Nach Angaben von Colliers wurden im ersten Quartal 2023 Einzelhandelsimmobilien für 1,5 Milliarden Euro gehandelt. Dieses Ergebnis bedeutet sowohl gegenüber dem Vorjahresauftakt als auch gegenüber dem Zehnjahresdurchschnitt einen Rückgang von 37 Prozent. Damit steht das Segment immer noch besser da als der Gesamtmarkt, der angesichts des herausfordernden Wirtschafts- und Finanzmarktumfeldes im Vorjahresvergleich mit 73 Prozent drastischere Bremsspuren beim Transaktionsvolumen verzeichnete. Mit einem Marktanteil von 29 Prozent steht das Einzelhandelssegment nach den ersten drei Monaten des Jahres somit an der Spitze aller gewerblichen Nutzungsarten.
Während in der Berichtsperiode im Bürobereich kein Großdeal mit einem Volumen von 250 Millionen Euro und darüber verzeichnet wurde, vereinte der Einzelhandelsbereich gleich zwei der drei Transaktionen in dieser Kategorie auf sich, die am Gesamtmarkt gezählt wurden. Dabei handelt es sich um den hälftigen Verkauf des Berliner Luxuswarenhauses KaDeWe von der Signa an die Central Group sowie eine Beteiligungserhöhung der Deutschen Euroshop an fünf deutschen Einkaufszentren.
Matthias Leube, CEO bei Colliers: „Ausgerechnet ein Warenhausdeal und eine Beteiligung an Shoppingcentern beherrschen aktuell den Einzelhandelsinvestmentmarkt. Angesichts der Insolvenzverfahren von Galeria Karstadt Kaufhof und zahlreicher Einzelhändler aus der Bekleidungs- und Schuhbranche mag das auf den ersten Blick überraschen. An den beiden Beispielen zeigt sich aber auch, dass Prime-Produkt oder solche mit Wertentwicklungspotenzial im derzeit schwierigen Marktumfeld lohnende Opportunitäten bieten. Der bereits vorangeschrittene Konsolidierungsprozess auf dem Einzelhandelsmarkt bietet Kaufinteressenten dabei deutlich mehr Verhandlungssicherheit als andere Assetklassen.“
Spürbare Verlangsamung der Marktaktivitäten
Ansonsten haben sich die Marktaktivitäten auch im Einzelhandelssegment spürbar verlangsamt. Mit knapp 40 Transaktionen wurden weniger als die Hälfte der Abschlüsse des Jahresauftakquartals von 2022 registriert. Drei Viertel davon entfallen auf das Segment der Fachmärkte und Fachmarktzentren. Bedingt durch die Großdeals büßte die Kategorie allerdings mit einem Volumenanteil von 29 Prozent die in den letzten Jahren ausgebaute dominante Marktposition ein.
Selbst die so krisenresilienten Nahversorgungsimmobilien, die diesem Betriebstyp zuzuordnen sind, konnten sich der allgemeinen Kaufzurückhaltung der Investoren nicht entziehen, wenngleich sie mit 55 Prozent das Gros aller Einzelhandelstransaktionen ausmachen. Das Volumen von rund 270 Millionen Euro bleibt absolut betrachtet überschaubar. Abgesehen von den beiden Ausnahmedeals lagen alle übrigen Transaktionen bei rund 50 Millionen Euro oder darunter. Das Portfoliovolumen erreichte mit 24 Prozent ein im langjährigen Vergleich niedriges Niveau.
Sinkende Kaufpreisvorstellungen auch bei Nahversorgerimmobilien
Christian Kadel, Head of Capital Markets bei Colliers: „Aufgrund rarer Transaktionen lebensmittelgeankerter Fachmärkte und Fachmarktzentren lassen sich besonders eindrücklich die verkaufshemmenden Effekte der derzeit schwierigen Preisfindung beobachten. Bestes Beispiel: Der Teilverkauf des Oceans-Portfolios mit 13 Nahversorgungszentren wurde erst nach monatelangen Verhandlungen kurz vor der Jahreswende besiegelt. Bezeichend ist auch der Ankauf durch die zur Edeka gehörende CEV, die mit dem Kauf vor allem unternehmensstrategische Ziele verfolgt.“
Die aus diesem Deal und laufenden Verhandlungen abzuleitenden Brutto-Spitzenrenditen haben in diesem Segment die Grenze von fünf Prozent in Teilen überschritten. Einkaufszentren in frequenzstarken Lagen liegen indikativ zwischen 5,50 bis 6,00 Prozent. Renditeanstiege von rund einem Viertelprozentpunkt sind im Highstreet-Bereich der sieben großen Investmentzentren anzusetzen. Demzufolge liegen die Bruttospitzenrenditen für Geschäftshäuser in 1a-Lage in einer Spanne zwischen 4 bis 4,30 Prozent.
Ausblick: Einzelhandel resilienter als Gesamtmarkt
„Das Einzelhandelssegment ist weniger stark vom Einbruch des Transaktionsgeschehens betroffen als der Rest des Investmentmarktes. Bei fortgeschrittener Marktkonsolidierung sind sich Investoren der Risiken, aber auch der Opportunitäten dieser Assetklasse sehr bewusst. Auch mehren sich mit allmählich sinkender Inflation und den seit mehreren Monaten aufwärtsgerichteten Frühindikatoren wie HDE-Barometer und GfK-Konsumklimaindex konsumentenseitig optimistische Vorboten einer konjunkturell bedingten Marktentspannung.
Sollte die Rezession doch stärker ausfallen als derzeit prognostiziert, dürfte insbesondere das wenig elastische Lebensmittelsegment und hier vor allem der Bereich Discount profitieren. Ein deutlich ruhigeres Gesamtjahr 2023 ist allerdings auch für diese Assetklasse zu erwarten“, prognostiziert Leube.