermeintlich Richtigen bauen lassen wollen. Zur Wahl stehen aber auch Parteien, die sich klar den Enteignungsfantasien entgegenstellen, und ideologiebefreit mit der Förderung des Neubaus echte Lösungen für die Bewohner:innen angehen möchte. Denn wenn nach den selbst gesetzten Regeln gebaut wird, insbesondere auch mit den heute geltenden Sozialwohnungsquoten, gibt es kein richtig oder falsch.

Copyright Aufmacherbild: (li) Achim Scholty auf Pixabay; (re) HELLRIEGEL RECHTSANWÄLTE

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