Ein Blick nach Großräschen in Brandenburg zeigt, wie das Kommunale Wohnungsunternehmen KWG Senftenberg und die Kommune einen schwierigen Wohnungsmarkt meistern. Dabei musste sich die ehemalige Kohlestadt komplett neu erfinden ...
Großräschen gehört zu den Schlusslichtern in der weiteren Metropolenregion von Berlin. Jedenfalls in Bezug auf die Durchschnittsmiete, die von den Mitgliedsunternehmen des Verbandes Berlin-Brandenburgische Wohnungsunternehmen (BBU) für den aktuellen Marktmonitor gemeldet worden sind. Die Stadt in der Lausitz ist einer der fünf Gesellschafter der Kommunalen Wohnungsgesellschaft Senftenberg (KWG). Das Unternehmen mit insgesamt 7.100 Wohnungen ist der Marktführer in der Region und verlangt von ihren Bestandsmietern im Durchschnitt 4,82 Euro pro Quadratmeter, in Großräschen sogar nur 4,40 Euro.
Das sind Mieten, von denen die Berliner träumen. Für die KWG ging es jedoch viele Jahre nur um das Überleben. Es fehlte an Mietern. Zudem mussten in den vergangenen 20 Jahren allein in Großräschen rund 1.600 Plattenbauwohnungen abgerissen werden, rund die Hälfte des dortigen Bestandes. Bei den liquiden Mitteln verzeichnete das Unternehmen von 2000 bis 2021 ein Minus von 85 Prozent. KWG-Geschäftsführer Tobias Dorn sagt: „Die KWG ist ein von der Sanierung gezeichnetes Unternehmen. Die circa 20jährige Unternehmenssanierungsphase ist jetzt aber erfolgreich beendet.“
Großräschen: Nach Schrumpfung jetzt Zuzug
Die Lausitz war in den vergangenen Jahren einer ungeheuren Transformation unterworfen, damit auch die Kohlestadt Großräschen. Sie liegt direkt am ehemaligen Braunkohletagebau Meuro. Hier gab es vor der Wende außer dem Bergbau auch Brikettfabriken, Maschinenbau und eine berühmte Klinkerfabrik. Aus Großräschener Klinkern wurde einst das Rote Rathaus gebaut und mit Briketts aus Großräschen Berliner Öfen geheizt.
Als die Wende kam, hatte die Stadt rund 14.000 Einwohner und 10.000 Arbeitsplätze. Nach der Wende brach die komplette Industrie weg, es blieb lediglich die Landwirtschaft. Heute zählt die Stadt etwa 8.600 Einwohner und 3.000 Arbeitsplätze. Der Bürgermeister Thomas Zenker hat die Zeit von 50 Prozent Arbeitslosigkeit und das große Schrumpfen miterlebt. Er ist in Großräschen geboren und seit 1994 Oberhaupt der Stadt. Jetzt kann er sagen: „Die Bevölkerungszahl hat sich stabilisiert.“ Es ziehen wieder Menschen zu. Und das hat Gründe.
Die Kohlestadt wird zur SeeStadt - inmitten einer neuen Energieregion
Der Tagebau ist geflutet, so wie andere Kohlegruben in der Lausitz auch. Großräschen liegt heute im Lausitzer Seenland, einer quasi neuen Urlaubsregion zwischen Berlin und Dresden. Die ehemalige Kohlestadt nennt sich jetzt SeeStadt Großräschen und ihr Motto lautet: „Wohnen, Arbeiten und Erholen an neuen Ufern“. Es ist gelungen, mittelständisches Gewerbe in vier Gewerbegebieten anzusiedeln. Die Stadt nimmt vier Millionen Euro Gewerbesteuer pro Jahr ein. Das ist nicht alles.
„Wir sind dabei, uns als Energieregion komplett neu zu erfinden.“ Statt Kohle wird in der Region heute Wind- und Sonnenergie produziert. Im Nachbarort Schipkau gibt es den größten Windpark Deutschlands. „Wir haben auch Windparks im Wald und produzieren rein statistisch ein Vielfaches unseres eigenen Strombedarfes“, betont der Bürgermeister. Im Nahbereich gibt es sechs Quadratkilometer Solarflächen. „Das ist auch der Grund, warum in Folge von Tesla viele die Lausitz als Industrieregion wieder schick finden. Denn alle müssen ja einen CO2-freien Fußabdruck hinterlassen und brauchen erneuerbare Energien. Hier finden sie die.“
Seit 2000 investierte die Kommunale Wohnungsgesellschaft Senftenberg 55 Millionen in Bestandssanierung
Die Arbeitslosigkeit liegt nur noch bei fünf Prozent und fast überall werden Fachkräfte gesucht. Größerer Wohnungsabriss ist von der KWG nicht mehr vorgesehen. Rund 60 Prozent des Bestandes ist inzwischen vollsaniert, 35 Prozent teilsaniert. Insgesamt wurden seit 2000 rund 55 Millionen Euro in den Bestand investiert. Rund 100 Wohnungen werden pro Jahr frisch renoviert wiedervermietet. Seit vergangenem Jahr spielt auch Vermietung an Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, eine große Rolle. Im Bestand der KWG sind insgesamt 750 Flüchtlinge untergekommen, davon 150 in Großräschen.
Strategisch setzt die KWG auf die weitere Sanierung, Diversifizierung und Wohnwertverbesserung. Der neue Unternehmensleitspruch heißt: „Wir helfen unseren Mietern, sich in einem modernen Zuhause wohl, geborgen und wahrgenommen zu fühlen. Gemeinsam sind wir: HEIMAT-ZUHAUSE-FAMILIE“. Bei Neuvermietungen modernisierter Wohnungen werden in der Spitze auch sieben Euro pro Quadratmeter aufgerufen.
Großräschen kauft seit den 1990er-Jahren Grundstücke
Bemerkenswert ist, dass die Stadt mit ihren Billigmieten seit zehn Jahren immer wieder neue Baugebiete ausweist: Es gibt eine entsprechende Nachfrage nach Grundstücken für den Eigenheimbau. Die Areale liegen nicht nur am See, sondern auch in der Innenstadt. Es handelt sich dabei um kommunale Grundstücke, denn die Stadt hat seit den 1990er-Jahren trotz der schwierigen Rahmenbedingungen Boden gekauft.
„Eigentum an Grund und Boden ist das wichtigste Entwicklungsinstrument einer Kommune“, betont Thomas Zenker. „Das war immer meine Überzeugung und die Stadtverordneten haben mitgespielt.“ Anders als Berlin oder Dresden hat die Stadt nicht nur ihre Wohnungen nicht verscherbelt, sondern auch noch weitsichtig Flächen mit Entwicklungsperspektive erworben. „Wir haben an unsere Zukunft geglaubt.“
Dazu gehören 500 Hektar des ehemaligen Braunkohletagebaus, aber auch Industriebrachen und Abrissflächen, die die Kommune quasi recycelt hat. „Wir haben uns gesagt, dass wir genauso gut rechnen können, wie Private. Wir können genauso gut erschließen. Wir können den Leuten Grundstücke bieten, die frei von Spekulation sind. Deshalb haben wir die Entwicklung von Wohngebieten auch nie in private Hände gelegt.“ Für die Stadtkasse bleibt trotz allem ein Entwicklungsgewinn. Privaten Bauherren, die Mietwohnungen bauen wollen, werden in Großräschen keine Steine in den Weg gelegt. „Es gibt auch Leute, die Mietwohnungen mit gehobener Ausstattung suchen und zehn Euro dafür zahlen möchten.“
„Schaffen immer einen planerischen Vorlauf“
Mit Blick auf die Überalterung erwartet Thomas Zenker trotz der Dynamik in der Region, kein explosionsartiges, sondern eher ein organisches Wachstum. Aktuell ist ein innenstadtnahes Wohngebiet „Am Spring“ ausgewiesen. Wegen der gestiegenen Zinsen und Baupreise sei die Nachfrage zwar derzeit zurückhaltend. Doch die Planung für das nächste Baugebiet an der „Vogelsiedlung“ ist schon in Arbeit. „Wir schaffen immer einen planerischen Vorlauf. In dem Moment, in dem wir merken, dass Nachfrage da ist, werden die Baumaschinen zur Erschließung losgeschickt. Wir werden die Baugebiete weiter so entwickeln, wie es der Markt verlangt.“