Das Versprechen der Koalition von SPD, Grünen und LINKEN lautete zu Beginn der Legislaturperiode: besser regieren und auf eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik umstellen. Welches Fazit Experten ziehen und was sie von einem neuen Senat erhoffen.
Seit 2016 sinkt die Zahl der Baugenehmigungen in Berlin. Das Vertrauen privater Investoren in den Standort ist gestört, die Rechtsunsicherheit gewachsen und das eigentliche Problem nicht gelöst. Es mangelt weiterhin an Wohnraum. Auf einer Pressekonferenz der RUECKERCONSULT zogen Experten aus der Immobilienwirtschaft eine Bilanz über fünf Jahre Berlin unter der rot-rot-grünen Landesregierung.
Michael Voigtländer vom IW Institut der Deutschen Wirtschaft Köln gab unter der Überschrift „Wohnungspolitik in Berlin auf dem Irrweg“ einen Überblick über die Situation. „Ich glaube, dass Berlin in mancherlei Hinsicht falsch abgebogen ist.“
Fünf Jahre R2G: Wohnungspolitik auf dem Irrweg
Dabei ist die Lage der Hauptstadt gut: Die Wirtschaft ist über Jahre hinweg überproportional gewachsen. Auch die demographischen Prognosen sind günstig. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erwartet für die Hauptstadt ein Bevölkerungswachstum von rund zehn Prozent bis 2040. „Weltweit zeichnet sich der Trend ab, dass die Städte Wirtschaftsmotoren sind“, sagte Michael Voigtländer.
Auch wenn viel über mobiles Arbeiten und Wohnen im Umland diskutiert werde – im Kern werden die Städte der Hort wirtschaftlicher Aktivität bleiben. Doch die Bauleistung in Berlin hält mit dem Wachstum nicht Schritt, was zu Spannungen auf dem Wohnungsmarkt führt. Michael Voigtländer verdeutlichte das Problem anhand von Zahlen: Pro 1.000 Einwohner wurden von 2016 bis 2020 in Frankfurt am Main 6,1 Wohnungen gebaut, in Hamburg 5,2 – in Berlin waren es nur 4,6. „Das ist einfach zu wenig.“
Wohnungsbaupolitik im Konflikt mit der privaten Immobilienwirtschaft
Den Grund dafür sieht der Wirtschaftsexperte in der Haltung der Politik zum Wohnungsbau. Sie ist in Berlin auf Konfrontation mit der privaten Immobilienwirtschaft ausgerichtet. Der Mietendeckel markiert den bisherigen Höhepunkt. Die seit den 1950er Jahren bekannten Folgen eines Mietenstopps sind eingetreten. Das Angebot an Mietwohnungen ist während der Geltungsdauer des Mietendeckels um die Hälfte eingebrochen.
Rund 60 Prozent der Vermieter gaben in einer Umfrage des IW an, keine großen Investitionen in den Bestand mehr tätigen zu wollen. „Da kann man sich schnell vorstellen, dass die Klimaziele und andere Ziele nicht erreicht werden können.“ Auf Dauer passe sich bei einem Mietenstopp die Qualität der Wohnungen dem Preis an. Sie sinkt.
Bilanz zur Wohnungspolitik in Berlin: Investorenfeindliche Grundhaltung und mangelhafte Gesetze
Der Projektentwickler Jacopo Mingazzini, Vorstand des Immobilienunternehmens The Grounds, bestätigte aus eigener Erfahrung die investorenfeindliche Grundhaltung der Politik in Berlin. Private Investoren bekommen keine städtischen Baugrundstücke mehr, Genehmigungsverfahren dauern mitunter neun Jahre. „Es wird argumentiert, dass der Neubau mit seinen höheren Mieten den Mietspiegel nach oben beeinflusst, deswegen entlaste er den Markt nicht.“
Ignoriert werden dabei die Erfahrungen aus den Jahren der Sonder-Afa Mitte der 1990er Jahre. Bis zu 30.000 neue Wohnungen wurden pro Jahr fertig, das Dreifache im Vergleich zu heute. Am Ende dieser Periode standen in den Außenbezirken zehn bis 15 Prozent der Wohnungen leer – und die Mieten in der Innenstadt lagen bei fünf Euro.
Jacoppo Mingazzini im Immobiléros-Podcast über den Berliner Wohnmarkt
Gekippter Mietendeckel, immer mehr Milieuschutzgebiete, neue Umwandlungsverordnung: Der Rechtsanwalt Esfandiar Khorrami von der Kanzlei BottermannKhorrami kritisiert die jüngste Politik aus juristischem Blickwinkel. Die handwerkliche Qualität der Gesetze und Verordnungen sei mangelhaft. Er verweist auf eine Analyse des Forschungsinstitutes empirica aus dem Jahr 2020. Sie hat ergeben, dass viele Gutachten zum Festsetzen von Milieuschutzgebieten methodische Mängel aufweisen.
„Wenn aber die Gutachten unzureichend sind, dann ist die Basis für alle Vorschriften zur Sanierung und das Vorkaufsrecht rechtswidrig und angreifbar“, betonte Esfandiar Khorrami. Nicht anders bei der neuen Umwandlungsverordnung: Es fehlt eine Übergangsregelung, was zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt. Ebenso kritisch sieht er das Verhalten der Koalition in Hinblick auf die Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen.
Aus seiner Sicht ist ein derartiges Gesetz zum Scheitern verurteilt. Die Verhältnismäßigkeit sei nicht gegeben. Außerdem werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, wenn damit nur „schlechte Vermieter“ bestraft werden sollen. „Das ist ein Beispiel dafür, dass es den Politikern in Berlin nur um Gesinnungspolitik geht.“
Investoren schwenken um...
Welche Schlussfolgerungen ziehen Investoren wie Einar Skjerven, Geschäftsführer der Skjerven Group, aus dem veränderten Investitionsklima in Berlin? Sein Unternehmen ist seit 2006 in Deutschland aktiv und hat seither insgesamt rund zwei Milliarden Euro in Wohnungen investiert, den größten Teil davon in der Hauptstadt. „Ich glaube und hoffe, dass die Politiker wissen, welche Effekte diese Beschlüsse für den Markt und die Mieter haben. Das ist nicht gut, was jetzt passiert. Es sieht für die Mieter nur gut aus“, erklärte er.
Sein Unternehmen hat unter dem Eindruck der letzten politischen Entscheidungen die Strategie verändert. Statt in Wohnhäuser investiert es in den Umbau von Bürogebäuden und Hotels in Co-Living-Projekte und Micro-Apartments. „Auch weil der Mietmarkt aus der Balance ist, gibt es eine starke Nachfrage nach kurzfristigen Mietangeboten.“
Kann der Berliner Senat nach den Wahlen den Mietmarkt wieder ausbalancieren?
Michael Voigtländer ist überzeugt, dass der Staat allein die Versorgung der Menschen mit Wohnungen auf Dauer nicht leisten kann. „Mein Wunsch ist es, dass wir zu einer rationaleren und kooperativeren Wohnungspolitik in der nächsten Legislaturperiode zurückkehren können.“ Jacopo Mingazzini ist da eher skeptisch. „Die LINKE und die Grünen profitierten von der Situation, sie wollen ihre Wählerstimmen maximieren. Sie fahren durch die Spaltung ganz gut.“ Interessant sei aber, dass Franziska Giffey, die Spitzenkandidatin der SPD, mit einer pointierten Gegenposition zu Enteignungen und mit klarer Abgrenzung zur bisherigen Regierungspolitik von Rot-Rot-Grün Stimmen gewinnt. „Offensichtlich sind die Themen überreizt worden.“