Grant Thornton: „Ohne Branchenkenntnis können Digitalisierungsberater einpacken“

Grant Thornton: „Ohne Branchenkenntnis können Digitalisierungsberater einpacken“

Grant Thornton: „Ohne Branchenkenntnis können Digitalisierungsberater einpacken“
Dr. Dominique Hoffmann, Head of Digital Advisory für die Immobilienwirtschaft bei der Unternehmensberatung Grant Thornton. Copyright: Grant Thornton.

Dr. Dominique Hoffmann leitet seit 2017 den Bereich Digital Advisory für die Immobilienwirtschaft bei der Unternehmensberatung Grant Thornton. Neben der klassischen Prozessberatung hat das Unternehmen eine eigene Software-Lösung für die Neubewertung der Grundsteuer im Angebot, den Grundsteuerroboter. Im Interview mit IMMOBILIEN AKTUELL erklärt er, warum das Beratungsangebot für die Branche noch so gering ist und warum der PropTech-Hype übertrieben ist.

IMMOBILÉROS - Der Podcast für die Immobilienbranche

Vor fünf Jahren haben Sie den Bereich Digital Advisory für Immobilienunternehmen aufgebaut. Was bieten Sie genau an?

Dr. Dominique Hoffmann: Am Anfang unserer Arbeit steht eine IT-gestützte Bestandsanalyse des digitalen Reifegrades beim Kunden. Die Reifegradbestimmung wird in neun Dimensionen durchgeführt. Diese umfassen die Bereiche Organisation, Transformationsmanagement, Informationstechnologie, Kundenerlebnis, Zusammenarbeit, (Produkt)Innovation, Strategie, Unternehmenskultur & Expertise sowie Prozessdigitalisierung. Die Ergebnisse liefern Impulse für die Aufstellungen von Handlungsempfehlungen, die Ausarbeitung eines Strategieansatzes oder für die Erstellung einer Roadmap, die den Bereich durch die digitale Transformation leitet.

Was machen Sie mit dem jeweiligen Befund?

Dr. Dominique Hoffmann: Wir identifizieren die Geschäftsbereiche und Themen, die sich am besten für die digitale Transformation eignen und vor allem einen schnellen Return in Invest ermöglichen. Das betrifft erfahrungsgemäß vor allem die administrativen Bereiche. Die Klassiker mit dem größten Potenzial sind hier die Buchhaltung, das Reporting, die Nebenkostenabrechnung, der Steuerbereich und das Stammdatenmanagement.

In der Regel würde ich mit einer effektiven Lösung für das Stammdatenmanagement beginnen, da die Datenqualität die Grundlage für weitergehende Digitalisierungsvorhaben ist. Im Anschluss bieten sich häufig Prozessautomatisierungen oder die Einführung bisher nicht vorhandener Technologie wie BI-Systeme an. Je nach Bedarf geben wir dann auch für weitere Bereiche spezifische PropTech-Empfehlungen an die Hand.

Digitalisierungsberater brauchen grundlegende Marktkenntnisse

Woran scheitern digitale Prozesse auf Unternehmensseite? Welche Mitschuld tragen Berater daran?

Dr. Dominique Hoffmann: Viele Akteure der Immobilienwirtschaft sehen Digitalisierung leider nicht als ganzheitlichen Prozess und haben eine zu schlechte Datenqualität. Grundsätzlich lässt sich jeder Prozess zu einem digitalen Prozess wandeln und vor allem automatisieren. Lediglich wenige Projekt- und Managementaufgaben sind hier ausgeschlossen. Dies muss jedoch im Unternehmen erkannt und die Potenziale auch gehoben werden. Erst so entstehen unternehmensweite Effizienz- und Qualitätsgewinne.

Digitalisierungsberater liefern folglich nur dann zufriedenstellende Ergebnisse, wenn sie die einzelnen Geschäftsbereiche der Immobilienunternehmen gut kennen, die dahinterliegenden Prozesse beherrschen, einen Überblick über die am Markt verfügbaren Technologien haben und zugleich die erforderlichen gesetzlichen Anforderungen wie beispielsweise die DGSVO kennen. Ohne diese Kenntnisse können Digitalisierungsberater einpacken – davon bin ich fest überzeugt.

Können Sie uns ein Beispiel für eine bereichsübergreifende Digitalisierung nennen?

Dr. Dominique Hoffmann: Zu unseren Kunden zählen schwerpunktmäßig Wohnungsunternehmen. Die Neubewertung der Grundsteuer stellt hierbei eine aktuelle Mammutaufgabe dar. Über 300.000 Datensätze haben wir hier zum Beispiel aus SAP-Systemen extrahiert, mit weiteren Daten (wie den Bodenrichtwerten) angereichert und die Steuerklärung toolbasiert erstellt sowie an das Finanzamt übermittelt.

Nun trudeln nach und nach die Bescheide der Finanzämter ein, wobei unser Tool eine automatisierte Bescheidprüfung ermöglicht und bei Bedarf einen automatisierten Einspruch erstellt. Hier ist also ein Zusammenspiel aus Asset Management, Tax und Datenmanagement erforderlich. Die erstellte Datengrundlage kann dann in einem zweiten Schritt beispielsweise im Investmentmanagement oder für die Nebenkostenabrechnung genutzt werden.

Prozessautomatisierung wird „flächendeckende Realität“

Für diesen konkreten Fall nutzen Sie eine eigens entwickelte Lösung. Wie wählen Sie die Software für andere Bereiche aus?

Dr. Dominique Hoffmann: Leider haben wir immer noch eine gewisse Intransparenz auf dem generellen Lösungs- und auch dem PropTech-Markt. Grundsätzlich existieren für die meisten Bedarfe bereits eine technische Lösung, zumindest auf einer Power-Point-Folie. Die Lösungen, welche mittlerweile häufig auf dem Tech-Stack großer Anbieter wie Microsoft basieren, sind jedoch häufig noch nicht praxiserprobt oder nicht ganzheitlich im Unternehmen einsetzbar, unter anderem durch fehlende Schnittstellen.

Dies führt entweder zu Insellösungen, die eine umfassende digitale Transformation verhindern, oder – bei fehlender Praxiserprobung – dazu, dass wir eine solche Lösung nicht an Kunden empfehlen können. Um die Marktreife eines PropTechs zu beurteilen, greifen wir in der Regel auf Informationen aus PropTech-Netzwerken und von Nutzern zurück.

Mit Ihrem Beratungsprodukt sind Sie schnell gewachsen. Sind Sie zuversichtlich mit Blick auf die Branchenzukunft?

Dr. Dominique Hoffmann: Ja, auf jeden Fall. In Deutschland sind wir schon sehr weit gekommen. Künftig wird die Prozessautomatisierung in vielen Geschäftsbereichen flächendeckende Realität sein. Sofern sich die Datenqualität verbessert, werden auch KI-basierte Lösungen endlich ihr Potenzial entfalten, das größtenteils noch schlummert. Ziel muss es sein, mehr und mehr branchenübergreifend an Lösungen zu arbeiten – die derzeitigen Begriffe wie PropTech, FinTech oder InsurTech werden von der medialen Bildfläche verschwinden. An ihre Stelle treten dann branchenübergreifende, skalierbare AllTechs.

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