Die Landeshauptstadt ist von dem möglichen Zusammenschluss der beiden Wohnungsunternehmen Vonovia und Deutsche Wohnen stark betroffen, halten beide doch fast 18 Prozent des Mietwohnungsbestandes. Der Stadtrat gab nun dem Oberbürgermeister Aufgaben.
In Berlin habe die Vonovia AG vor ihrer beabsichtigten Übernahme der Deutsche Wohnen SE Gespräche mit dem Regierenden Bürgermeister gesucht. Derzeit prüft das Kartellamt. Mit der Übernahme des Unternehmens Deutsche Wohnen würde die Vonovia bundesweit rund 510.000 Wohnungen besitzen und ihre Position als bundesweit führender Wohnimmobilienkonzern weiter ausbauen.
Dresden fordert vor Zusammenschluss von Deutsche Wohnen und Vonovia berlingleiche Zugeständnisse
In diesem Zusammenhang sieht Dresden eine Chance, schließlich wäre Dresden unter allen deutschen Großstädten am stärksten von der Fusion beider Wohnungsmarkt-Giganten betroffen. Deshalb sollte es im Vorfeld Verhandlungen und Zugeständnisse geben, findet der Dresdner Stadtrat. So beauftragte er in seiner Sitzung am 10. Juni Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), auf ein tiefergehendes Prüfverfahren zu dringen, um eine erhebliche Konzentration des Wohnungsangebotes in der Stadt zu verhindern.
Zudem wird Dirk Hilbert gebeten, über den Verkauf von bis zu 5.000 Wohnungen zu verhandeln. Käufer könnten Wohnungsgenossenschaften und andere Wohnungsunternehmen sein. Zudem möchte die Stadt beziehungsweise ihr Tochterunternehmen "Wohnen in Dresden" WiD bebaubare Grundstücke von beiden Unternehmen erwerben, um darauf städtische Wohnungen zu errichten. Der Stadtrat sprach sich weiterhin dafür aus, die Belegungsrechte von Vonovia-Wohnungen über das Jahr 2036 zu verlängern. In diesem Zusammenhang sollte die im April 2021 ausgelaufene Dresdner Sozialcharta zum Mieterschutz fortgeführt werden und Mieter auf Wunsch bis zu 2.000 Wohnungen kaufen können.
Megafusion im Wohnmarkt könnte Mietpreise für alle beeinflussen
Die Initiative stammt ursprünglich von der neuen Dissidentenfraktion, zu der sich je ein Stadtrat von Die Partei und Piratenpartei sowie zwei frühere Mitglieder der Grünen-Fraktion zusammengeschlossen haben. Sie hatten einen entsprechenden Eilantrag eingereicht. „Das Kartellamt prüft die Auswirkungen einer möglichen Fusion. Das könnte für uns eine Chance sein“, erläutert Dissidenten-Stadtrat Johannes Lichdi. Vonovia besitzt in der Stadt etwa 38.700 Wohnungen, die Deutsche Wohnen verfügt über 3.800. Das entspreche einem Marktanteil von 18 Prozent des Dresdner Wohnungsbestandes. In einigen Stadtteilen wie Prohlis und Johannstadt liege der Anteil deutlich höher. Damit könnte das neue Unternehmen die Mietpreise auch für Nicht-Vonovia-Mieter beeinflussen, so die Befürchtungen.
Dresdens Oberbürgermeister habe signalisiert, den Antrag zuzulassen. Er legte jedoch mit einem Ersetzungsantrag nach, wonach die Stadt über den Kauf von bis zu 5.000 Wohnungen verhandeln sollte. Das wiederum ging der CDU zu weit. Wenn das städtische Unternehmen WiD die Wohnungen kaufe, wäre das mit riesigen finanziellen Belastungen für die Stadt verbunden, argumentierte CDU-Fraktionschef Peter Krüger. Er rechne mit 300 bis 500 Millionen Euro. „Damit wäre aber keine einzige Wohnung neu gebaut worden“, sagt Peter Krüger.
Begrenzung von Mieterhöhungen in Dresden bis 2035 gefordert
Die Fraktion der Linken hatte ebenfalls einen Ersetzungsantrag gestellt. Darin forderte sie unter anderen den Ankauf von mindestens 6.800 Wohnungen aus dem Bestand von Vonovia und Deutsche Wohnen sowie eine sofortige Begrenzung von Mieterhöhungen auf jährlich höchstens ein Prozent bis 2035.
Der nun beschlossene Kompromiss, einschließlich des Vorschlages, mindestens 2.000 Wohnungen an die Mieter zu verkaufen, geht auf einen Antrag der FDP zurück. Darin wird offengelassen, wer die Wohnungen kaufen könnte. Wenn auch mit Bauchschmerzen, wie Peter Krüger einräumt, unterstützen am Ende CDU, Freie Wähler und AfD den FDP-Vorschlag. Die Stimme des Oberbürgermeisters verschaffte diesem Antrag eine hauchdünne Mehrheit. „Wir wollen so einer Konzentration auf dem Dresdner Wohnungsmarkt entgegenwirken“, erläutert Christoph Blödner von der FDP-Fraktion. „Ehrlicherweise müssen wir zunächst zugucken, was das Kartellamt sagt.“
Nachdem der Oberbürgermeister auf Nachfrage einräumte, dass auch die städtische WiD ein Wohnungsunternehmen und damit durch den Beschluss nicht ausgeschlossen ist, zeigt sich auch Dissidenten-Stadtrat Johannes Lichdi zufrieden. „Wir können mit dem Beschluss sehr gut leben.“
2006 verscherbelte Dresden sein Tafelsilber
2006 hatte die Stadt Dresden nahezu alle kommunalen Wohnungen verkauft und war damit schuldenfrei. Damals wurden mit dem Vonovia-Vorgänger Regelungen zu Belegungsrechten sowie zur Sozialcharta vereinbart. Um wieder einen Bestand an kommunalen Wohnungen zu schaffen, gründete die Stadt 2017 ihr Tochterunternehmen „Wohnen in Dresden“ und startete im Jahr darauf erste Bauprojekte. Sie übernahm auch bestehende Wohnungen. Zum 1. Januar 2021 verfügte die WiD über 439 Wohnungen. Aktuell entstehen an 13 Standorten weitere 645 Wohneinheiten. Um auf Dauer wirtschaftlich am Markt agieren zu können, wäre eine größere Zahl von Wohnungen erforderlich.
Ankauf von Wohnungen und Grundstücken durch Dresden bislang nur eine Absichtsbekundung
Noch ist nichts entschieden. Auf Anfrage teilte Rathaussprecherin Barbara Knifka mit: „Der mögliche Ankauf von Wohnungen und Grundstücken von Vonovia beziehungsweise der Deutschen Wohnen durch die Landeshauptstadt ist zunächst eine Absichtsbekundung im laufenden Zusammenschlussverfahren. Die Verhandlungen werden aktuell juristisch vorbereitet. Über eine Finanzierung entscheidet wie immer der Stadtrat.“
Auch die Vonovia AG hält sich vorerst bedeckt. Bis zum offiziellen Abschluss der geplanten Übernahme der Deutschen Wohnen bleibe es bei zwei getrennten Unternehmen. Vonovia-Sprecher Matthias Wulff versichert: „Alle bestehenden Pläne und Zusagen bleiben unverändert. Das gilt für alle unsere Mieterversprechen und Mietverträge genauso wie für alle Bauprojekte und Vereinbarungen mit Städten und anderen Partnern.“
Copyright Aufmacherfoto: Kauft Dresden Wohnungen von der Vonovia zurück? Copyright: KiEZ_Sebnitz auf Pixabay