Das erste gedruckte Haus Deutschlands ist bezugsfertig. Parallel sieht eine Studie von Aengevelt den 3D-Druck von Gebäuden kurz vor dem großen Durchbruch, drängen doch immer mehr entsprechende Unternehmen auf den Markt und wird offenkundig, dass der 3D-Druck Kosten und Ressourcen einspart.
Am 28. Juli 2021 wurde ein von PERI - Hersteller und Anbieter von Schalungs- und Gerüstsystemen - mit einem COBOD BOD2 Betondrucker gedrucktes Einfamilienhaus im nordrhein-westfälischen Beckum durch Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, offiziell eröffnet. Das Land Nordrhein-Westfalen hat das Projekt genehmigt und im Rahmen seines Förderprogrammes „Innovatives Bauen“ finanziell unterstützt.
Das bundesweit erste 3D-Druck-Wohnhaus steht in Beckum
„Die drei Ds – digital, dynamisch, druckfertig – sind in Beckum umgesetzt. Mit dem bundesweit ersten 3-D-Druck-Wohnhaus wird positiver Druck in der Baubranche erzeugt: für innovatives Bauen mit neuen Techniken, für eine größere Attraktivität in Bauberufen und für moderne Architektur mit neuen Stilformen. Jetzt gilt es, Erfahrungen mit dem Bauwerk zu sammeln und den Herstellungsprozess auf dem Markt zu etablieren, denn nur mehr Wohnraum sorgt für günstige Mieten“, erläutert die Ministerin. „Der Druck darf nicht nachlassen, mit neuen Projekten allen in der Baubranche Tätigen ständig neue Impulse zu geben.“
„Gemeinsam mit unserem Technologiepartner COBOD hat das PERI Team gezeigt, dass die 3D-Betondrucktechnologie marktreif ist. Das Projekt in Beckum ist ein Meilenstein, der in der Branche vieles in Bewegung gebracht hat“, so Thomas Imbacher, Vorstand Innovation & Marketing der PERI Gruppe. „PERI hat seitdem das größte Mehrfamilienhaus Europas in Wallenhausen und das erste Wohnhaus in Tempe (Arizona) in den USA gedruckt. Vieles von dem, was wir in Beckum gelernt haben, ist in diese Projekte eingeflossen. Das Haus in Beckum war das erste seiner Art und für PERI und alle Beteiligten wird dieses Projekt immer etwas ganz Besonderes bleiben.“
Druckbeginn in Beckum war am 17. September 2020. Das PERI 3D-Betondruck-Team setzte für den Druck einen Betondrucker des Typs COBOD BOD2 ein. Diese Drucktechnologie stammt vom dänischen Hersteller COBOD, an dem PERI bereits seit 2018 beteiligt ist. Als Druckmaterial verwendete PERI den Druckmörtel „i.tech 3D“ von HeidelbergCement, die Mischtechnologie kam von m-tec mathis technik gmbh. Bei der Erarbeitung der Genehmigung unterstützte das Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat. Die Planung und Durchführung der entsprechenden Zulassungsprüfungen erfolgten durch das Centrum Baustoffe München der Technischen Universität München.
Aengevelt Studie zum 3D-Druck von Gebäuden
Das 3D-Druckverfahren wird die Bauwirtschaft revolutionieren. Davon zeigt sich die Researchabteilung des Immobilienhauses Aengevelt überzeugt, nach deren Erkenntnissen die neue Technologie unmittelbar vor dem Durchbruch für Massenanwendungen steht. 3D-Drucker sind bereits aus vielen industriellen Anwendungen bekannt. 3D-Drucker können auch Häuser bauen. Ob es sich um ein zweigeschossiges Bürogebäude in Dubai handelt, um ein dreigeschossiges Mehrfamilienhaus im schwäbischen Wallenhausen oder eine ganze Einfamilienhaussiedlung in Kalifornien: Rund um die Welt sind die ersten Gebäude aus dem 3D-Drucker fertiggestellt und bezogen.
Die neue Technologie ist inzwischen erprobt und ausgereift und steht vor dem Durchbruch zur Massenanwendung. Das Betondruckverfahren, das die Bautechnologie revolutioniert, spart nicht nur Zeit und Geld, sondern ermöglicht auch neue Freiheiten bei der Architektur. Seit Jahrtausenden werden Häuser gebaut, indem man entweder Stein auf Stein setzt oder indem man eine Fachwerkkonstruktion mit Dämmmaterial ausfüllt. Im 20. Jahrhundert sind Fertigteilkonstruktionen hinzugekommen.
Wie funktioniert der 3D-Druck von Gebäuden und wo liegen die Limitierungen
Der 3D-Druck stellt eine Revolution des 21. Jahrhunderts dar. Beim 3D-Druck wird Beton in Schichten von mehreren Zentimetern Stärke übereinander gespritzt. Typischerweise werden auf diese Weise zwei Betonwände erzeugt, die mit Dämmstoffen ausgefüllt werden können. Der 3D-Druck auf der Baustelle beschränkt sich auf die Herstellung der Wände, während Böden, Decken und Dächer konventionell gefertigt werden. Es können dafür aber auch Fertigteile verwendet werden, die im 3D-Druckverfahren in einer Fabrik produziert und dann auf der Baustelle montiert werden.
Ob der Betondrucker über eine Schienenkonstruktion läuft oder ob er von einem Roboterarm bewegt wird: Er kann nahezu beliebige Formen erzeugen – gleich, ob rechtwinklig oder gerundet. Auch Überhänge sind kein Problem. Architekten erhalten damit neue Freiheiten. Hinsichtlich Stabilität, Dauerhaftigkeit und Wärmedämmung erreichen die gedruckten Gebäude ebenfalls Spitzenwerte.
Allerdings ist aktuell die Statik noch der limitierende Faktor. Ab einer gewissen Gebäudehöhe ist ein Verbundwerkstoff (beispielsweise Beton und Bewährungsstahl) unausweichlich.
Vorteile des neuen Bauverfahrens
- Vorteile des 3D-Druckes gegenüber dem konventionellen Bauen:
- Niedrigerer Personalbedarf: In der Regel reicht ein Mitarbeiter aus, um den Drucker zu steuern.
- Der Rohbau wird sehr schnell fertig – ein kleines Einfamilienhaus sogar unter 48 Stunden, die in mehreren Schichten gefahren werden können.
- Konventionelle Kosten des Rohbaus um bis zu 35 Prozent niedriger.
- Dadurch, dass der Drucker Aussparungen für Installationen (Rohre, Leitungen etc.) vorsehen kann, können auch die Ausbaugewerke schneller und kostengünstiger arbeiten.
- Mit dem 3D-Betondruck kann eine Druckfestigkeit erzielt werden, die dreimal so hoch ist wie bei Ziegelmauerwerk.
- 3D-Druck schont Ressourcen: Es wird wenig Material verschwendet und es fällt nahezu kein Materialabfall (wie Zuschnitte) an.
- Der 3D-Druck ermöglicht es, Formen zu schaffen, die ansonsten sehr aufwändige Schalungen erfordern würden, beispielsweise Rundungen.
Verschiedenste Typen von Bauwerken sind möglich
Die Recherche ergab außerdem, dass inzwischen weltweit diverse Typen von Gebäuden gedruckt worden sind – bis hin zu einer Höhe von drei Geschossen: Bürogebäude, Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser, Tiny Houses... Zahlreiche Objekte sind bereits bezogen und in regulärer Nutzung; andere werden professionell vermarktet. Einige der gedruckten Häuser sind von Architektur und Fassade nicht von konventionellen Häusern zu unterscheiden, andere prunken mit organischer oder futuristischer Formgebung, die durch das neue Verfahren genauso einfach realisiert werden kann wie konventionelle rechtwinklige Gebäude.
3D-Druck wird Mainstream in der Bauwirtschaft und fliegt zum Mond
Die 3D-Drucktechnologie ist auf der ganzen Welt parallel von verschiedenen Herstellern entwickelt worden. In Deutschland hat sich der Schalungsspezialist PERI aus dem bayerischen Weißenhorn in Kooperation mit dem dänischen Betondruckerhersteller COBOD sowie Heidelberg Zement darauf spezialisiert. Aufgrund der positiven Erfahrungen steht das neue Verfahren vor der Massenanwendung: Die ersten mittelständischen deutschen Bauunternehmen haben sich bereits 3D-Betondrucker beschafft und Dubai will im Jahr 2030 ein Viertel aller Gebäude mit diesem Verfahren herstellen. Und selbst auf dem Mond sollen Gebäude aus dem 3D-Drucker entstehen: Die Weltraumbehörde NASA hat bereits den Auftrag vergeben, Konzepte für eine Mondstation aus dem 3D-Drucker zu entwickeln. Der Mondstaub wird bereits auf seine Eignung für die Betonherstellung analysiert.