Für das Jahr 2023 prognostiziert Aengevelt Research lediglich 240.000 Baufertigstellungen – nach 295.275 neu errichteten Wohnungen im Jahr 2022. Und für das Jahr 2024 werden nur noch 180.000 neue Wohneinheiten erwartet, was den niedrigsten Wert seit 2010 darstellen würde.
Grundlage für die Prognose ist die Zahl der Baugenehmigungen – der Frühwarnindikator für den Wohnungsneubau – die im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 28 Prozent gesunken ist und zusätzlich zu der Insolvenzwelle bei Bauträgern auf die Fertigstellungszahlen drückt. Zwar kann der aktuell einbrechende Neubau von Mietwohnungen durch die geplante Einführung einer degressiven AfA grundsätzlich wiederbelebt werden.
Allerdings wird dies frühestens ab 2025 Auswirkungen auf die Neubauzahlen haben. Zudem bleibt die grundsätzliche Wirkung abzuwarten, denn eine degressive Abschreibung ist keine Steuerminderung, sondern eine Steuerverschiebung, die Investoren hilft, besser durch die ersten, typischerweise “engen“ Jahre zu kommen, in denen die Schere zwischen erzielbaren Mieteinnahmen und Kosten besonders groß ist.
Anzahl der Baugenehmigungen im Sinkflug
Der Wohnungsbau verhält sich wie ein träges Schiff. Normalerweise dauert es angesichts der vorgelagerten Schritte von Grundstückserwerb, Baurechtschaffung, Planung, Bauantrag und Baugenehmigung, Finanzierung, Ausschreibung der Bauleistungen bis hin zur eigentlichen Bauphase mehrere Jahre, ein Neubauprojekt zu realisieren. Die Baugenehmigungen sind deshalb ein Frühwarnindikator für die Fertigstellungen, die in der Regel zwei bis drei Jahre nach der Genehmigung erfolgen. Zudem führen nur vier von fünf Genehmigungen zu Bauvorhaben, weil manche Baugenehmigungen nur auf Vorrat erwirkt werden und manches Bauvorhaben auch nach Genehmigung zum Beispiel an der Finanzierung oder mangelnder Nachfrage scheitert.
Auch ohne diese Einschränkungen ist der aktuelle Frühwarnindikator deutlich genug: Wie das Statistische Bundesamt bekanntgab, wurden im ersten Halbjahr 2023 nur noch Baugenehmigungen für 131.089 Wohneinheiten erteilt. Das sind 27,7 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2022, als noch 181.552 Wohnungen genehmigt wurden. Der Rückgang betrifft alle Arten von Wohngebäuden. Besonders stark fällt er bei den Ein- und Zweifamilienhäusern mit -35,4 beziehungsweise -53,4 Prozent aus. Aber auch bei den Genehmigungen für Mehrfamilienhäuser, die die Masse des Wohnungsbaus bilden, ist ein markanter Rückgang um -27,0 Prozent festzustellen.
Dabei ist der Rückgang der Baugenehmigungen auf Seiten institutioneller Investoren mit rund 20 Prozent noch vergleichsweise moderat, während bei den privaten Bauherren ein Rückgang der Baugenehmigungen um 38 Prozent zu verzeichnen ist. Das ist dadurch zu erklären, dass private Bauherren, insbesondere Selbstnutzer, durch den Anstieg der Baugeldzinsen von rund ein Prozent Anfang 2021 auf mittlerweile vier Prozent besonders betroffen sind, weil dadurch – unter Berücksichtigung der Tilgung – ihre monatliche Belastung auf das Zweieinhalbfache steigt.
Gründe für den Rückgang der Baugenehmigungen
Aus Sicht von Aengevelt Research ist der Rückgang der Baugenehmigungen wie auch der tatsächlichen Bautätigkeit auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen: Die gestiegenen Darlehenszinsen, mangelnde Verfügbarkeit und dadurch bedingte Verteuerung von Bauland, überproportional gestiegene Baukosten und weitere Verschärfung kostentreibender staatlicher und kommunaler Regulierungen – von Stellplatzauflagen über Baumschutz und Brandschutz – bis hin zu den Anforderungen an den energetischen Zustand von Neubauten.
Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter von Aengevelt Immobilien: „Zusätzlich zu den schwierigen Rahmenbedingen verunsichert die Regierungskoalition mit Maßnahmen wie dem 'Heizungsgesetz' oder der Ankündigung weiterer Verschärfungen der Mietenregulierung und demotiviert damit auch potentiell bauinteressierte Investoren, statt alles zu tun, um den Wohnungsneubau nachhaltig zu beleben.“
Fördermaßnahmen zeitigen bislang kaum Effekte
Dagegen zeigen die Fördermaßnahmen des Bundes nach Erkenntnissen von Aengevelt Research bislang keine messbare Wirkung. So hat sich der im März 2023 erfolgte Start des Programms „Wohnbauförderung für klimafreundlichen Neubau“ der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) nicht in einer Steigerung der Baugenehmigungszahlen niedergeschlagen. Im Gegenteil, der Rückgang war im März 2023 mit 30,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat sogar besonders stark.
Noch im Mai war aus Kreisen der Bauwirtschaft mit einem Neubauvolumen von 250.000 Einheiten für das laufende Jahr 2023 gerechnet worden. In dieser Prognose war die Insolvenzwelle bei den Bauträgern noch nicht berücksichtigt, so dass Aengevelt Research nunmehr mit nur noch rund 240.000 Wohneinheiten rechnet, da zahlreiche angefangene Bauvorhaben nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Verzögerungen zu Ende geführt werden. Ab 2024 wird sich dann der aktuelle Rückgang der Baugenehmigungen in den Fertigstellungszahlen niederschlagen, die dann voraussichtlich auf 180.000 Einheiten sinken werden. Eine ähnlich geringe Bautätigkeit hatte es zuletzt im Jahr 2010 mit 159.832 Wohnungen gegeben. Angesichts weiter steigender Wohnungsnachfrage in den Großstädten wird sich der Wohnungsmangel somit weiter verschärfen.