Rechtsanwalt Dr. Sven-Holger Undritz und Thomas Cromm, Vorstand der Revitalis AG, geben über die Insolvenz in Eigenverwaltung Auskunft. Die Immobilienbanken halten sich derzeit weiterhin bei Finanzierungen eher zurück.
Finanzierung ist weiterhin eines der Top-Themen in der Immobilienbranche. JLL hat die Finanzierungsbereitschaft von Banken analysiert und sieht einen Trend: Zum Jahresende 2023 schrumpfte das Neugeschäft nach JLL-Analyse um 21 Prozent auf 31,1 Milliarden Euro. Bereits zur Jahresmitte war das Zusagevolumen im Vergleich zum Vorjahr um ein Viertel auf 13,9 Milliarden Euro zurückgegangen. Ausgewertet werden zwölf Banken sowie ausschließlich neu ausgegebene Finanzierungen. Die Assetklasse spielt dabei keine Rolle.
„Viele Banker fokussieren sich bei der Kreditvergabe auf risikoärmere Assetklassen wie Logistik- und Wohnimmobilien. Gleichzeitig versuchen sie, risikobehaftete Aktiva abzustoßen“, analysiert Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Fabio Carrozza, Geschäftsführer BF.real estate finance GmbH, sagt: „Wir erkennen in unserem BF.Quartalsbarometer einen leichten Aufwärtstrend und mehr Transaktionen sowie ein leicht anziehendes Neugeschäft sowie den Trend hin zu Joint Ventures.“
"Ausländische Finanzierer heben Marktanteil"
Von der Zurückhaltung der großen deutschen Immobilienfinanzierer profitieren andere Marktteilnehmer. „Die Margen haben sich aufgrund der reduzierten Liquidität auf einem erhöhten Niveau eingependelt, was generell Spielraum für alternative Finanzierer eröffnet“, sagt Timo Wagner, Team Leader Debt Advisory JLL Germany. So würden manche Kreditsuchende neben inländischen Banken auch internationale Finanzierer in Betracht ziehen. „Ausländische Finanzierer konnten in den vergangenen Monaten ihren Marktanteil deutlich anheben. Allerdings fokussieren sie sich auf risikoarme Engagements.“ Auch die lokalen Sparkassen und Volksbanken zählt Timo Wagner zu den Gewinnern der aktuellen Situation am Immobilienfinanzierungsmarkt. Sie nutzten die vorhandene Kapitallücke bei kleinen bis mittelgroßen Deals. Fabio Carrozza verweist auf einen notwendigen Eigenkapital-Anteil von 30 bis 40 Prozent. „Viele Marktakteure, die früher nicht zum Zuge kamen, können das jetzt, da sie Kapital haben und die Immobilienwerte zurückgegangen sind. Die Banken wollen und können bestimmte Ausläufer nicht mehr mitgehen, deshalb gibt es auch wenig Transaktionen.“
Insolvenz in Eigenverwaltung: Beispiel Revitalis AG
Neben den wirtschaftlichen Bedingungen sorgen auch die Insolvenzen in der Immobilienbranche für Unsicherheit. „Insolvenzverwalter sind keine Totengräber, sondern Notärzte”: Das sagt Dr. Sven-Holger Undritz, Partner, Head of Financial Restructuring and Insolvency Group in Germany White & Case LLP. Auch wenn es wie eine Binsenweisheit klingt, so findet es doch zu wenig Beachtung in der Realität: Jeder sollte sein Geschäftsmodell unter den derzeitigen Umgebungsfaktoren kontrollieren. Der Insolvenz-Experte sieht die aktuelle Situation als Chance. Er betreute zum Beispiel die Revitalis AG, einen klassischen und erfahrenen Trader Developer. „Es stiegen alle Kosten, hatte man vorher Faktoren von 30 oder 40 waren es es plötzlich nur noch 20“, so Thomas Cromm, Vorstand der Revitalis AG. Ende 2021 begab sich das Unternehmen zudem in einen M&A-Prozess, ein Skandinavier wollte kaufen. „Wir haben nichts mehr verkauft, weil er alles im Bestand halten wollte.“ Es folgten – wie bekannt – der Ausbruch des Ukraine-Krieges, hohe Inflation und Zinsen. „Bei uns regierte dann das Prinzip Hoffnung, wenigstens noch eine Transaktion machen zu können“, so Thomas Cromm.
Es funktionierte nicht, Dr. Sven-Holger Undritz kam. Gemeinsam mit Thomas Cromm führte er Gespräche, es ging um 13 Projekte, jedes mit einer anderen Finanzierungsstruktur, jede Bank und jeder Finanzierer mit einer anderen Reaktion. „Haircuts sind da von Nöten“, sagt Dr. Sven-Holger Undritz. Und Thomas Cromm: „Die Fallhöhe war sehr hoch. Die letzte Unternehmensbewertung zeigte einen knappen dreistelligen Millionenbetrag. Dem Geld muss man aber nicht nachrennen, das ist dann eben weg.“ Ihm ging es um die Erhaltung des Unternehmens, um den Erhalt einiger Arbeitsplätze. „Natürlich erntet man viele mitleidige Blicke. Das ist aber ein persönliches Einstellungsthema: Greife ich an oder gebe ich auch. Als Kapitän geht man als letzter von Bord.“ Nach einem Jahr ist die Insolvenz in Eigenverwaltung fast abgeschlossen, das Unternehmen lebt weiter.