In der Immobilienbranche rumort es: Genau die richtige Zeit für den ersten Kongress von IMMOCOM, dem Veranstalter für Netzwerkkongresse für Projektentwickler, Bestandshalter, Investoren, Architekten, Planer und all jene, die mit der Branche zu tun haben. Der Netzwerkevent konzentrierte sich auf die Region Franken und deren Immobilienwirtschaft. Wir haben die wichtigsten Erkenntnisse und Aussagen der Immobilienexperten vor Ort für Sie zusammengetragen.
Dr. Ulrich Nagel begrüßte als Moderator 80 Gäste im Konferenzbereich des Max Morlock Stadions in Nürnberg. Drei Panels beschäftigten sich unter anderem mit dem Residential- und dem Officemarkt, der aktuellen Förderkulisse Bayerns, der Strahlkraft der Metropolregion, mit der nachhaltigen Entwicklung von Quartieren und Innenstädten. „Mit Pessimismus kommen wir nicht weiter. Wo sind Chancen und Möglichkeiten? Wir müssen darüber sprechen, welche Chancen wir haben“, sagte Dr. Sebastian Greim, Vorstand beim BFW Landesverband Bayern e.V. Auch wenn die Nachrichten nicht die besten sind, gehöre das Weitermachen zum Geschäft. Weitere Themen, die er anschnitt: Regularien, Fördertöpfe, Zinsen und Baukosten.
Wie kann die Immobilienbranche zukunftsfähig bleiben?
Während öffentliche Gebäude wie die Oper Nürnberg, deren Sanierung und die Herrichtung einer Ersatzspielstätte laut Zeitungsberichten etwa eine Milliarde Euro kosten sollen, die Schlagzeilen beherrschen, fragen sich die Projektentwickler und Bestandshalter, welches Vorgehen das richtige ist, um zukunftsfähig zu bleiben.
Dr. Sebastian Greim, Geschäftsführer ECKPFEILER Immobilien Nürnberg GmbH:
„Das Lastenheft, das ein Investor bekommt, ist schon enorm gestiegen.“
Joachim Kälin, Niederlassungsleiter Bayern BF.real estate finance GmbH:
„In den kommenden Jahren laufen Milliarden für die Bestandssanierung auf. Die werden nicht alle direkt prolongiert. Es wird Immobilien geben, die leer stehen. Natürlich nicht in den Innenstädten, aber in nicht so guten Lagen auf jeden Fall.“
Bertram Schultze, Geschäftsführer Colored Fields GmbH:
„In Nürnberg gibt es prinzipiell ein gutes Miteinander mit der Stadt. Auch wenn alles sehr lange dauert. Prinzipiell muss man sich in jeder Stadt Vertrauen erarbeiten.“
Eva Welzenbach, Geschäftsführung Advenis Deutschland:
„Viele Büromieter gehen lieber in den Bestand mit kürzeren Laufzeiten der Mietverträge. Damit reagieren sie auf die Unsicherheit.“
Finanzierung von Projekten und Arbeiten im Bestand
Die Finanzierung von Projekten und Bestandssanierungen ist weiterhin eines der Topthemen. „Die Bearbeitungszeiten bei den Banken sind extrem lang geworden, die Entscheidungsprozesse dauern länger“, sagt Joachim Kälin. Dazu komme, dass das Neukundengeschäft bei kleinen Banken schwieriger werde.
Orientierung ist bei vielen Marktakteuren angesagt. „Wir sind derzeit onhold“, bestätigt beispielsweise Eva Welzenbach von Advenis. Advenis hat in Deutschland 45 Projekte, oft auch Backoffice-Standorte. In Bremen baut das Unternehmen derzeit ein Bürogebäude zu einer Schule um. „Ich kann mir vorstellen, dass noch mehr unserer Projekte in ein paar Jahren keine Büroflächen mehr sind.“
Um langfristige Planungen geht es auch bei der Colored Fields GmbH. Die entwickelt „Auf AEG“, ein sehr komplexes Projekt. Im Westen von Nürnberg gelegen, angebunden an den ÖPNV und damit an die Innenstadt, umfasst es insgesamt 168.000 Quadratmeter. Dies geschieht seit 2008. Das ehemalige Fabrikareal hat sich so zu einem eigenen Stadtteil entwickelt – mit Office, als Forschungs- und Innovationsstandort. Einen Baustein stellt der geplante Technologiecampus der TH Nürnberg dar.
Nach einem aufwändigen Planungs- und Abstimmungsprozess wird auf etwa 12.000 Quadratmetern im Forschungsgebäude der TH Nürnberg ab diesem Jahr zu den Themen Mobilität, Wasserbau, autonome und intelligente Systeme geforscht. In verschiedenen Laboren und Büros entstehen insgesamt Arbeitsplätze für rund 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Ich erlebe nicht die erste Immobilienkrise. Wenn wir davon reden, dass dieses Jahr nicht gut wird, dann freuen wir uns doch, dass es im kommenden Jahr wieder los geht“, so Bertram Schultze von der Colored Fields GmbH optimistisch.
Mehr Eindrücke vom Franken Immobilienkongress 2024
Wir haben für Sie in Text und Bild einige Einblicke hinter die Kulissen des IMMOCOM-Netzwerkevents in Nürnberg zusammengestellt.
Kurzvideo zum Netzwerkevent im Stadion des 1. FC Nürnberg
Aktivitäten auf Wohnungsmarkt ziehen an, Office hat es schwer
Das Anziehen der Aktivitäten auf dem Wohnungsmarkt ist für Andreas Zeitler von Instone ein sehr gutes Zeichen. „Die Metropolregion Nürnberg ist ein sehr interessanter Standort, wir haben hier in den vergangenen Jahren gut eingekauft.“ Er sprach auch über die KfW-Mittel, die „nicht der Befreiungsschlag, den alle erwartet haben“ seien, und dass es aufgrund der Grundstückspreise in München kaum Sinn mache, sich Projekte anzuschauen.
Für die Assetklasse Office dagegen wird es schwer: „Den Hoffnungsanker im Bürobereich sehen wir in diesem und im kommenden Jahr nicht. Wir rechnen erst 2026 wieder mit Transaktionen, momentan kommt nichts auf den Markt“, so Wolfgang P. Küspert von der Küspert & Küspert Immobilienberatung, dem Platzhirsch in der Region. Einen Punkt rechnet er Nürnberg sehr hoch an: „Die Revitalisierung von Quartieren ist hier sehr gut gelungen.“ Dem stimmt auch Han Joosten von der BPD Immobilienentwicklung zu: „Franken und Nürnberg sind wichtige Akzente in unserer Zukunftsstrategie. Hier ist Wachstum machbar.“ Der Experte ist bekannt für seine Vergleiche mit seinem Heimatland Niederlande und auch für klare Sätze. Für diesen hier gab es sehr viel Zustimmung: „Wir brauche keine Stellplatzsatzungen mehr.“
Wolfgang P. Küspert, Geschäftsführer Küspert & Küspert Immobilienberatung:
„Der Investmentmarkt braucht eine Erholungsphase, wir rechnen erst im Jahr 2026 mit einer Belebung.“
Ralf Schekira, Geschäftsführer der wbg Nürnberg GmbH:
„Um die Höhe der Fördertöpfe geht es nicht. Es geht um die Verlässlichkeit. Die ist das Problem. Da nützen auch freigeschaltete Förderungen nichts, bei denen ich Angst habe, dass ich nicht unter den ersten bin und etwas abbekomme.“
Frank Weber, Technischer Vorstand Schultheiß Projektentwicklung AG:
„Wir können nicht einfach anhalten und Projekte direkt stoppen.“
In Nürnberg sind in Sachen Wohnraum noch Rendite zu erzielen
Ralf Schekira leitet mit der wbg Nürnberg GmbH die größte kommunale Wohnungsbaugesellschaft mit etwa 18.000 Wohnungen im Bestand, dazu kommen Sozialimmobilien wie Kitas und Schulen. Den Zehn-Jahres-Plan seines Unternehmens musste er an die Gegebenheiten anpassen: Bis 2033 sollten 3.000 neue Wohnungen entstehen, diese Zahl wurde nun halbiert.
„Das wird die Situation im Immobilienmarkt nicht vereinfachen, sondern verschärfen“, so Ralf Schekira. Auch Frank Weber von der Schultheiß Projektentwicklung AG sieht einen akuten Wohnraummangel. „Deshalb sehen wir Nürnberg als einen sehr interessanten Standort, hier ist noch Rendite zu erzielen.“ Und er findet positive Worte für Player, die sonst immer in der Kritik stehen: „Ich möchte auch mal eine Lanze für die Verwaltung hier brechen: Es gibt Genehmigungsverfahren, die tatsächlich schneller gehen.“
Mark Daub, Management Building Performance – Engineering DREES & SOMMER SE:
„Die wachsende Regulatorik ist etwas, was uns behindert. Aber sie ist da und wir müssen damit umgehen und dürfen nicht aufgeben.“
Niklas Kamm, Geschäftsführung S&P Commercial Development GmbH:
„Die Stadt zeigt sich offen gegenüber den Entwicklern vor Ort. Da müssen wir aber auch mit offenen Karten spielen, damit ein gegenseitiges Vertrauen entsteht.“
Eric Rösner, Prokura Wirtschaftsförderungsgesellschaft Stadt Coburg mbH:
„Wenn ein Konzern oder ein Laden entscheidet, wir machen zu, dann machen sie das auch. Da können wir nichts ändern. Was man aber in der Hand hat, ist, dass die Flächen und Immobilien nicht vernachlässigt und weiterhin attraktiv gestaltet werden.“