Auf dem ehemaligen Bahngrundstück zwischen den S-Bahnhöfen Köpenick und Hirschgarten soll eines der 16 neuen Stadtquartiere entstehen, deren Entwicklung in den Händen des Senates liegen. IMMOBILIEN AKTUELL präsentiert vier Vorschläge, über die ausführlicher diskutiert wurde und aus denen eine Fachjury ihren Favoriten bestimmt hat. Aktuell wurde ein Gebietsfonds für das städtebauliche Entwicklungsgebiet ehemaliger Güterbahnhof Köpenick eingerichtet. Der soll unter anderem die Vernetzung neuer und alter Bewohner fördern.
Artikel vom 24. Januar 2023: Rund 1.800 Wohnungen sollen auf dem 34 Hektar großen Areal des ehemaligen Güterbahnhofes in Berlin-Köpenick entstehen; darüber hinaus Gewerbeflächen für rund 2.000 Arbeitsplätze, eine Kita und Schulen. Das Gelände liegt seit den 1990er-Jahren quasi brach, aber jetzt ist ein wichtiger Meilenstein geschafft: Im Rahmen des seit Juli laufenden Werkstattverfahrens wurden vier von acht städtebaulichen Entwürfen von einem Beratungsgremium für die weitere Diskussion ausgewählt. Deise wollen wir fortfolgend genauer beleuchten.
Der Erpekiez von CSKA | Hager Partner
Unter der Überschrift Erpekiez schlägt das Team ein Grundgerüst aus Fuß- und Radwegen zu den wichtigsten Zielen in der Umgebung vor: Dazu gehört eine Route vom Bahnhof Köpenick und dem Geschäftsviertel quer durch das Quartier zum Brandenburger Platz, eine weitere vom Bahnhof Hirschgarten zur dahintergelegenen Altstadt. Das Umfeld rund um den Bahnhof Hirschgarten weiter bis nach Berlin-Friedrichshagen ist vom Forst Mittelheide geprägt und dem Flüsschen Erpe mit dem Erpetal, das für das Projekt namensgebend ist.
Diese beiden Routen kreuzen sich. In der Mitte des schrägen Kreuzes soll es einen lebendigen Platz geben: den Erpeplatz im Erpekiez. Mit Spielmöglichkeiten für jung und alt, sowie Gastronomie mit Außenterrassen. Für den Autoverkehr ist eine Tempo-30-Umgehungsstraße schräg durch das Quartier geplant. Entlang dieser Straße sind Geschäfte in den Erdgeschossen angedacht. Leicht versetzte Nebenstraßen sollen das Quartier auflockern.
Die Wohnblöcke sind untereinander verbunden und an wichtigen Stellen geöffnet. Zum Park und zu den angrenzenden Einfamilienhäusern sieht die Planung Punkthäuser und zentral im Quartier einen Schulcampus vor. Da das Quartier klimaneutral sein soll und Fernwärme nicht vorgesehen ist, setzen die Planer auf ein dezentrales System, das verschiedene Energiequellen nutzt: Abwärme von Gewerbe und Abwasser, eventuell Geothermie sowie Solarenergie. Dächer, nach Süden ausgerichtete Fassaden zur Bahnstrecke, sowie die Fassaden von Quartiersgaragen könnten für Photovoltaik genutzt werden.
Die Köpenicker Gleislandschaften von Cityförster | urbanegestalt | Happold
Dieses Projekt trägt den Titel Köpenicker Gleislandschaften und nimmt damit Bezug auf die parallel verlaufende Bahnstrecke. Problematisch für das neue Quartier ist vor allem der Bahnlärm. Vorgeschlagen werden daher Gewerbebauten entlang der Gleise als Lärmschutz für die Wohnhäuser im Inneren des Quartiers. „Auch bestehende Quartiere werden dadurch geschützt“, heißt es in der Präsentation.
Es ist ein Mix an geförderten und hochwertigeren Wohnungen vorgesehen. Der Fokus liegt auch hier auf einem Quartier mit möglichst wenig Autoverkehr. Vorgeschlagen ist ein Mobilitätsmix mit S-Bahn, Straßenbahn und Bus, sowie einem Netz aus Rad- und Fußwegen – und einer Hauptstraße. In zentraler Lage soll es eine Quartiersgarage mit 450 Stellplätzen geben. Am östlichen Eingang ist ein Mobilitätszentrum mit alternativen Mobilitätsangeboten vorgesehen. Hier könnte auch eine Tiefgarage mit 100 Stellplätzen entstehen.
Vorgesehen sind vier Gebäudetypologien, die vom Umfeld inspiriert sind: sogenannte Umlenker, die Orientierung schaffen, Blockrandbebauung, Sonderbauten an markanten Punkten, sowie längliche Lärmschutzbauten entlang der Gleise. Die Mittelheide wird durch einen Park ergänzt und damit eine Verbindung des Quartiers ins Grüne geschaffen. Im Süden sind die Köpenicker Gleislandschaften an das Erpetal angebunden. Das Quartier soll dezentral mit regenerativer Energie versorgt werden, Wärme soll unter anderem aus Geothermie gewonnen werden.
Köpenicker Gleisharfe – Grünes Herz für das alte Eisen von ADEPT | Karres en Brand | PGT Umwelt und Verkehr
Die "Köpenicker Gleisharfe – Grünes Herz für das alte Eisen" lautet der Name des dritten Vorschlages. Hier wird bereits im Titel der Bogen zwischen der vorhandenen Bahnanlage und einem möglichst grünen Wohnviertel geschlagen. Vorgeschlagen sind vier lineare Parks durch das Quartier – in Ost-West-Richtung, parallel zur Bahnstrecke. Sie schaffen eine Verbindung zur Mittelheide und dem Erpetal.
Auch dieses Team setzt auf breite Radstraßen und Fußwege, hinzu kommen zentrale Mobilitätshubs und eine Reihe dezentraler Fahrradabstellplätze. Energiedächer sollen Strom produzieren, der Überschuss in Batterien gespeichert werden. Mit anfallendem Regenwasser könnten Treibhäuser bewässert werden. Eine zentrale Quartiersgarage soll als Batterie dienen und Strom für Elektroautos und Elektrofahrräder liefern.
Der Bauaushub könnte zu einem Wall im Norden entlang der Bahntrasse werden, der so geschaffene Deichpark mit Freizeiteinrichtungen und Radweg vor allem auch als Lärmschutz dienen.
Köpenicks Stadtoase von KCAP | ARUP
Mit dem Entwurf Köpenicks Stadtoase soll an die Tradition Berlins angeknüpft werden. Die Stadt habe sich seit 100 Jahren entlang der Schienenstrecken der S- und Regionalbahn ins Brandenburger Umland entwickelt. Den vielen Grün- und Wasserflächen verdanke Berlin die historische Bezeichnung Grüner Archipel. Auch bei diesem Konzept wird daher auf einen naturnahen Stadtteil gesetzt.
Der städtebauliche Entwurf sieht eine Reihe unterschiedlicher Stadträume vor:
- einen grünen Parkstreifen als Puffer zwischen der Salvisberg-Siedlung und der neuen Bebauung entlang der Bahn,
- eine Straße mit Tram entlang der Nordseite der Bahn,
- einen grünen Naturstreifen südlich der Bahn mit Fuß-und Fahrradroute,
- einen breiten linearen Park mit erhaltenen Bestandselementen und einem Wasserlauf,
- eine Umfahrungsstraße als begrünten Boulevard zur Parrisiusstraße im Westen und zum Bahnhof Hirschgarten im Osten sowie
- die Aufwertung der Seelenbinderstraße.
Entlang der lärmbelasteten Achsen wird im Entwurf eine relativ geschlossene Bebauung vorgeschlagen, die aus verschiedenen Häusern zusammensetzt ist. Sie lockert sich Richtung Park auf – mit Stadtvillen, zwischen denen sich öffentliche Grünflächen und Kleingärten befinden. Die Planer betonen: „Dieses Modell haben wir im GWL-Quartier in Amsterdam mit viel Erfolg angewendet.“
In diesem Konzept wird das Auto in beschränktem Maß innerhalb des Quartiers zugelassen, aber eine Reihe von Angeboten gemacht, die es überflüssig werden lassen: Etwa durch Mobilitätshubs an den ÖPNV-Haltestellen bis hin zu einem App-basierten, öffentlichen On-Demand-Service für die Bereiche jenseits der ÖPNV-Routen, der für Senioren, Behinderte oder Familien die Großeinkäufe bis vor die Haustür bringt.
Um den Energiebedarf im Quartier zu minimieren, werden Gebäudeformen und Abstände optimiert und Gebäudehüllen nach Effizienzhaus 40 Standard geplant. Wärme soll ausschließlich mit Strom erzeugt werden. Ein Low-Exergy (LowEx) Netzwerk im Kreisverbund schafft Versorgungssicherheit und erlaubt die optimale Nutzung der nachhaltigen Energiequellen Geothermie, Solarthermie, Abwasserwärme und der Produktionsabwärme in dem Quartier.
Beratungsgremium entscheidet über die vier Entwürfe
Laut Beratungsgremium hätten alle vier Konzepte Potenzial für eine nachhaltige Stadtentwicklung und einen Mehrwert für das Umfeld. Zuvor hatte bereits eine Bürgerwerkstatt und online eine Bürgerbefragung stattgefunden. Die Entwürfe werden ab Januar 2023 in einer zweiten Phase des Werkstattverfahrens weiter ausgearbeitet. Welches Konzept dann für einen städtebaulichen Plan weiterverfolgt werden soll, dazu wird das Beratungsgremium dann im Mai 2023 eine Empfehlung abgeben.
Juryempfehlung des städtebaulich-freiräumlichen Werkstattverfahrens steht fest
Update vom 05.06.2023: Ein Beratungsgremium aus geladenen Architektinnen und Architekten, Stadt,- Landschafts- und Verkehrsplanern sowie Vertretern der Berliner Haupt- und Bezirksverwaltung empfiehlt den Entwurf des Planungsteams ADEPT & Karres en Brands mit PGT Umwelt und Verkehr als Grundlage für die städtebaulich-freiräumliche Rahmenplanung auszuwählen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen folgt der Empfehlung des Beratungsgremiums und beabsichtigt dem Planungsteam ADEPT & Karres en Brands mit PGT Umwelt und Verkehr den Zuschlag für die Rahmenplanung zu erteilen.
Senatsbaudirektorin Prof. Petra Kahlfeldt hebt an dem ausgewählten Konzept hervor, dass die Arbeit durch ihre ganzheitliche Betrachtung des Stadtkontextes einen wertvollen Beitrag zur Stadtreparatur leisten könne. Der Entwurf füge sich in die umgebende Struktur ein und ermögliche die Unterbringung von rund 1.800 Wohnungen. Er zeichne sich durch eine robuste Struktur aus und entspreche damit auch den Anforderungen der Bürger sowie der Fachleute, die sich an dem Werkstattverfahren beteiligt haben.
Auf Grundlage des ausgewählten Konzeptes wird noch in diesem Jahr ein städtebaulich-freiräumlicher Rahmenplan für die künftige Entwicklung erarbeitet. Geplant ist ein vielfältiges Stadtquartier mit rund 1.800 Wohneinheiten, zwei Schul- und Kitastandorten, attraktiven Freiräumen, übergeordneten Fuß –und Radwegeverbindungen sowie neuen Arbeitsplätzen. Dabei sollen ambitionierte Maßstäbe für die weitestgehend klimaneutrale und autoarme Quartiersentwicklung gelten. Der Rahmenplan wird noch vor seiner Fertigstellung in einer weiteren öffentlichen Informationsveranstaltung im Herbst 2023 vorgestellt.
Gebietsfonds für das städtebauliche Entwicklungsgebiet ehemaliger Güterbahnhof Köpenick
Update vom 20. März 2024: Zur Förderung gemeinwohlorientierter Projekte im Entwicklungsgebiet ehemaliger Güterbahnhof Köpenick und seiner unmittelbaren Umgebung hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen einen Gebietsfonds im Rahmen der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme ehemaliger Güterbahnhof Köpenick eingerichtet. Im Jahr 2024 stehen hierfür zunächst 30.000 Euro für gemeinwohlorientierte Projekte zur Verfügung, die das Zusammenleben zwischen ansässigen und neuen Bewohnern in dem geplanten neuen Stadtquartier auf dem ehemaligen Güterbahnhofsgelände und in seiner Nachbarschaft fördern sollen.
Die Fördermittel können von einzelnen Personen sowie von Gewerbetreibenden, Vereinen und sozial-kulturellen Einrichtungen aus dem Wahlbereich des Gebietsbeirats beantragt werden. Gleiches gilt für Grundstückseigentümer. Für eine Förderung kommen zum Beispiel gemeinschaftliche Projekte wie Stadtteilfeste oder kulturelle Aktivitäten in Betracht, ebenso wie Pflanzaktionen oder Zwischennutzungen auf dafür geeigneten Flächen. Die jeweiligen Projekte müssen innerhalb eines Kalenderjahres durchgeführt und abgerechnet werden. Bis zu 5.000 Euro Fördermittelhöhe können pro Projekt beantragt werden.