Die Meldungen von den Baustellenanschlägen in Leipzig gingen spätestens aufgrund der Geschehnisse rund um das CG-Gruppe-Projekt FourLiving publikumswirksam durch die Medien. Doch nicht nur in der sächsischen Messestadt schwelen die Aufwertungs- und Verdrängungsängste, auch in Dresden mehren sich die Attacken gegen Immobilienunternehmen.
In der Nacht zum 21. Januar 2021 griffen Unbekannte das Bürogebäude „NEO“, einen gerade vollendeten Neubau der TLG IMMOBILIEN AG, an. Die Dresdner Polizei kommentierte wie folgt:
„Haus beschädigt
Unbekannte haben in der Nacht zum Donnerstag mehrere Scheiben eines neu errichteten Hauses an der Großenhainer Straße eingeworfen. Zudem hinterließen sie Graffiti an der Fassade, die sich gegen die Eigentümerfirma richteten. Eine Schadenshöhe kann noch nicht angegeben werden. Der Staatsschutz der Dresdner Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen.“
Gentrifizierungs-Aktivist*innen attackieren TLG IMMOBILIEN AG
Kurze Zeit später berichtete unter anderem die Sächsische Zeitung von einem Bekennerschreiben. Darin bezeichnete die Gruppe „Solidarische Nachbar:innenschaft 01097“ ihre Aktion „als radikale Form der Kritik an den aktuellen städtebaulichen und stadtpolitischen Prozessen in Dresden, besonders in der Leipziger Vorstadt.“ Zudem sprach sie von einem sechsstelligen Sachschaden.
Die Gruppe richte sich mit ihrer Aktion nicht ausdrücklich gegen das Entstehen von neuem Wohnraum. Das Ziel seien vielmehr Aktiengesellschaften, „die durch ihre überteuerten und deplatzierten Bauten dafür sorgen, dass die Mieten im Viertel weiter steigen und unsere Freiräume zerstört werden.“ Warum sich dementsprechend die Aktion gegen ein Bürohaus richtete, bleibt vorerst offen.
Stein des Anstoßes: Bürokomplex NEO in Dresden
Seit 2019 realisierte die TGL IMMOBILIEN AG parallel zwei Neubauprojekte mitten in Dresden: die Bürokomplexe „NEO“ und „Annenhöfe“. Für NEO in der Großenhainer Straße 5-7 im Dresdener Stadtteil Neustadt hatte das Unternehmen am 26. Juni 2019 die Baugenehmigung erhalten.
NEO steht für „Neustadt, Effizienz & Offices in exzellenter Lage“ und wurde zusammen mit der KPE Projektentwicklung GmbH & Co. KG aus Wiesbaden entwickelt. Schon bei Baustart waren 43 Prozent der insgesamt 15.000 Quadratmeter Mietfläche auf zehn Jahre an Amazon vorvermietet. Der Versandhändler verlegt damit sein Entwicklungszentrum von der Radeberger Vorstadt in die Dresdner Innenstadt. Als zweiter großer Ankermieter wurde die Autobahn GmbH des Bundes gewonnen.
Im Januar 2021 sollten die ersten Mieter einziehen, dies wird sich nun voraussichtlich verschieben. Die Dresdner Polizei hat die Ermittlungen an das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum (PTAZ) abgegeben.
In Dresden schwelt die Gentrifizierungsproblematik
In Dresden beginnen sich die immobilienpolitisch motivierten Attacken und Aktionen zu mehren:
- So wurden im Juli 2020 die entstehenden Neubauten zweier Mehrfamilienhäuser am Bischofsplatz mehrfach mit Farbe beschmiert.
- Fahrzeuge des Wohnungsunternehmens Vonovia gingen wiederholt in Flammen auf. Im Oktober 2020 brannten drei Firmenwagen auf einen Schlag aus. Im Januar 2021 traf es einen Transporter des Unternehmens.
- Im Januar 2020 nahm die Gruppe „Wir besetzen Dresden“ eine alte Villa und zwei weitere Häuser an der Königsbrücker Straße (Dental-Gelände) in Beschlag.
- Im Juli 2020 wurde das Vorderhaus am Bischofsweg 16 besetzt.
- Im Hechtviertel machten im Oktober 2020 Aktionist*innen ihrem Unmut über den Dresdner Mietenwahnsinn bei dem Aktionstag „Gleiches Hecht für alle“ Luft. Am Rande des Aktiontages wurde ein Haus in der Schanzenstraße 3 durch die „Leerstandsbewohner“ besetzt.
Anschlag auf Hotelneubau in der Leipziger Straße
Update vom 04.03.2021: In der Nacht zum 3. März 2021 wurden an dem Dresdner Hotelneubau ARCOTEL Hafen City zahlreiche Scheiben eingeschlagen und das Gebäude mit Farbbeuteln beworfen. Das Hotel der österreichischen ARCOTEL Hotels & Resorts GmbH ist bereits komplett fertiggestellt, verfügt über 183 Zimmer und harrt aktuell seiner aufgrund von Lockdown und Co. verschobenen Eröffnung. Das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum des Landeskriminalamtes hat die Ermittlungen zu dem Anschlag, der einen Schaden von mehreren 10.000 Euro verursachte, übernommen.
Anschläge auf Vonovia-Autos
Update vom 21.04.2021: Ende März wurden in Dresden mehrere Kleintransporter der Wohnungsbaugesellschaft Vonovia von Unbekannten attackiert. Reifen wurden zerstochen und die Gefährte mit Farbe besprüht. Eine Gruppe mit dem Namen "aktionen_dresden" bekannte sich zu dem Anschlag und führte als Grund die Räumung einer Kiezkneipe in Berlin ins Feld. Am 21. April 2021 traf es erneut einen Transporter der Vonovia - diesmal in der Dresdner Zirkusstraße. Das Auto wurde mit Enteignungsparolen beschmiert.
Dresdner Villa besetzt
Update vom 29.07.2021: Am 26. Juli 2021 hatten mehrere junge Leute eine seit 2008 leerstehende Villa in der Jägerstraße im Nordosten von Dresden besetzt. Das Gebäude gehört dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement und wurde von der "Jugendbesetzungsgruppe" aus Protest gegen den Leerstand in Dresden in Beschlag genommen. Am darauffolgenden Dienstag standen Besetzer und Besitzer im gegenseitigen Austausch. An dessen Ende stand eine Anzeige. Am Mittwoch sollte die Villa dementsprechend durch die Polizei geräumt werden. Diese fand außer einer kleinen Menschengruppe vor dem Haus keine Besetzer an. Die Polizei durchsuchte das Gebäude und ermittelt wegen Hausfriedensbruchs.
Vonovia-Autos in Dresden-Kaditz attackiert
Update vom 05.08.2021: Auf einem Grundstück im Dresdner Stadtteil Kaditz wurden von Unbekannten mindestens sechs Kleintransporter des Wohnungsunternehmens Vonovia beschädigt. Die Täter bewarfen die Fahrzeuge in der Scharfenberger Straße mit Bierflaschen und übergossen einige Wagen mit grüner Farbe. Die Polizei geht von einem Sachschaden in Höhe von rund 11.000 Euro aus und ordnet die Beschädigungen als politisch motivierte Straftat ein.