Wie Corona unsere Städte verändern wird, ist noch offen. Sicher ist aber, dass die einzelnen Segmente des Einzelhandels unterschiedlich stark betroffen sind. Lokale und fachliche Expertise vorausgesetzt, sind Fachmarktzentren ein stabiles und robustes Investment – gerade in Krisenzeiten. Lesen Sie dazu im Folgenden einen Kommentar von Stefan Wundrak, Head of Research, Europe bei Nuveen Real Estate.
Leer waren die Innenstädte im März und April. Gut gefüllt waren hingegen die Lieferfahrzeuge von DHL, Hermes und Co. Während Schuhe und Bücher per Klick auf Zalando und Amazon gekauft wurden, blieben die Fußgängerzonen verwaist. Schon seit Jahren ist der Einzelhandel das schwächste Segment des sonst so robusten deutschen Immobilienmarkts. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend in den vergangenen Monaten noch beschleunigt. Doch der Online-Handel hat Grenzen. Davon wiederum kann der stationäre Einzelhandel – insbesondere Fachmarktzentren – profitieren, vorausgesetzt Mietermix und Lage stimmen.
Corona macht Online Handel zum Profiteur, legt aber auch dessen Schwächen offen
E-Commerce-Unternehmen erwirtschaften seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie Rekordeinnahmen. Die steigende Nachfrage scheint ein langfristiger Trend zu sein, von dem wahrscheinlich auch der Logistiksektor profitieren wird. Gleichzeitig werden die Schwächen des Online-Handels sichtbar. Gerade wenn verderbliche oder empfindliche Güter geliefert werden müssen, steigen die Kosten. Ein Grund dafür, dass es so wenige Lebensmittel-Lieferdienste in Deutschland gibt. Das geringe Angebot und die höhere Nachfrage haben dazu geführt, dass Anbieter teilweise auf Wochen ausgebucht waren. Lebensmittel, Medikamente und Hygieneprodukte werden jedoch täglich gebraucht und müssen schnell ersetzt werden.
Das Fachmarktzentrum profitiert von der Krise
Viele Kunden sind daher unter anderem auf Fachmarktzentren ausgewichen. Mit einem Mietermix aus Supermärkten, Discountern, Drogerien, Apotheken, Bekleidungs- oder Technikgeschäften decken sie den periodischen- und aperiodischen Bedarf. Das macht sie bei Nachfrageschwankungen widerstandsfähiger. Ebenso typisch sind ihr großes Parkplatzangebot und ihre Lage außerhalb oder am Rand von Städten, wo sie mit dem Auto leicht erreichbar sind. Das macht den Großeinkauf nicht nur in Zeiten des Social-Distancing-Gebots einfach.
All diese Vorteile haben in der Corona-Krise zu stabilen Mieteinnahmen geführt. Zu den regelmäßigen Cashflows eines Investments in Fachmarktzentren kommt hinzu, dass dieses Immobiliensegment auf Aktien und Anleihen konzentrierte Portfolios diversifiziert, da es sich weder aktien- noch anleiheähnlich verhält. Gleichzeitig bietet es Exposure zu Bereichen der Wirtschaft, in die man sonst nur schwer investieren kann wie zum Beispiel nicht börsennotierte, private Einzelhandelsunternehmen.
Auf Zielgruppe abgestimmter Mietermix und Fokus auf Güter des täglichen Bedarfs
Ausschlaggebend für den Erfolg von Fachmarktinvestitionen ist hinreichende Erfahrung von Investoren und ihren Partnern. Denn ein Investment in ein Fachmarktzentrum ist komplex. So muss beispielsweise der Mietermix auf Demografie und Einkommen der jeweiligen Bevölkerung abgestimmt sein. Allgemein gilt: Ein Mix aus Discountern, Supermärkten, Drogerieläden, Apotheken und Textildiscountern oder Tierfachgeschäften scheint robust gegen Wirtschaftskrisen und E-Commerce.
Der Schwerpunkt sollte dabei auf Gütern des täglichen Bedarfs liegen, da diese auch in Krisen nachgefragt werden. Vor Ausbruch der Pandemie galten zudem Sport- und Elektronikfachgeschäfte als Ankermieter, die seit Jahren durch die wachsende Konkurrenz aus dem Internet belastet sind – im Gegensatz zu Textildiscountern wie Kik und Takko. Deren Kleidung ist so günstig, dass die Lieferkosten zu stark ins Gewicht fallen, weshalb sie nur selten online gekauft wird.
Je älter das Fachmarktzentrum, desto besser
Über Höhe und Stabilität der Rendite entscheidet neben dem Mietermix auch der Standort. Das Einzugsgebiet sollte demografisch und wirtschaftlich stabil sein, mit mehr als einem Hauptarbeitergeber. Metropolregionen erfüllen diese Bedingungen zwar, doch ist dort die Konkurrenz stark. Hinzu kommen die hohen Grundstücks- und Mietpreise. Aus diesen Gründen sind auch Innenstadtlagen ungeeignet, wo es zusätzlich an Parkplätzen mangelt. Geeignet sind hingegen Mittelstädte und Orte im Umkreis von wirtschaftsstarken größeren Städten. Dort gilt zugleich: „Je älter, desto besser“. Standorte, die bereits lange bestehen, verfügen häufig über großzügigere Genehmigungen hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten. Diese erlauben ein vielfältigeres Angebot an Produkten und Fachläden. Jüngere Fachmarktzentren werden hingegen zum Schutz der Innenstädte in der Regel auf immer weniger Produktgruppen beschränkt.
Stabile Renditen, selbst in der Krise
All diese Aspekte zeigen, wie wichtig die fachliche und lokale Expertise des Assetmanagers oder Investors sind. Nur ein passendes Objekt kann das Portfolio auch in Krisenzeiten stabilisieren. Fachmarktzentren, die auf den täglichen Bedarf zugeschnitten sind, haben eine für den Immobiliensektor überdurchschnittlich hohe und stabile Rendite. Das hat sich gerade im ersten Halbjahr 2020 gezeigt. Selbst von März bis Mai haben Betreiber durchschnittlich 70 Prozent aller Mietzahlungen erhalten, wobei die restlichen 30 Prozent nicht unbedingt verloren sind. Bis Juni ist die Quote wieder auf bis zu 90 Prozent angestiegen und in unserem eigenen Portfolio liegt sie mittlerweile sogar schon bei über 95 Prozent.
Obwohl über Wochen nur die Lebensmittelläden geöffnet waren, wurden die Zentren gut besucht. Teilweise konnten sie sogar neue Kunden gewinnen, die die Nachfrage langfristig treiben. Diese Neukunden haben entdeckt, dass der Einkauf im Fachmarktzentrum oft günstiger und unkomplizierter ist als die Bestellung im Internet. Der Einzelhandel ist im Wandel, Fachmarktzentren bleiben aber gefragt.